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Geleitwort

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Das Volk Gottes bringt, wenn es betet und Liturgie feiert, die Welt, ihre Anliegen und Sorgen, aber auch die Hoffnungen der Menschen vor Gottes Angesicht. Vor einigen Jahren ließen die deutschsprachigen Bischöfe Hochgebete für besondere Anliegen zum Gebrauch in den Eucharistiefeiern zu. Im Hochgebet „Jesus, der Bruder aller“ steht die Bitte: „Mache die Kirche zu einem Ort der Wahrheit und der Freiheit, des Friedens und der Gerechtigkeit, damit die Menschen neue Hoffnung schöpfen.“ Zwar ist es Gnade und Geschenk, wenn das geschieht und wenn gelingt, worum hier gebetet wird. Aber die Liturgie bringt an dieser Stelle auch zum Ausdruck, wie eng das Band zwischen Glauben und Leben, Gottvertrauen und gutem Handeln in Wahrheit ist.

Das gilt in besonderer Weise, wo die Kirche selbst – gerade auch in den Männern und Frauen, die in ihrem Namen pastoral tätig sind – mit ihrer Ethik im Mittelpunkt steht. Die Kirche steht auch da im Focus, wo in ihr sittliches Fehlverhalten stattfindet oder geduldet wird. Im vergangenen Jahr 2010, einem wahren Krisenjahr für viele Ortskirchen, wurde uns das angesichts von sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern und Jugendlichen, die durch Priester, Ordensleute oder kirchliche Mitarbeiter geschehen sind, auf sehr schmerzliche Weise bewusst. Seither wurden vielfach Schritte der Aufarbeitung und Wiedergutmachung unternommen, die neue Hoffnung schöpfen lassen. Auch ist bei vielen, die in der Kirche Verantwortung tragen und mittragen, seien es Priester und Bischöfe, seien es Haupt- und Ehrenamtliche vor Ort, eine Bereitschaft zum ehrlichen Dialog gegeben. Gleichzeitig wissen wir heute mehr denn je, wie wichtig auch in der Seelsorge Maßstäbe sittlichen Handelns sind, die dem Einzelnen und dem gemeinsamen Dienst Orientierung geben. Gewiss sind auch die Konzepte und Programme der Visitation in den Bistümern noch stärker an diesem Erfordernis auszurichten.

Der vorliegende Sammelband stellt auf seine Weise einen Beitrag dazu dar. Die Autorinnen und Autoren vertreten unterschiedliche Fachrichtungen und haben in differenzierter Weise teil an der Verantwortung für die Pastoral. Die Artikel setzen, wie es Anliegen der Herausgeber war, einzelne Wegmarkierungen auf das Anliegen einer Ethik pastoralen Handelns hin. Das große Anliegen einer Vermittlung von Ethik und Pastoral(theologie) wird in den einzelnen Beiträgen offenkundig, und zwar sowohl in ihrer Notwendigkeit als auch in ihrer Fruchtbarkeit.

In einem exegetischen Beitrag erinnert Lothar Wehr an die bleibende Herausforderung, die in den Weisungen des Neuen Testamentes für ein Leben in der Nachfolge Christi gegeben ist. Ethische Konsequenzen für die Seelsorge der Kirche stehen immer auch unter dem besonderen Anspruch der Botschaft Jesu von der Gottesherrschaft.

Markus Graulich stellt in seinem Beitrag heraus, dass die Verbindung zwischen der Ethik und den Rechtsnormen der Kirche in diversen Bestimmungen des geltenden Kirchenrechts deutlich zum Ausdruck kommt. Wo diese Normen unter dem Gesichtspunkt eines verantwortlichen pastoralen Handelns verstanden und umgesetzt werden, stehen sie im Dienst an der Sendung der Kirche und einer Ethik pastoralen Handelns.

Von den heutigen Bedingungen der Seelsorge in einer von der Postmoderne geprägten Gesellschaft nehmen die Überlegungen von Maria Widl ihren Ausgang. Sie formuliert aus pastoraltheologischer Perspektive, auf welch differenzierte Weise die Lebenswelt der Menschen von heute wahrzunehmen ist, wenn Impulse der Seelsorge zu einem glaubwürdigen Christuszeugnis wirksam werden sollen.

Eine stärkere Reflexion pastoralethischer Fragen setzte, wie Heribert Wahl herausarbeitet, im Bereich der evangelischen Theologie schon vor einigen Jahren ein. Sein eigener Beitrag legt das Augenmerk auf psychoanalytisch gesicherte Einsichten. Sie gestatten es, tragfähige pastoralethische Perspektiven zu entwickeln, welche am Leitbild gelingender, Leben spendender Beziehung orientiert sind.

Der indische Bischof Thomas Menamparampil öffnet den pastoralethischen Fragehorizont in die weltkirchliche Dimension hinein. Er ist seit Jahren im interreligiösen Dialog präsent, wobei es auch darum geht, in ihm und mit seiner Hilfe zukunftsfähige Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens herauszuarbeiten und zu fördern. Sein Einsatz wird über die Grenzen der großen Religionsgemeinschaften hinweg in seiner asiatischen Heimat anerkannt und führte zur Nominierung für den diesjährigen Friedensnobelpreis.

Unter der Perspektive der Geschichtlichkeit stellt Martin Seidnader Überlegungen an, die die Frage nach der gelebten Sittlichkeit in der Seelsorge auch vom Anspruch der personalen Erfahrung und des Dialoges her beleuchten.

Aus seiner langjährigen Erfahrung in der Ausbildung und Begleitung von Priesteramtskandidaten heraus formuliert Karl Hillenbrand konkrete Wahrnehmungen, Anfragen und Perspektiven. Die priesterliche Lebensform kann gelingen, wo immer auch ganzheitliche Persönlichkeitsbildung stattfindet.

Mit Blick auf Priester, die Minderjährige missbrauchten, beschreibt Wunibald Müller, wie Wege der Schuldvergebung und Schuldverarbeitung auch angesichts schweren Fehlverhaltens gesucht und begangen werden können. Dabei ist der Einzelne unter dem Anspruch, sich der Wahrheit zu stellen, auch auf therapeutische Hilfe angewiesen.

Notfallseelsorge ist eine spezifische Form pastoralen Handelns, welche an die in ihr Tätigen besondere Anforderungen stellt. Wie Andreas Müller-Cyran deutlich machen kann, ist ihr Grundanliegen, bei Menschen, die von einem tragischen Ereignis betroffen sind, in hilfreicher Weise präsent zu sein, so alt wie die Kirche selbst. Das führt uns auch die Frage vor Augen, welche Schwerpunkte wir im Seelsorgealltag setzen.

Aus ihren Erfahrungen in der klinischen Seelsorge berichtet Christine Pöllmann. Im professionellen Umfeld vor allem auch eines Universitätsklinikums bestehen an die in der Pastoral Tätigen hohe Erwartungen, die eine spezielle Ausbildung voraussetzen und nur in enger Vernetzung, etwa mit den Ärzten und Pflegekräften, eingelöst werden können. Ethische Fragestellungen fordern in dieser Umgebung auch die Seelsorge unmittelbar heraus.

Der Fernsehjournalist Jürgen Erbacher benennt einige Aspekte zum Verhältnis von Kirche und Medien, um dann den eigenen kirchlichen Anspruch auf gelingende Medienarbeit und Kommunikation in Erinnerung zu rufen. Wo die Zusammenarbeit gelingt und in der Kirche hilfreiche Impulse aus der öffentlichen Wahrnehmung aufgenommen werden, besteht die Chance, dass auch das Anliegen einer Ethik pastoralen Handelns gefördert wird.

Als Kirche zu einer Ethik pastoralen Handelns unterwegs zu sein, verlangt auch, aus dem Glauben Zuversicht zu schöpfen. Es geht um die verantwortliche Zuwendung zu einer Welt, der die Botschaft des Herrn immer neu glaubwürdig verkündigt werden muss. Das eingangs genannte Hochgebet legt uns in den Mund: „Öffne unsere Augen für jede Not. Gib uns das rechte Wort, wenn Menschen Trost und Rat suchen. Hilf uns zur rechten Tat, wo Menschen uns brauchen. Lass uns denken und handeln nach dem Wort und Beispiel Christi.“

Ich begrüße diesen Sammelband und danke den Herausgebern und allen Autorinnen und Autoren für ihre Initiative. Der intensive Dialog zwischen Pastoral und Ethik verspricht in Theorie und Praxis fruchtbare, weiterführende Einsichten. So wünsche ich dem wichtigen Gemeinschaftsband eine freundliche Aufnahme.

Mainz, im Juli 2011

Karl Kardinal Lehmann

Unterwegs zu einer Ethik pastoralen Handelns

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