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Sedna und der Eissturmvogel

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An einer einsamen Küste lebte einst ein Inung mit seiner Tochter Sedna. Seine Frau war schon lange tot und die beiden führten ein bescheidenes Leben. Sedna wuchs zu einem hübschen Mädchen heran und von überall her kamen die jungen Männer und warben um ihre Hand. Doch keinem gelang es, ihr stolzes Herz zu rühren. Schließlich – zu jener Zeit, wenn im Frühling das Eis bricht – flog ein Eissturmvogel heran und lockte Sedna mit einem verführerischen Lied. »Komm mit mir«, flüsterte er, »komm ins Land der Vögel, wo es nie Hunger gibt und mein Zelt aus den allerschönsten Fellen besteht. Du wirst auf weichen Bärenfellen ruhen. Meine Gefährten, die Eissturmvögel, werden dir alles bringen, was dein Herz begehrt: Ihre Federn werden deine Kleider sein, deine Lampe soll stets mit Öl und dein Topf mit Fleisch gefüllt sein.«

Sedna konnte diesem Locken nicht lange widerstehen und gemeinsam überquerten sie die weite See. Als sie schließlich nach einer langen und anstrengenden Reise das Land der Eissturmvögel erreichten, entdeckte Sedna, dass ihr Gatte sie schändlich getäuscht hatte. Ihr neues Haus war nicht aus schönen Pelzen gebaut, sondern mit dürftigen Fischhäuten bedeckt, die voller Löcher waren, durch die Wind und Schnee eindrang. Anstelle weicher Rentierfelle bestand ihr Bett aus harten Walross-Decken und sie musste von mickrigen Fischen leben, die ihr die Vögel brachten. Schon bald begriff sie, dass sie all ihre Möglichkeiten vertan hatte, als sie im falschen Stolz die Jugendlichen der Inuit abgewiesen hatte. In ihrem Schmerz sang sie: »Aja. O Vater, wenn du wüsstest, wie elend es mir geht, würdest du zu mir kommen und wir würden in deinem Boot über das Wasser fliehen. Die Vögel sind nicht freundlich zu mir, der Fremden, kalte Winde fegen über mein Bett, und ich bekomme nur erbärmliches Essen. Oh, komm doch und bring mich nach Hause. Aja.«

Als ein Jahr vergangen war, wurde die See erneut von warmen Winden aus ihrer Erstarrung geweckt und Sednas Vater verließ seine Heimat, um sie zu besuchen. Seine Tochter begrüßte ihn voller Freude und bat ihn flehentlich, sie mit nach Hause zu nehmen. Als der Vater von den Freveltaten erfuhr, die seiner Tochter widerfahren waren, sann er auf Rache. Er tötete den Eissturmvogel, nahm Sedna in sein Boot und verließ mit ihr schnell das Land, das ihr so viel Unglück gebracht hatte. Als die anderen Eisvögel heimkamen, ihren Gefährten tot vorfanden und seine Frau verschwunden war, flogen sie alle los, um nach den Flüchtlingen zu suchen. Sie trauerten sehr über den Tod ihres armen ermordeten Gefährten und klagen und schreien bis zum heutigen Tag.

Schon bald entdeckten sie das Boot und wühlten einen schweren Sturm auf. Die See türmte sich zu gewaltigen Wogen, die dem Paar mit der Vernichtung drohten. In dieser tödlichen Gefahr entschied sich der Vater, Sedna den Vögeln zu opfern und warf sie über Bord. In Todesangst klammerte sie sich an den Rand des Boots. Der grausame Vater griff daraufhin nach einem Messer und schnitt ihre Fingerkuppen ab. Sie fielen ins Meer und verwandelten sich in Wale, aus den Fingernägeln wurden die Walknochen. Sedna klammerte sich noch stärker an das Boot, nun schnitt der Vater durch die mittleren Fingergelenke, und sie schwammen als Robben (Pagomys foetidus) davon. Als der Vater schließlich den Rest der Finger abtrennte, verwandelten sie sich in Bartrobben (Phoca barbata). In der Zwischenzeit hatte der Sturm nachgelassen, denn die Eisvögel glaubten, dass Sedna ertrunken war. Da erlaubte der Vater ihr, zurück ins Boot zu kommen. Doch von jener Zeit an hasste sie ihn aus tiefstem Herzen und schwor bittere Rache. Als sie angelegt hatten, rief Sedna ihre Hunde und ließ sie ihres Vaters Hände und Füße abfressen während er schlief. Daraufhin verfluchte er sich selbst, seine Tochter und die Hunde, die ihn verkrüppelt hatten, worauf sich die Erde auftat und Hütte, Vater, Tochter und Hunde verschlang. Seitdem leben sie im Lande Adlivun, über das Sedna7 herrscht.

Kanadische Erzählungen: Geschichten vom weiten Norden und ewigen Eis

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