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1. Die Eigenart des Kirchenrechts

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Das Recht der Kirche ist nicht nur vom Begriff der Kirche her zu bestimmen und als eine Funktion des Kirchenbegriffs zu betrachten. Das Recht der Kirche hat es immer auch mit dem Selbstverständnis des Menschen zu tun, das sich in seinen verschiedenen Dimensionen im Lauf der Geschichte auch in rechtlichen Institutionen zum Ausdruck bringt, weshalb das Recht als eine Realität anzusehen ist, die an der Geschichtlichkeit des Menschen teilhat.4 Andererseits soll das Kirchenrecht auch immer an das neutestamentliche Ethos, an die Verkündigung und den Anspruch Jesu rückgebunden sein.5 In der Kirche sind daher Rechtsordnung und Heilsordnung zwar zu unterscheiden, aber nicht strikt voneinander zu trennen. Der vorpositive Grund der einzelnen Normen tritt im Kirchenrecht deutlicher hervor und spielt eine größere Rolle, als im staatlichen Recht. Was Kirchenrecht ist, wird auf der Grundlage der neutestamentlichen Heilsökonomie bestimmt. Von ihr her ergeben sich sowohl die pastorale Zielsetzung, als auch die Verhältnisbestimmung zwischen Recht und Ethos, denn „die communio fidelium ist ja nicht nur eine Glaubensgemeinschaft, sondern auch eine sittliche Bewährungsgemeinschaft, ungeachtet der begrifflichen Unterscheidung zwischen Glauben und Sittlichkeit. Die ‘salus animarum’ ist an sittlichen Einsatz gebunden, wie des näheren auch immer das Zuordnungsverhältnis beider aussieht.“6

In gewisser Weise kommt dem Recht in der Kirche so etwas wie eine ethosstützende Funktion zu. Selbstverständlich gibt es auf Grund der Geschichtlichkeit der Erkenntnis und der Vielfalt der Kulturen auch in der Kirche eine gewisse Ungleichzeitigkeit, Rhythmusverschiebungen, unterschiedliche Freiheitsstände, welche der kirchliche Gesetzgeber zu berücksichtigen hat. Aber hinter all dem steht doch ein gemeinsames Menschenbild, das über hermeneutische Prozesse in die Erarbeitung des Rechts eingeht.7

Dadurch ist es möglich, dass das Kirchenrecht den Menschen tiefer erreicht, und nicht nur – wie dies bei der staatlichen Rechtsordnung oft der Fall ist – eine rein äußere und äußerlich bleibende Größe darstellt. Es muss zwar darauf geachtet werden, Recht und Ethik zu unterscheiden, da sie zwei verschiedenen Bereichen angehören. Dennoch stehen sie aber nicht ohne Beziehung einander gegenüber, sondern die kirchenrechtliche Norm hat ihre Basis in der ethischen Norm und bleibt auf diese hin durchlässig, ohne dass das Recht die Moral ersetzen oder einholen könnte. Die moralischen Normen binden das Gewissen, die juristischen Normen das äußere Verhalten des Menschen, das aber von der moralischen Grundlage nicht zu trennen ist.

Aufgabe des kirchlichen Rechts ist es, auf der Grundlage des ius divinum und vor dem Hintergrund der Vorgaben des Lehramtes eine Rechtsordnung zu gestalten, welche der Sendung und den Zielen der Kirche gerecht wird, und zugleich Wege zu finden und aufzuzeigen, wie die Formen und Zuständigkeiten der konkreten Teilhabe an Handeln und Vollmacht der Kirche rechtlich geregelt werden können. Ordnung und Schutz der Pflichten und Rechte aller Gläubigen haben im Kontext der Communio des Volkes Gottes besondere Beachtung zu finden. Zugleich hat die Rechtsordnung der Kirche auf das Heil der Seelen ausgerichtet zu bleiben (salus animarum – suprema lex), was es erforderlich macht, dass dem Kirchenrecht auch eine gewisse Flexibilität eignet, ohne dass dadurch sein Rechtscharakter verloren gehen würde. Das Kirchenrecht hat das Ziel, der Gemeinschaft des Volkes Gottes eine Ordnung zu geben, vor deren Hintergrund und mit deren Hilfe sich die Sendung der Kirche verwirklichen lässt.

Das kirchliche Recht hat dabei jeweils von der Glaubensentscheidung des Einzelnen, von der je größeren Gerechtigkeit der Heilsbegegnung mit dem Christusereignis auszugehen, die an der Basis christlicher Existenz steht, die erst die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft der Glaubenden zur Folge hat und sich rechtlicher Festlegung im Letzten radikal entzieht. „Sie kann immer nur über ihre anthropologischen und moralischen Implikationen erreicht werden. Kirchliches Recht stellt angesichts dessen einen äußeren Kreis dar, der sich um eben dieses prinzipiell unerreichbare Ziel legt.“8 Deshalb ist auch das Recht der Kirche dem „je mehr“ des persönlichen Einsatzes verpflichtet. Es will moralisch-ethischen Einsatz nicht eingrenzen, sondern ein Minimum festlegen.

Kirchliches Recht „ist Initialzündung, die immer über sich hinausweist. Es ist transparent auf Heilsbegegnung hin.“9 Der Gesetzgeber vertraut darauf, dass sich die Sendung der Kirche zur Erreichung ihrer Ziele auch anderer Mittel als des Rechts bedienen kann, ohne dass dieses deshalb seinen Platz in der Kirche und seine Notwendigkeit verlöre. So stellte auch Papst Johannes Paul II. bei der Promulgation des derzeitig gültigen Gesetzbuches der Katholischen Kirche fest, „dass es keineswegs der Zweck des Codex sein kann, im Leben der Kirche den Glauben, die Gnade, die Charismen und vor allem die Liebe der Gläubigen zu ersetzen. Im Gegenteil, der Codex zielt vielmehr darauf ab, der kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und den Charismen Vorrang einräumt und gleichzeitig deren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gesellschaft wie auch der einzelnen Menschen, die ihr angehören, erleichtert.“10

Unterwegs zu einer Ethik pastoralen Handelns

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