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2. Handelspolitik für uns und den Rest der Welt

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Deutschland will mehr Freiheit auf dem Globus: für Handel und Investitionen, die europäische Kapitale in größerem Maße machen können sollen. Es will mehr Wachstum für europäische Standorthüter, die daraus ihre Machtmittel beziehen, und von dem sich auch die normalen, lohnabhängigen Leute einige Arbeitsplätze versprechen dürfen – die brauchen sie laut ihrer Führung so sehr, dass sich jede Frage von selbst verbietet, was sie davon haben. Mehr Freiheit sollen Europas Kapitalisten zunächst in Amerika finden, wo auch und gerade der Markt von einzigartiger Größe ist. Dass dieses Mehr an Freiheit mit einem Mehr an Konkurrenz einhergeht, scheint deutschen Verantwortungsträgern keine Sorgen zu bereiten, was angesichts der überragenden Wettbewerbsfähigkeit, von der schon die Rede war, nicht zu überraschen braucht. Der deutsche Standorthüter ist sich der Größe und der Schlagkraft seiner Kapitale, ihrer Freiheit im Umgang mit der deutschen Arbeiterklasse so sicher, dass er die gewachsene Freiheit der Konkurrenz um Marktanteile mit mehr Marktanteilen für deutsche Kapitale einfach gleichsetzt. So überzeugt sind deutsche Politiker von der Erfolgstüchtigkeit ihrer Kapitalisten, dass ihnen tendenziell alles, was die USA und auch sie selber über die Jahre an Regulierungen und ‚Standards‘ geschaffen haben, wie ein Haufen potenzieller Hindernisse für mehr Erfolg erscheint.

Die Bewohner von Merkels Land mögen beim TTIP vor allem an die Freiheiten denken, die den USA und ihren Kapitalisten eingeräumt werden; sie mögen sich in Vorstellungen darüber ergehen, was ihnen demnächst alles auf dem Teller landet, und bei ihrer politischen Führung auf Schutz der europäischen ‚Standards‘ beharren, deren Güte in dem Maße zu wachsen scheint, wie sie abgebaut zu werden drohen. Die politische Führung selbst schaut jedenfalls weit über die Tellerränder ihrer Schützlinge hinaus: Das Abkommen trägt zwar das Wort ‚transatlantisch‘ im Titel, aber Deutschlands Verantwortungsträger nehmen dabei längst den ganzen Weltmarkt ins Visier. Das Abkommen selbst mag nach Auskunft des Wirtschaftsministers sogar inzwischen ‚tot‘ sein, sehr lebendig bleibt dagegen die Absicht, den Handel und Wandel auf dem ganzen Globus mit einem Regelwerk zu überziehen, das eine eindeutig deutsch-europäische Handschrift trägt. TTIP, CETA etc. sind nur Schritte zum Ziel, über dessen Notwendigkeit deutsche Handelspolitiker keinen Zweifel aufkommen lassen. Sie wissen nämlich und sagen es ihren Bürgern auch laut und deutlich, dass ohnehin alles, was auf den Feldern blüht, auf die Esstische der Nation kommt und an Arbeit und Verdienst im Lande überhaupt stattfindet, durch die Konkurrenz der Kapitale auf dem Weltmarkt bestimmt wird. Zum Erfolg in der gehört offenbar mehr als ein entsprechender Umgang mit der heimischen Arbeiterklasse, von wegen ‚Hausaufgaben‘ und so. Wenn der deutsche Wirtschaftsminister angesichts der nach seinem Geschmack zu zahlreichen Anti-TTIP-Demonstranten über die nach seinem Geschmack zu kleine europäische Bevölkerung seufzt und so prägnante Sätze von sich gibt wie: „Der Welthandel wächst, wir schrumpfen!“, dann drückt er entsprechend volkstümlich aus, wofür die deutsch-europäische Bevölkerung überhaupt da ist: Sie ist Verfügungsmasse – dazu da, ihren Staaten das nötige ‚Gewicht‘ zu verleihen, das sie für ihre ökonomischen Zwecke in aller Welt brauchen. In seinem einfachen Satz bringt Gabriel den Dreischritt unter, der die gesamte deutsche Handelspolitik leitet: Die Größe der Bevölkerung steht für die Größe des Markts, der größer werden muss; je größer der Markt, desto wuchtiger unsere Kapitale, die sich in dem durchsetzen und durchzusetzen haben; desto größer auch die Erpressungsmacht, mit der Deutschland allen anderen Staaten auf der Welt gegenübertreten kann. Denn dann lassen sich Handelsbedingungen durchsetzen, die unseren Erfolg garantieren, damit die anderen uns nicht zuvorkommen. In einem Freihandelsbündnis mit den Amerikanern ließen sich nämlich gewisse aufstrebende fernöstliche Länder, die uns bei unserem Programm seit Längerem in die Quere kommen, ein ganzes Stück kleiner machen. Doch so sicher deutsche Handelspolitiker sind, dass in der weltweiten Konkurrenz nun einmal das Prinzip ‚fressen oder gefressen werden‘ gilt, so sicher sind sie sich auch, dass eine weltweite Handelsordnung in europäischer Verantwortung nicht nur Europas Kapitalisten und Lohnabhängigen gut tut, sondern auch den Verbrauchern und Menschen der ganzen Welt: Die wären ja sonst den Standards der anderen ausgesetzt. Für diesen Dienst an der Welt muss natürlich eine Bedingung erfüllt werden, und auf der dürfen Deutschlands besorgte Bürger ihrer politischen Führung gegenüber in welcher volkstümlichen Übersetzung auch immer beharren: Die vereinbarten Standards müssen wirklich unseren Erfolg gewährleisten, nicht den der anderen.

Schließlich haben wir mit unserem Erfolg auch noch die Welt zu retten.

GegenStandpunkt 4-16

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