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Hotel Landesmuseum ******

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Dass das Landesmuseum einst als Hotel diente, konnte ich kaum glauben. Dachte, man wolle mir einen Bären aufbinden. Einen knüppeldicken. Ein Museum als Hotel? Dazu ein Sechs-Sterne-Betrieb. Das konnte nicht wahr sein.

Und dennoch, der Erzähler machte mir keinen verlogenen Eindruck. Auch keinen blufferhaften. Ein ganz normaler Mensch, der mir sympathisch war. Aber so eine Geschichte? Nein, das konnte ich nicht glauben. Obwohl ich in meinem Leben bereits sehr viel erlebt hatte und niemand mich so mir nichts, dir nichts hinters Licht führen konnte.

Er musste mir meine Skepsis im Gesicht abgelesen haben, denn er holte mit beiden Armen weit aus und begann: «Es entspricht der Wahrheit, der vollen und ganzen Wahrheit, das kann ich beschwören. Und ich habe noch nie in meinem Leben einen Meineid geleistet. Es ist zwar schon lange her, und Zeitzeugen gibt es nur noch wenige. Es geschah 1939 anlässlich der legendären LANDI, der Schweizerischen Landesausstellung, die für das Selbstverständnis unseres Landes beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von so grosser Bedeutung war.»

Jetzt schüttelte er heftig seinen Kopf, sodass eine einzelne Haarsträhne, die diesen halbwegs bedeckte, ihren Halt verlor und über seiner Stirn baumelte.

«Nein, nein, es ist nicht so, wie Sie vermuten. Es war keine Besucher-Beherbergungsnot, die das Landesmuseum in ein Hotel verwandelte.»

Der Erzähler musste ein Menschenkenner sein, ein Gedankenleser, denn genau das hatte ich gedacht, ohne es jedoch auszusprechen. Nun hing ich ihm noch mehr an den Lippen als zuvor und vertraute seinem Eid.

«Jeder Kanton hatte damals, schön der Reihe seines Eintritts in die Eidgenossenschaft nach, wie konnte es in unserem damals so ordnungsliebenden Land anders sein, einen Kantonaltag auszurichten, bei dem alle Stärken – unter bedachter Umgehung der Schwächen des jeweiligen schweizerischen Standes – der staunenden Bevölkerung von Zürich und deren Gästen vorgeführt wurden. So war denn bald einmal der Kanton Bern an der Reihe, voller Stolz seine Vorzüge zu präsentieren. Und da ein Berner ohne Bär nicht auskommt, hatten die Organisatoren beschlossen, ein lebendiges Exemplar ihres Wappentiers, aus dem berühmten Bärengraben stammend, im Umzug mitzuführen. Es standen damals keine Autobahnen zur Verfügung, und so war der behutsame Transport eines waschechten Bären, der anschliessend frisch und munter am Umzug teilnehmen sollte, keine Kleinigkeit. Denn für die Fahrt nach Zürich musste das Tier beruhigt, ja sediert werden, und ein sedierter Bär hätte die Kraft und Lebendigkeit des Kantons Bern niemals widerspiegeln können. Also musste der Bär am Vorabend des Umzugs gefahren werden.

Doch damit war nicht der Schwierigkeiten Schluss, denn der Zürcher Zoo weigerte sich, die Verantwortung für einen Berner Bären zu übernehmen, und gab, vermute ich, an, ausschliesslich auf Löwen, dem Zürcher Wappentier, spezialisiert zu sein. Da war guter Rat teuer.

In freundeidgenössischem Geist und nach endlosen Verhandlungen erklärte sich schliesslich das Landesmuseum bereit, dem Berner Bären eine seiner Waschküchen im Keller für seine eine, einzige Nacht in Zürich zur Verfügung zu stellen.

Unbekannt ist mir», fügte der Erzähler, während er seine Haarsträhne wieder zum Hinterkopf hin glättend in Ordnung brachte, mit einem über das ganze Gesicht leuchtenden Lächeln hinzu, «ob die Zürcher, um die Verpflegung des Bären sicherzustellen, vorübergehend für den einen Tag eine Rüeblisteuer eingeführt haben.»

huch, vor bären fürchte ich mich fürchterlich! aber ich bestimme leider nicht, da mache ich mich ganz klein …


Geschichten, die das Landesmuseum schrieb

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