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Herr Krause, der Nikolaus Isolde Kraus

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1946, am Nikolausabend. Drei Jahre schon lebten meine Mutter und ich in einem Dorf bei Limburg an der Lahn. Nach einem Bombenangriff in Frankfurt hatten wir etliche Möbel retten können, darunter das Klavier, an dem meine Mutter gerade saß. Sie spielte und wir sangen: „Lasst uns froh und munter sein und uns recht von Herzen freu’n!“

Da klopfte es an der Küchentür. Die meisten Häuser im Dorf hatten keine Klingel. Die Haustür wurde nur in der Nacht abgeschlossen. Wer uns besuchen wollte, kam einfach herein und klopfte.

Doch heute war es kein gewöhnlicher Besuch: Da stand doch wahrhaftig der Nikolaus vor der Tür! Das war noch nie passiert! Aus dem Kindergarten wusste ich freilich, dass der Nikolaus den braven Kindern etwas brachte, also schaute ich gespannt auf den großen Mann mit weißem Bart und den Sack, den er bei sich trug. Er begrüßte uns und kam in die Küche. Würde er mich nun fragen, ob ich artig gewesen sei? Aber nein, er unterhielt sich mit meiner Mutter. Bald bemerkte ich, dass dieser Nikolaus niemand anderer war als Herr Krause, der Vater von Margot und Roswitha, mit denen ich oft spielte.

Er fragte meine Mutter, wie es ihr gehe. „Es ist schon sehr kalt geworden. Haben Sie genug Kohlen im Keller für den Winter?“ Er erzählte, dass es seiner Frau besser gehe. Doch Margot habe Schnupfen bekommen. Schließlich kam er zum eigentlichen Anlass seines Besuches: „Im Namen des Gesangvereins Cäcilia möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken“, sagte er. Mit den Mitgliedern dieses Vereins hatte meine Mutter im vergangenen Jahr das Singspiel „Die Winzerliesel“ einstudiert. „Für Ihre musikalischen Dienste, für Ihre Freundlichkeit und Geduld“, sagte Herr Krause und überreichte ihr den ganzen Sack. „Und das ist Ihr Honorar, liebe Frau Gebhard!“

„Honorar“: Dieses Wort kannte ich. Honorar bekam meine Mutter auch von den Eltern ihrer Klavierschüler. Honorar war Geld! Aber gleich ein Sack voll Geld? Das konnte wohl nicht sein. Und selbst wenn der Sack voller Geld wäre: Was sollten wir damit anfangen? In den Geschäften gab es nicht viel zu kaufen.

Herr Krause, unser Nikolaus, trank noch eine Tasse Tee, dann verabschiedete er sich. Erst jetzt durfte ich dabei helfen, den Sack aufzubinden. Er war mit einer dicken, roten Schleife verschnürt, in der ein Tannenzweig steckte. Vorsichtig knotete ich die Schleife auf. Wenn man sie bügelte, wäre sie wie neu. Dann würde sie in den Kasten gelegt, in dem wir Bänder und Schleifen aufbewahrten.

Und welche Schätze fanden wir im Nikolaussack? Es waren geräucherte Würste, Butter, Eier, Speck, Mehl und Honig!

An diesem Nikolaustag gab es zum Abendbrot ein dickes Wurstbrot: ganz viel Wurst mit wenig Brot! Und am nächsten Tag würde ich ein Butterbrot essen, bei dem man den Abdruck der Zähne in der Butter sehen sollte.

So feierten wir damals

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