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Spiritualität im 21. Jahrhundert: Eine leise Revolution
von Deborah Moldow
Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten. Nahezu im gleichen Moment, in dem uns bewusst wurde, dass wir jederzeit genügend zu essen haben, in relativem Frieden leben und innerhalb von Minuten kinderleicht mit der ganzen Welt kommunizieren können, sind wir aufgewacht hinsichtlich der großen Zerstörung, welche die Industrialisierung ebenjener Erde zugefügt hat, die uns am Leben erhält. Bislang tendieren wir dazu, uns dieser existenziellen Krise ausschließlich aus der engstirnigen Perspektive unserer jeweiligen Länder und Kulturen zu nähern statt aus Sicht der globalen Familie, die wir in Wahrheit sind. Und doch liefern uns die Turbulenzen und chaotischen Zustände dieser Krise den Nährboden, in den wir den Traum von einer neuen menschlichen Zivilisation pflanzen können, welcher in einer weltweiten Kultur des Friedens erblüht. Und das Licht, das hilft, diesen Samen zur Reife zu bringen, steckt in jedem Einzelnen von uns.
Es zeichnet sich etwas Neues ab: ein neues Bewusstsein für unsere große Hoffnung, dass unser Planet – Mutter Erde – ihre Einladung an uns erneuert, die einzige Heimat zu bewohnen, die wir kennen. Auf dieser Bewusstseinsebene sehen wir uns – zum ersten Mal in der Geschichte – als Mitglieder einer einzigen planetaren Familie, die sich ein gemeinsames Zuhause teilt. Gleichzeitig haben Jahrzehnte interreligiösen Engagements unser Verständnis dafür wachsen lassen, dass alle Religionen auf eine Wahrheit hindeuten, die jenseits unseres Begriffsvermögens liegt. Sie alle bringen in Form von verschiedenen Sprachen, Kulturen und Epochen zum Ausdruck, wie wichtig es für uns ist, liebenswürdig zueinander zu sein und unseren natürlichen Instinkt, für unser eigenes Wohl zu sorgen, zugunsten des Gemeinwohls zu zähmen.
Diese Erkenntnis schafft zurzeit ein Gefühl von Gemeinschaft, das auf gemeinsamen Werten beruht, die über unsere unterschiedlichen Herkünfte und Glaubensrichtungen hinausgehen. Die führenden Persönlichkeiten dieser Entwicklung wirken in einer bislang noch unerkannten Bewegung mit, die dem Leben der Menschen in zunehmendem Maße Bedeutung verleiht und eine wachsende Wertschätzung der Heiligkeit jedes Menschen und jedes Aspekts der Welt um uns herum fördert.
Diese tief gehende spirituelle Entwicklung besitzt die Kraft, uns endlich als eine große Menschheitsfamilie zu vereinen. Die Gründung der Vereinten Nationen war ein bedeutender Versuch, Frieden zwischen den Nationalstaaten herzustellen, aber mit all den – oftmals miteinander in Konflikt stehenden – Interessen war es in der Praxis nur selten möglich, im gemeinsamen Interesse aller Akteure zu handeln. Wenn wir uns dagegen auf der Ebene des Herzens verbinden und unsere Interessen als Angehörige von Stämmen, Nationen und Religionen zugunsten des Wohls der Allgemeinheit zurückstellen, werden wir in der Lage sein, selbst die größten Herausforderungen, denen wir uns heute gegenübersehen und die unsere Zukunft bedrohen, zu meistern.
Diese leise Revolution ist eine offene Einladung an alle Menschen, ihre individuellen Begabungen zu entfalten und ihre Bestimmung in freudigem Dienst für etwas zu verwirklichen, das größer ist als wir alle. Wir sind aufgerufen, in die nächste Ebene unserer kollektiven Entwicklung einzutreten und gemeinsam eine Zukunft zu kreieren, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegt, wobei der Frieden auf Erden lediglich der Anfang ist.
Es gibt drei primäre Faktoren, die diese entstehende globale Kultur vorantreiben:
Globalisierung
Dieser große Begriff umfasst viele Bereiche der Technologie, des Reisens und der Kommunikation. Doch spätestens seit dem Tag, als die ersten Kameras in die bis dahin unberührten Gefilde indigener Urvölker vordrangen, war klar, dass wir irgendwann den Punkt erreichen würden, wo der gesamte Globus genauestens kartiert und alle seine Bewohner bekannt wären. Dieser Prozess hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Düsenflugzeugen, dem Fernsehen, den Vereinten Nationen und zuletzt dem Internet noch beschleunigt. Zur selben Zeit hat die technologische Entwicklung in der Landwirtschaft und dem Handel überall zu einer Vereinheitlichung der Produktion geführt, die die reichhaltige Biodiversität unserer Ökosysteme ernsthaft in Gefahr gebracht hat, und eine Kultur der stetigen Verfügbarkeit geschaffen, die unseren Heimatplaneten mit unnötigem Abfall zumüllt, anstatt dem Lebenszyklus zu folgen, den die Natur vorsieht.
Obwohl große Veränderungen erforderlich sind, um das riesige Ausmaß an Umweltverschmutzung zu beseitigen und gesündere Formen für ein harmonisches Zusammenleben mit der Erde zu finden, werden unsere Gemeinsamkeiten auf der ganzen Welt in Zeiten von Naturkatastrophen und politischen Unruhen durch das Mitgefühl gestärkt, das uns, ungeachtet des jüngsten Anstiegs nationalistischer Gegenbewegungen, miteinander vereint. Unser Gefühl, dass wir ein und denselben Planeten miteinander teilen, lässt sich einfach nicht wegdiskutieren.
Klimakrise
Die Krisen, die durch schmelzende Gletscher und steigende Ozeane ausgelöst wurden, werden bereits auf der ganzen Welt als extreme Wetterphänomene erlebt und wahrgenommen. Unsere Küstenlandschaften verändern sich angesichts immer heftigerer Hurrikans, Taifune, Wirbelstürme, Brände und Überschwemmungen. Und obwohl Regierungen immer wieder daran gescheitert sind, sich auf Maßnahmen zu einigen, die effizient genug wären, die Folgen abzumildern, ist klar, dass keine Nation allein sich dem, was da auf uns zukommt, erfolgreich stellen kann.
Diejenigen von uns, die das Glück haben, in den reichsten Ländern der Erde geboren zu sein, sind aufgefordert, sich die Kosten unseres Privilegs anzuschauen und ihre Beziehung zu dem wunderbaren Planeten, der uns das Leben schenkt, auf den Prüfstand zu stellen.
Spiritualität
Vor hundert Jahren praktizierte der Großteil der Menschen die Religion, in die er hineingeboren worden war – und viele tun dies auch heute noch, vor allem in den weniger entwickelten Regionen der Welt. Doch heutzutage, da gebildete Bevölkerungsschichten überall Zugang zu allen möglichen Arten religiöser und indigener Traditionen haben, wächst immer mehr die Anerkennung des Werts sämtlicher spiritueller Lehren und der Tatsache, dass alle Glaubenssysteme zu universellen Werten wie Mitgefühl, Großzügigkeit und Liebenswürdigkeit führen.
Der Säkularismus, der sich in der westlichen Welt entwickelte, als diese den eindrucksvollen Vormarsch der Wissenschaft seit der Renaissance erlebte, hat sich als unzureichend erwiesen, um eine Antwort auf das tiefe menschliche Bedürfnis nach Sinn angesichts der unermesslichen Weite des Universums oder dem Leiden des Einzelnen zu geben. Eine neue Art von Spiritualität, die nicht an bestimmte Dogmen gebunden ist, bahnt sich ihren Weg in unseren Alltag. Menschen in westlichen Ländern suchen Heilung und Stärkung in Praktiken mit östlichen spirituellen Wurzeln wie Yoga und Tai-Chi. Sie versuchen mithilfe von Meditation ihren Stress abzubauen, und Transzendentale Meditation wird inzwischen sogar in Schulen gelehrt. Menschen aller möglichen Glaubensrichtungen und solche, die keinem bestimmten Glauben anhängen, sprechen einen Segen über ihre Nahrung aus, nehmen an traditionellen Zeremonien der Angehörigen nordamerikanischer First Nations teil oder verweilen in einer gemeinsamen Schweigeminute für den Weltfrieden.
Diese Entwicklung baut auf der interreligiösen Bewegung des späten 20. Jahrhunderts auf, die den Dialog zwischen den Oberhäuptern unterschiedlicher Religionen deutlich gestärkt und die Tür zu einem größeren gegenseitigen Verständnis geöffnet hat. Interreligiöse Gottesdienste – vormals ein seltenes Ereignis – sind inzwischen als gemeinsame Reaktion auf Hassverbrechen oder Naturkatastrophen weit verbreitet.
In einer Zeit der enormen Selbstermächtigung hungern wir nach Gemeinschaft, die nicht allein durch das Hinzufügen neuer Kontakte auf Facebook gestillt werden kann. Wir sehnen uns nach einer tieferen Verbindung mit der Natur, da viele von uns zu dem Wissen wiedererwachen, welches die indigenen Völker überall auf der Erde seit Langem besitzen: dass wir selbst – als einzigartiger Ausdruck eines Lebensnetzwerkes – ein Teil der natürlichen Welt sind, zu der wir den Kontakt verloren haben, während wir damit beschäftigt waren, uns sicher und bequem einzurichten.
In der Vergangenheit verspürten gläubige Menschen überwiegend den Wunsch, innerhalb ihrer eigenen Gemeinden gute Werke zu vollbringen. Heute möchten spirituell Suchende der ganzen Menschheit dienen. Dies mag ein wenig einschüchternd klingen, doch es ist der Weg der Zukunft, und er gewinnt an Dynamik, je mehr auf dem Spiel steht. Der Wille, Gutes zu tun – der Kern aller Religionen und spirituellen Traditionen –, durchbricht die Grenzen des reinen Stammesdenkens der Vergangenheit hin zu einem planetaren Impuls des Dienens, der das Gefühl von Bedeutung und Bestimmung im Leben der Menschen verstärkt.
Diese spirituelle Revolution, in Verbindung mit und verstärkt durch die massiven Zuwanderungswellen aufgrund von Globalisierung und Klimakrise, führt zu einer Auflösung der einst starren Grenzen zwischen Nationalitäten, Sprachen, Kulturen und Traditionen – ja, selbst der Trennung der Rassen, jener großen Herausforderung für das Einssein der Menschheit. Obwohl wir aktuell eine ernst zu nehmende Gegenreaktion angesichts dieser ansteigenden Welle in Form von extremem Nationalismus erleben und kein Ende des derzeitigen Militarismus in Sicht ist, geht der sanfte, doch gleichzeitig kraftvolle Bewusstseinswandel tatsächlich recht schnell vonstatten. Die Frage ist: Wird dieses neue Bewusstsein rechtzeitig einen Kipp-Punkt erreichen, der es der Menschheit ermöglicht, zum Wohle kommender Generationen zu gedeihen?
Wir haben es in der Hand.