Читать книгу Der Zorn - Группа авторов - Страница 11

Der Zorn und die Wut

Оглавление

Überhaupt plage der Zorn, so wird immer wieder gern behauptet, vor allem das weibliche Geschlecht. So beschreibt Francis Bacon den Zorn als eine Charakterschwäche, die sich am besten aus der »Haltlosigkeit« derjenigen erkennen lasse, die er beherrsche: »Kinder, Weiber, Greise, Kranke«. (Zitiert nach Jürgen Werner, S. 63). Und schon Seneca, einer der großen Philosophen des alten Roms, betrachtete in seinem Buch De ira diesen Gemütszustand als »eine Störung« bei Frauen und kleinen Kindern. Wohl komme diese auch bei Männern vor, so muss er konzedieren. Doch finde man eben auch bei diesen kindische und weibische Anlagen.

Die Sagengestalt der Medea, die sich bis zum heutigen Tag auf dem Theater und in der Oper einer großen Popularität erfreut, erscheint auf dem ersten Blick als das probate Beispiel. Medea ist das Urbild einer leidenschaftlichen Frau, deren gnadenlose Rachsucht das Publikum noch immer erschaudern lässt. Eine Bombenrolle fürwahr. So Reinhard Brembeck in seiner Rezension der Opern-Aufführung Medea in Corinto in der Bayerischen Staatsoper: Nadja Michael, so lesen wir, singe die Medea in ihrem Furor, wutkochend, schonungslos – auch gegen sich selbst.

Wann sprechen wir eigentlich von Zorn und wann von Wut? Sind beide Wörter gleichbedeutend, so dass man sie ohne Missverständnis wahlweise benutzen kann? Ich meine: nein. Die alten Lateiner gebrauchten gemeinhin allein das Wort »ira«. So auch Seneca. Die Art, wie er die von ihm missbilligte Regung als etwas Zügelloses und Unbezähmbares charakterisiert, lässt eher an das Wort »Wut« denken. Seine Übersetzerin hat denn auch den Titel De ira in der Reclam-Ausgabe treffend mit Über die Wut übersetzt und konsequent diese Wortwahl im Text beibehalten.

»Ira« wird im Lexikon der lateinischen Sprache mit »Zorn, Empörung, Wut« übersetzt. Auch die deutsche Sprache kennt Wörter mit einer mehrfachen Bedeutung oder einem weiten semantischen Spielraum. Man muss den Kontext verstehen, um den gemeinten Sinn zu entschlüsseln.

Wenn auch eine gewisse Verwandtschaft zwischen Zorn und Wut nicht zu leugnen ist, so handelt es sich doch nicht um Synonyme, die einander ersetzen könnten. Diese Einsicht wird durch die verbreitete Neigung erschwert, den Begriff Zorn eher durch seine Abarten – wie Jähzorn und Wut – zu definieren als durch seine Eigenart. Schon der Wutanfall macht deutlich, dass die Wut noch weiter von der Vernunft entfernt ist als der Zorn. Und laut dem Brockhaus Psychologie unterscheidet der Gehalt an rationalen oder normativen Komponenten den Zorn von der Wut. (2. Aufl. 2009, S. 699). Ein Tier, ein Sturm kann wüten, gewiss auch ein Rasender, aber zürnen kann nur ein Mensch, von Gott ganz zu schweigen.

Zwar können sowohl Zorn als auch Wut eine Antwort auf eine Enttäuschung oder eine Ungerechtigkeit sein. Doch ist sie beim Zorn mit Ernst und Nachdenklichkeit gepaart. Die Wut ist der Zorn der Hilflosen, so lesen wir bei Jürgen Werner, der unter den von mir zu Rate gezogenen Autoren einer der wenigen ist, die sorgfältig zwischen Zorn und Wut unterscheiden. Die Wut besitzt laut ihm kein Ziel, sie schlage deshalb blindwütig um sich, sei maßlos und kreise nur um sich selbst.

Der Zorn

Подняться наверх