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Die Kultur des Zorns

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Die Aufsätze in diesem Band thematisieren die unterschiedlichen Facetten des Zorns und setzen diese zueinander in Beziehung. Es geht also vor allem darum, die produktiven Seiten des Zorns sichtbar zu machen. Psychologische, politische, sozialwissenschaftliche, kulturelle und moralische Aspekte werden – ganz und gar subjektiv, wie es der Gegenstand nun einmal erfordert, beschrieben. So unterschiedlich Fokus und Duktus der Texte auch sein mögen, der gemeinsame Grundton aller Beiträge ist die Rehabilitierung des antiquierten Zornbegriffs. Es geht darum, den Zorn vom Makel des Destruktiven zu befreien. Die Autorinnen und Autoren meinen es ernst mit der Aussage, dass gesellschaftliche und soziale Veränderung durchaus den Zorn braucht, denn vom »widerständigen Menschen« lebt die Zivilgesellschaft. Zorn ist Energie, und Energie braucht es, um Dinge zu verändern.

Und was hat es mit Nachwort dieses Buches auf sich? Es ist ein historischer, dennoch ungemein aktueller Text, verfasst 1571. Der Autor: Michel de Montaigne, ein achtunddreißigjähriger, freigeistiger Adelsmann. Von seinem Amt als Parlamentsrat gerade zurückgezogen, beginnt er im Turmzimmer auf Schloss Montaigne, umgeben von Büchern, seine Essais zu schreiben: »Von meiner Bibliothek überschaue ich mein ganzes Hauswesen mit einem Blick. Sie liegt über dem Eingangstor, und ich sehe unter mir meinen Garten, meine Stallungen, meinen Innenhof und die meisten Teile meines Anwesens. (…) Die Bibliothek liegt im zweiten Stockwerk eines Turms. Das Erdgeschoss wird von meiner Kapelle eingenommen, das erste Stockwerk besteht aus einem Schlafgemach mit Nebenraum, wo ich mich oft hinlege, um allein zu sein; und darüber nun befindet sich die Bibliothek, die früher als große Kleider- und Wäschekammer diente und der unnützeste Raum meines Hauses war.«

Da oben schreibt er also seine Essais, Aufsätze zu verschiedensten Themen, wie: »Über Traurigkeit, Furcht, Freundschaft, Einsamkeit, Alter, Trunksucht, Bücher, Dünkel, Erfahrung, Eitelkeit« und Zorn. Auffallend ist, dass er sich dabei nicht wie üblich an die gewählten Themen hält, sondern frei und eigenwillig seinen Assoziationen folgt. Das Ganze ist durchsetzt mit Geschichten und Anekdoten aus seiner Zeit und aus der Antike und immer wieder zitiert er aus antiken Quellen (ohne sie anzugeben). Wie er selbst schreibt, haben spielerische und gut klingende Formulierungen ihm besondere Freude bereitet. »Alle Welt richtet den Blick aufs Gegenüber, ich jedoch nach innen, dort halte ich mich dauerhaft beschäftigt.«

1580 veröffentlicht er die beiden ersten Bände der Essais und 1588 den dritten. Insgesamt hat Michel de Montaigne also zwanzig Jahre an seinen Essais gearbeitet. Bis zu seinem Tod 1588 hat er sein Handexemplar der letzten Ausgabe mit zahlreichen Änderungen und Ergänzungen versehen. Dieses Exemplaire de Bordeaux ist 1987 in einer hervorragenden Faksimileausgabe der Edition Sklatine, Genf/Paris, wieder veröffentlicht worden. Und 1998 präsentierte Hans Stilett – nach zehnjähriger Arbeit – eine moderne Gesamtübersetzung der Essais. Aus dessen vielgelobter Übersetzung wurde unverändert der hier abgedruckte Essay über den Zorn übernommen. Eine Hommage auch an den großen Denker und Humanisten Michel de Montaigne, auch wenn er diese Würdigung nur widerwillig akzeptieren würde: »Ich verzichte hiermit im voraus auf alle schmeichelhaften Zeugnisse, die man mir dereinst vielleicht ausstellen wird – man tut es ja nicht, weil ich sie verdiene, sondern weil ich tot bin«.

Als Aufforderung und Ermutigung, sich an einer neuen Kultur des Zorns zu beteiligen, will dieses Buch verstanden werden. Es ist höchste Zeit, den guten Ruf des Zorns wieder herzustellen. Denn: der Zorn schärft alle Sinne – und er macht frei.

Der Zorn

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