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Die Privatisierung des Marktes und das Ende des Neoliberalismus Philipp Staab

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Unter dem Dachbegriff des digitalen Kapitalismus thematisieren wir nun schon seit einigen Jahren eine offenbar immer größer werdende Zahl von Phänomenen. Datenkraken wie Google sollen ebenso dazugehören wie selbstfahrende Autos, Ecommerce-Plattformen, Mobilfunknetze, Waschmaschinen mit Internetanschluss und vernetzte Produktionsanlagen. Was diese Phänomene genau miteinander zu tun haben, ist dabei nicht mehr so leicht auszumachen. Die naheliegende Antwort lautet: Sie basieren allesamt, zumindest teilweise, auf digitalen Basistechnologien und es handelt sich zudem in allen Fällen um Dinge, die in kapitalistische Verwertungsprozesse integriert sind. »Digital« plus »Kapitalismus« macht »Digitaler Kapitalismus«!

Diese Logik lässt sich noch weiterspinnen: Der Kapitalismus ist bekanntlich expansiv. Er versucht sich immer neue Bereiche der Gesellschaft, ja sogar individueller Subjektivität einzuverleiben. Dies tut er neuerdings verstärkt unter Zuhilfenahme digitaler Technologien. So kommt man recht schnell vom digitalen Kapitalismus der E-Commerce-Plattformen, Haushaltsroboter und vernetzten Produktionsmaschinen zu jenem der Smart Cities, der Social-Media-Sucht, der gnadenlosen Inszenierung des Selbst (Selfies!) und der manipulativen Wahlwerbung. Der Begriff »digitaler Kapitalismus« entgrenzt sich zu einer Metapher, die im Grunde nur noch dazu dient, einen Zusammenhang zu suggerieren, den man empirisch nicht so recht ausweisen kann.

So gefasst dient der Begriff also weniger der analytischen Klarheit als der Herstellung einer politischen Debatte, die er durch den zunächst einmal behaupteten Zusammenhang ermöglicht. Das ist gar nicht wenig und auch nicht sinnlos. Es tut schließlich Not, darauf zu bestehen, dass wir nach wie vor über Technologieentwicklung nicht ergebnisoffen, sondern im Kontext einer sehr spezifischen Form von Ökonomie sprechen. Die Frage »Welche Digitalisierung wollen wir?« ist im Rahmen des realexistierenden Kapitalismus schließlich im Grunde immer schon beantwortet. Von digitalem Kapitalismus zu sprechen (statt zum Beispiel nur von »Digitalisierung«), transportiert damit automatisch die Kritik an der Begrenzung unserer Zukunft und das Einklagen alternativer Pfade.

Den analytischen Hunger stillt diese Lesart jedoch nicht. Offen bleibt die Frage, worin sich das Ganze nun eigentlich von anderen Varianten des Kapitalismus (dem industriellen, kognitiven, ästhetischen, kybernetischen …) unterscheiden soll oder anders gesagt: ob wir es tatsächlich mit einer neuen Stufe kapitalistischer Entwicklung zu tun haben. Die Chancen, dass man richtigliegt, wenn man diese Frage verneint, stehen relativ gut. Schließlich überwiegen in jeder bisher bekannten kapitalistischen Formation die Gemeinsamkeiten die Unterschiede – sonst wäre das Substantiv ja nicht stabil, während die Adjektive variabel sind.

Dennoch will ich in groben Zügen zwei mögliche Antworten skizzieren, die unterschiedliche Thesen über den analytischen Kern des digitalen Kapitalismus formulieren. Statt ihre Theorien ausgehend von einem diffusen Set an Technologieanwendungen zu entwickeln, bestehen beide Ansätze auf die basale Bedeutung des kommerziellen Internets für eine Theorie des digitalen Kapitalismus. Hier hat sich, diesen Positionen zufolge, in den vergangenen 20 Jahren ein spezifischer Wirtschaftsraum entwickelt, der zum einen eigenen Regeln folgt und zum anderen im Begriff ist, sich immer neue Bereiche der Ökonomie zu unterwerfen. Was ist also der Kern dieser neuen Regeln, die sich im kommerziellen Internet entwickelt haben?

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