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Ein ernstes Fragengebirge

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Grundanfragen an den Pastoralansatz Kleiner Christlicher Gemeinschaften gibt es weiterhin – und viele. Und sie sind ja auch vielfach berechtigt: Warum eigentlich gelingt es existierenden bibelteilenden Gruppen in Deutschland nicht, konkret als Gemeinschaft den Menschen in ihrem Umfeld zu dienen? Geht also in Deutschland nur das, was man als „spirituelle Selbsthilfegruppe“ (J. Wanke) bezeichnet? Ist der „6. Schritt“ des Bibelteilens angesichts einer Gesellschaft, die sich karitativ und diakonisch durchorganisiert hat, überhaupt notwendig? Kann angesichts postmoderner Rastlosigkeit bestenfalls eine spirituelle Wahlgemeinschaft kirchliche Heimat werden, die als Tankstelle Ruhe und geistliche Nahrung verheißt? Zeigt sich also die Idee Kleiner Christlicher Gemeinschaften als seltsam verkleideter Aufruf zur kleinen spirituellen Herde?

Was kann aus weltkirchlichen Erfahrungen inspirierend und gestaltend wirken, wenn das gesellschaftliche Gefüge in unserer postmodernen Welt durch einen sehr dezidierten Individualismus gezeichnet ist – während auf allen anderen Kontinenten milieuhafte und konfessionelle Familiengefüge weithin die Norm sind? Und andererseits weisen scheinbar doch alle soziologischen Daten darauf hin, dass postmoderne Zeitgenossen sich eher szeneartig unverbindlich, immer aber selbstbestimmt, wenn überhaupt, in Gemeinschaften einbinden. Könnte also die Rede von Kleinen Christlichen Gemeinschaften nicht wiederum der Versuch sein, einer hoffnungslos überlebten traditionsverfangenen Communiotheologie Recht zu verschaffen? Dann aber wäre – und das lässt sich auch jederzeit belegen – die Milieubegrenzung vorprogrammiert: Kleine Christliche Gemeinschaften wären dann therapeutische Gruppen für agile Minderheiten.

Nachbarschaft scheint bei uns ein „No-Go“ zu sein: wer immer von einer Kirche in der Nachbarschaft redet, beschreibt eine Unmöglichkeit angesichts der Vervielfältigung der Lebensräume und der mobilen Begegnungsmöglichkeiten postmoderner Weltsurfer. Sind also Kleine Christliche Gemeinschaften ein weltkirchlicher Transfer aus ruralen Welten?

Die Bedenken reichen tiefer und münden ein in die Frage nach der zugrundegelegten Ekklesiologie. Ganz gewiss ist es kein Zufall, wenn diesseits der deutschen Kirchenwirklichkeit die Kirchenerfahrung sich entweder auflöst in lockere Mitgliedschaften, weil Gemeinschaftserfahrungen gar nicht so bedeutsam zu sein scheinen, oder sich in dichten, allzu dichten, Kleingemeinschaften ausfaltet. Immer aber zeigt sich, dass der weltkirchlich hier bevorzugte Zugang zu einer Ekklesiologie des Leibes Christi in Deutschland kaum Widerhall findet oder doch sehr skeptisch beäugt wird, bedroht er doch scheinbar die errungene individuelle Freiheit: Wozu braucht es kirchliche Gemeinschaft jenseits der Gottesdienste?

Das ist ein Fragengebirge. Und es macht eines deutlich: auch wenn die Überlegungen und ersten Praxisversuche klein und bescheiden daherkommen und oft auch Erfahrungen des Scheiterns sind, wecken sie die geballte Kraft ekklesiopraktischer und ekklesiologischer Bedenken – selbst dann, wenn kaum jemand der gewachsenen Pfarreigestalt Zukunft geben mag, allein schon deswegen, weil ihr der Nachwuchs abhanden gekommen ist oder absehbar abhanden kommen wird. Damit wird aber auch deutlich, dass hinter dem Ansatz basiskirchlicher Gemeindegestalt ein theologischer Paradigmenwechsel steht, der herausfordert.

Und um die theologische Diskussion dieser Herausforderungen geht es weiterhin. Schritt für Schritt soll entwickelt und entdeckt werden, ob und wie die stimulierende und inspirierende Perspektive der Kleinen Christlichen Gemeinschaften einen inkulturierten Weg kirchlichen Neuaufbruchs darstellen kann. Dazu diente auch das Symposion vom Juni 2010 in Hildesheim, das hier dokumentiert werden soll.

Die Rückkehr der Verantwortung

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