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Rabes Geburt

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Am Ufer des Meeres lebten einige Menschen. Unter ihnen war ein Mann mit magischen Kräften, der nicht bei seiner Frau wohnte. Er erlaubte keinem anderen Mann, sich ihr zu nähern, und bewachte sie sehr genau. Er hatte eine verheiratete Schwester, die einen Sohn gebar, der schnell heranwuchs.

Als er alt genug zum Reisen war, fragte der Onkel die Mutter des Jungen um Erlaubnis, seinen Neffen mit auf die Jagd zu nehmen, und sie stimmte zu. Gemeinsam fuhren sie mit dem Kanu aufs Meer hinaus. Als sie ein Stück gefahren waren, sagte der Mann dem Jungen, er solle sich in den Bug des Kanus setzen. Dann ließ er es schwanken, bis der Junge ins Wasser fiel und ertrank. Der Mann kehrte zu seiner Schwester heim und erzählte ihr, der Junge sei über Bord gefallen und ertrunken.

Seine Schwester bekam einen weiteren Sohn, und als dieser groß genug war, bat sein Onkel die Mutter, den Jungen auf die Jagd gehen zu lassen. Er ertränkte ihn auf die gleiche Weise. So tötete er jeden Sohn seiner Schwester. Schließlich gebar sie abermals einen Sohn. Dies war Rabe. Er spielte auf andere Weise als die anderen Kinder. Es bereitete ihm Freude, Holzspielzeuge in der Form von Kanus, Menschen, Fischen und anderen Dingen zu schnitzen und er spielte anschließend mit ihnen. Als Rabe noch ein kleiner Junge war, forderte sein Onkel die Mutter mehrfach auf, ihm zu erlauben, auf die Jagd zu gehen. Mehrfach weigerte sie sich und sagte: »Er ist mein letztes Kind und ich will es nicht verlieren.« Schließlich sagte der Junge zur Mutter: »Lass mich gehen! Mir wird nichts Schlimmes widerfahren.« Da gab sie nach und er zog los. Vor dem Aufbruch versteckte er unter seinem Umhang ein Spielzeug-Kanu.

Sein Onkel trug Rabe auf, sich in den Bug des Kanus zu setzen und ließ es wanken, bis der Junge ins Wasser fiel. Eine Weile verbarg er sich unter der Oberfläche, bevor er, nachdem er zurück an die Oberfläche gekommen war, das Spielzeug-Kanu zur Größe eines echten Kanus anwachsen ließ und mit ihm nach Hause paddelte. Sein Onkel war zuvor eingetroffen und hatte seiner Schwester erzählt, dass ihr Sohn ertrunken und genauso töricht gewesen sei, wie ihre anderen Söhne vor ihm. Kurz darauf traf der Junge ein und berichtete seiner Mutter alles, was geschehen war. Er sagte: »Mein Onkel tötete meine Brüder auf die gleiche Weise, wie er versucht hat, mich zu töten.« Sie war froh, dass er heimgekommen war, denn sie hatte ihn tot geglaubt.

Einige Zeit später forderte der Onkel die Mutter auf, den Jungen abermals auf die Jagd zu lassen. Sie erlaubte es, und der Junge zog los. Sein Onkel versuchte, ihn zu ertränken, aber er entkam auf die gleiche Weise wie beim ersten Mal. Der Onkel fragte ihn noch ein drittes Mal, aber diesmal weigerte er sich zu gehen und sagte: »Du versuchst immer, mich zu töten.« Sein Onkel ging allein auf die Jagd, und als er weit draußen auf dem Meer war, rannte der Junge zum Haus der Frau seines Onkels und spielte mit ihr. Er bemerkte, dass sie stets die Arme gesenkt am Körper hielt. Er kitzelte sie, damit sie ihre Arme bewegte. Schließlich packte er ihren Unterleib und da hob sie die Arme. Ein Blauhäher flog aus einer ihrer Armbeugen und ein Specht aus der anderen. Sie starb sofort. Ihr Ehemann wusste sofort, dass etwas nicht in Ordnung war und kam nach Hause. Als er fand, dass seine Frau tot und die Vögel fortgeflogen waren, wurde er sehr wütend und jagte den Jungen, um ihn zu töten. Der setzte sein kleines Kanu ins Wasser. Sofort nahm es die Maße eines großen Kanus an, der Junge stieg ein und entkam.

Seitdem nennt man ihn Rabe. Er begann, durch die Welt zu reisen und kehrte nie mehr an den Ort seiner Geburt zurück.

Kanadische Erzählungen: Geschichten vom weiten Norden und ewigen Eis

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