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ENGFÜHRUNG DES CHRISTENTUMS

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Zudem kompromittiert ein ideologischer Familismus den Glauben, indem er sich anmaßend mit ihm identifiziert und seine katholische, „allumfassende“ Weite verengt: Hybride Formeln wie „Familie – das pure Christentum“ („Die Tagespost“, 22.12.2011) erwecken den Eindruck, die Frohe Botschaft begründe eine Religion für vornehmlich verheiratete, kinderreiche Personen. Damit verlören unsere Pfarrgemeinden, wo nach Streichung vieler Gottesdienste die „Familienmessen“ mancherorts schon das Monopol am Sonntagvormittag haben, das Einladende für alle Christen.

Dabei sollte das Bild von Familie, welches das Alte wie das Neue Testament zeichnet, eigentlich von einem allzu euphorischen Lobpreis der Blutsbande zurückhalten. Die schützen vor Mord und Totschlag, Habgier und Neid, Verrat und Unverständnis nämlich nicht. Jesus selbst wird offenbar von seiner Sippe verkannt („Er ist von Sinnen!“) und beantwortet die Frage: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ schlicht so: „Wer den Willen Gottes erfüllt.“ Um seinetwillen, so prophezeit er, würden sich Familienmitglieder gegenseitig in den Tod schicken. Seine Apostel lassen ihre Familien zurück, um ihm nachzufolgen. In der Bergpredigt durchbricht Jesus das überlieferte Clandenken mit den wuchtigen Fragen: „Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?“ Das Christentum kann also nur durch biblische Ignoranz oder Falschmünzerei zur Familienreligion stilisiert werden.

Andere ideologische Überformungen des Glaubens, etwa der religiöse Sozialismus oder Ökopazifismus, stießen bei Konservativen zu Recht auf Kritik. Für ihre eigene ideologische Deformation des Glaubens müssen sie erst noch sensibilisiert werden. Die Reaktionen sind dann aber meistens uneinsichtig und aggressiv. Den Splitter im Auge der Anderen sehen sie wohl, den Balken im eigenen Auge nicht.

Eine Szene aus einem diözesanen Pastoralrat: Mitglied X, Familienvater, schlägt, wie in jeder der halbjährlichen Sitzungen, unter „Verschiedenes“ vor, einen „Familienkongress“ abzuhalten. Welcher Gutmeinende wollte dagegen Einspruch erheben? Doch einmal meldet sich eine couragierte ältere Frau zu Wort und kontert: „Wir sollten unsere Aufmerksamkeit lieber mal auf die vielen Vereinsamten in unseren Großstädten richten“. Recht hat sie! Da wird nämlich von manchen, die lieber um die eigene Lebenswirklichkeit kreisen, eine pastorale Herausforderung ersten Grades übersehen. Womöglich nicht nur eine pastorale, sondern auch eine normative, vielleicht sogar theologische: denn der Wert einer erfüllten, Gott wohlgefälligen Existenz auf Erden bemisst sich nicht vorrangig an der Fertilität oder Bereitstellung künftiger Rentenbeitragszahler. Das Christentum bricht menschliches Nützlichkeitskalkül radikal auf.

Jeder stiftet dem Gemeinwohl seine Talente zu: der eine durch eine große Kinderschar und liebevolle Erziehung, der andere durch berufliche Spitzenleistungen mit außergewöhnlichem Arbeitseinsatz bis hin zu einer 60- oder 70-Stunden-Woche, der nächste durch seine vorbildliche Charakterstärke, die gegen die Dunkelheiten des grassierenden Egoismus, Opportunismus, Materialismus und Hedonismus wie ein Leuchtturm strahlt. Wieder ein anderer durch eine große Biographie des Gebets oder durch die unermüdliche Verkündigung der Frohen Botschaft. Und mancher vielleicht nur dadurch, dass er eine schwere Krankheit oder Behinderung mit vorbildlicher Tapferkeit und Demut ein Leben lang trägt, ohne zu jammern.

Lebendige Seelsorge 5/2015

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