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Ist schon Fasching? Ruth-Inge Rolke

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Es ist jetzt über siebzig Jahre her, dass ich mit meiner Mutter in unserer mollig warmen Küche stand und ihr helfen durfte, Weihnachtsplätzchen zu backen.

In Wiesbaden war es kalt geworden. Auf der Straße oder im Hof durfte ich nicht mehr spielen.

Meine Mutter hatte alle Zutaten gekauft: Zucker, Honig, Butter und auch Schokolade. Es war herrlich, den Teig zu kneten, auszurollen und die Plätzchen auszustechen. Meine Arme waren bis zu den Ellbogen mit Mehl bestäubt. Der Teig klebte an meinen Fingern, die sorgfältig abgeleckt wurden.

Wir begannen mit Butterplätzchen, dekorierten sie mit „Liebesperlen“ und „Hagelzucker“. Dann kamen die anderen Sorten. Am liebsten mochte ich Haselnussplätzchen und Mandelmakronen auf Oblaten. Wenn wir fertig waren, legten wir alle sorgfältig in blecherne Dosen, die Mutter bis Weihnachten versteckte.

Anfang Dezember fuhr mein Vater mit mir nach Biebrich, wo die Großeltern wohnten. Sie besaßen einen Schrebergarten und schnitten Zweige vom Kirschbaum, „Barbarazweige“, die wir mit nach Hause nahmen. Warum wir das taten, erzählte mir niemand.

Zu Hause standen die Zweige in einer chinesischen Vase. Jeden Tag beobachtete ich, wie sich die Knospen weiter öffneten. Am Heiligen Abend würden die Zweige in voller Blüte stehen. Das war etwas ganz anderes als der Adventskranz mit seinen dünnen roten Kerzen, die ich nacheinander anzünden durfte. Wenn ich die Tannennadeln in die Flamme hielt, duftete das Zimmer, als wäre es schon Weihnachten. In der Woche aber wurde der Kranz zugedeckt auf den Balkon gestellt, damit er nicht so schnell nadelte.

Im Wohnzimmer der Großeltern befand sich ein riesiger schwarzer Ofen. Durch kleine Fenster an der Vorderseite konnte man die Flammen sehen. Vor diesem Ofen zu sitzen und den Rübezahlgeschichten von Tante Käthi zu lauschen war für mich das Schönste.

Das Allerschönste jedoch war es, gemeinsam zu singen, während meine Mutter uns am Klavier begleitete. Wir probten die Weihnachtslieder, manchmal sogar zweistimmig. „Leise rieselt der Schnee“ und „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ gehörten dazu. Wir sangen uns warm und wurden übermütig. Schon gingen wir zu Schlagern über, die wir aus vollem Halse schmetterten, als mein Vater nach Hause kam. Erstaunt fragte er: „Haben wir nicht Advent, oder ist schon Fasching?“

So feierten wir damals

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