Читать книгу Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte - Группа авторов - Страница 12

1.4 Anlass und Anfänge der frühchristlichen Mission

Оглавление

Die neu gewonnene Überzeugung der ersten Christen, dass sich im Glauben an Jesus Christus für jeden Menschen das alleinige Heil eröffne, bildet die Basis und den Motor der ersten christlichen Missionswelle. Dabei steht die frühe Kirche aufgrund ihrer Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi unter dem Druck, dass ihr für die vollständige Verbreitung des Evangeliums die Zeit zu kurz werden könne (vgl. Mt 10,23), oder dass die Weltmission eben deshalb möglichst schnell abgeschlossen werden müsse, weil erst dann das Ende kommen könne (vgl. Mt 24,14). Von solchen und ähnlichen Naherwartungen her erklärt sich der enorme Ausbreitungsdrang der frühen Kirche. In diesem Licht wird aber auch ihr außerordentliches Sendungsbewusstsein und der erstaunliche Erfolg ihrer Mission verständlich. Denn es steht fest: Die frühchristlichen Schriften bezeugen nicht nur eine theoretisch angezielte weltweite Ausbreitung des Christentums (vgl. z.B. Röm 10,18; Mt 28,19; Offb 7,9); vielmehr verwirklichen die frühchristlichen Missionare diese Zielsetzung in einem religionsgeschichtlich einmaligen Ausmaß. Die Anfänge dieser Ausbreitung lassen sich historisch am stetigen Wachstum der palästinischen Gemeinden festmachen. Freilich sollte man die dazu gemachten hohen Zahlenangaben der Apostelgeschichte (vgl. z.B. Apg 2,41; 4,4) nicht zu wörtlich nehmen, sondern als symbolische Aussagen angemessen interpretieren.

Förderlich für die Verbreitung der christlichen Lehre wirkt sich auch die im Stephanus-Martyrium greifbare Vertreibung der christlichen Hellenisten aus Jerusalem aus.12 Träger dieser die Grenzen Palästinas überschreitenden Mission der ersten Christengeneration sind Persönlichkeiten wie Philippus, Barnabas und Paulus. Doch ist mit vielen weiteren Missionaren der ersten Stunde zu rechnen, deren Namen nicht überliefert sind.

Die schnelle Ausbreitung der Kirche dokumentieren jene Orte, in denen sich erste christliche Gemeinden bilden. Tatsächlich existieren bereits Ende des 1. Jahrhunderts an die sechzig entsprechende Städte oder Landschaften. So bezeugen die neutestamentlichen Schriften christliche Gemeinden in Palästina, Syrien, Zypern, Kleinasien, Mazedonien und Kreta. In Italien kommen Puteoli (Apg 28,13f.) und Rom hinzu. Markus erwähnt Cyrene in der Pentapolis (Mk 15,21) und Paulus plant schließlich eine Spanien-Mission (Röm 15,24.28). Im 2. Jahrhundert gibt es Nachrichten über weitere Gemeinden in Griechenland, Kleinasien, Syrien und weiter östlich in Edessa und Mesopotamien, im Westen ergänzt durch Überlieferungen über Gemeinden in Dalmatien, Illyrien, Süditalien, Germanien, Gallien und Spanien. Schließlich fügen sich in dieser Ära im Süden noch Gemeinden im westlichen Nordafrika und in Ägypten zum Orbis Christianus (vgl. Abb. 5).

Da diese Gemeinden in den meisten Orten allerdings sehr klein gewesen sein dürften, sollte man die damalige Zahl der Christen nicht überschätzen. Sie bleiben bis zum 4. Jahrhundert eine zum Teil verschwindende Minderheit. Tertullian († nach 220) spricht allerdings von vielen Tausenden von christlichen Frauen und Männern, die sich vor dem Tribunal eines heidnischen Prokonsuls hätten versammeln können, und er behauptet gar:


Doch dürfte es sich bei dieser Behauptung um eine rhetorische Übertreibung handeln, die lediglich mit Nachdruck klarstellen will, dass inzwischen in allen Städten und an allen Orten Christen anzutreffen sind. Origenes († um 253) gibt sich wenige Jahrzehnte später in seinen diesbezüglichen Äußerungen wesentlich bescheidener. Ein für unsere Fragestellung repräsentatives Beispiel liegt aber vielleicht in der pontischen Provinzhauptstadt Neocäsarea vor. Als Gregor der Wundertäter dort um 240 sein Bischofsamt antrat, sollen in der Stadt und ihrer Umgebung nur siebzehn Christen gelebt haben; nach seinem Tod konnten alle Bewohner dieser Gegend als Christen bezeichnet werden. Natürlich sollte man diese Angaben nicht zu wörtlich nehmen. Aber wahrscheinlich spiegeln sie doch zweierlei überlokale Gegebenheiten wieder: einerseits die Mitte des 3. Jahrhunderts noch recht geringe Zahl der Christen und andererseits ihr Anwachsen im ausgehenden 3. Jahrhundert. Dassmann bleibt freilich vorsichtig. „Statistische Angaben über die Zahl der Christen [… in altkirchlicher Zeit] machen zu wollen, ist nicht nur schwierig, sondern schier

Abb. 5 Die christlichen Gemeinden im zweiten Jahrhundert.

unmöglich. [… Selbst] relative Zahlen lassen sich auf das ganze Imperium bezogen nur schwer angeben und schwanken entsprechend für die diokletianische Zeit [, also für das ausgehende 3. Jahrhundert,] zwischen fünf und zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung.“13 Die entscheidende Expansion des Christentums dürfte daher erst nach Kaiser Konstantin (306-337) erfolgt sein. Bis dahin bilden die Christen eine Minderheit, wenn ihr Einfluss in der römischen Gesellschaft auch wesentlich größer ist, als ihre Zahl. Denn ansonsten könnte man sich die feindlichen Maßnahmen des Staats und die im ausgehenden 2. Jahrhundert einsetzende Kritik der heidnischen Philosophen nicht erklären. Nicht nur die Christen, sondern auch ihre Gegner betrachten die Kirche offensichtlich als eine aufstrebende und dynamisch wachsende religiöse Gemeinschaft.

HOFMANN, Johannes, Antike und Christentum – eine fruchtbare Begegnung an der Wiege Europas, in: KRIMM, Stefan / SACHSE, Martin (Hg.), Wenn Kulturen aufeinandertreffen – europäische Begegnungen in Vergangenheit und Gegenwart (= Acta Hohenschwangau 2007) München 2008, 74-95; hier 74-77 (mit Quellen und Literatur).

Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte

Подняться наверх