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Chancen für eine Ekklesiologie der Nachbarschaft?

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Eine der brisanten Ausgangsfragen war schon benannt worden: Warum ist es bislang selten gelungen, dass Kleine Christliche Gemeinschaften ihre Sendung im sechsten Schritt als Dienst an den Menschen in ihrem Lebensraum leben? Und warum gelingt es eher selten, dass sich Kleine Christliche Gemeinschaften als Kirche in der Nachbarschaft konstituieren? Muss man angesichts der soziologischen Daten in einer postmodernen Gesellschaft darauf verzichten?

Eine erste Spur ergab sich im März 2009 – von einer ganz anderen Seite. Bei einem diözesanen Studientag diakonischer Pastoral wurde deutlich, dass diakonische Initiativen im Stadtteil und im konkreten Lebensraum zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die bei diesem Tag berichteten Erfahrungen, die auf ein bundesdeutsches pastoraltheologisches Forschungsprojekt von Prof. U. F. Schmälzle zurückgehen2, machten vor allem deutlich, dass konkretes Engagement sich zunehmend nachbarschaftlich organisiert und einen neuen Horizont einer Kirchlichkeit im Lebensraum eröffnet.

Deutlich wurde aber auch: nicht wenige dieser Initiativen hatten Mühe, in den entsprechenden Kirchengemeinden Anerkennung zu finden. Ist Diakonie im Lebensraum überhaupt wesentlich Sache der Gemeinde? Ist es nicht vielmehr so, dass die Kirche existiert und lebt in ihren eigenen Räumen, zu denen man geht – und also gewissermaßen ein Verein ist? Viele Protagonisten brauchten Energie, um ihre Initiative als Erfahrung des Kircheseins für die eigenen Brüder und Schwestern deutlich zu machen.

Der Studientag war für unsere Überlegungen ein Startzeichen: Kleine Christliche Gemeinschaften sind falsch verstanden als gemeindliche Gruppen, die neben biblischer Spiritualität dann vielleicht auch mal sozial aktiv werden könnten. Sind sie nicht vielmehr Wirklichkeiten des Kircheseins mitten im sozialen Lebensraum? Dieser Spur war nachzugehen. Sie weitet pastorale Entwicklungsperspektiven und ermöglicht eine Weitung des Blicks: Zukünftige Kirchenentwicklung orientiert sich am Lebensraum und dient den Menschen, die dort sind.

Wichtig war auch eine Begegnung mit Mitarbeiterinnen des Caritas-Forums Demenz in Hannover. Denn angesichts der auf unsere Gesellschaft zukommenden Herausforderungen zunehmender Alterung und Demenz stellt sich für die Akteure ganz neu die Frage nach nachbarschaftlicher Solidarität. Wie könnten denn die großen Herausforderungen von Alter und Demenz anders getragen werden? Die Selbstverständlichkeit, mit der Klaus Dörner diese Perspektive vorträgt, kann nur überraschen.3 Gibt es denn Nachbarschaft angesichts postmoderner Mobilitätsanalysen überhaupt noch?

Es wurde schnell deutlich, dass Klaus Dörner gewissermaßen eine provokative Gegenthese zur kirchlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte darstellt. Nachbarschaft als Milieu kirchlicher Präsenz löste sich immer mehr auf in kategoriale und sehr differenzierte Seelsorge professioneller Mitarbeiterinnen einerseits und in sich geschlossenen kirchlichen Gemeindemilieus andererseits. So wurde Kirchenerfahrung entweder institutionalisiert oder in geschlossene Eigenmilieus geführt. Sie ging verloren im unmittelbaren Lebensumfeld, gerade auch, weil das konfessionelle und familiäre Gefüge sich auflöste.

Die Provokation Dörners aber liegt genau hier: er beobachtet seit den 80er Jahren eine neue Nachbarschaftsbewegung und fragt: Läge hier nicht eine (zumeist verpasste) Chance für die Kirchengemeinden, sind diese doch eigentlich lebensräumlich organisiert?

Die Rückkehr der Verantwortung

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