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UNTERBELICHTET: DIE ETHIK DER FREUNDSCHAFT
ОглавлениеÜberlassen wir das Thema Familie also nicht den bloß Selbstzufriedenen, den Ideologen und den Materialisten, die einen Klassenkampf der Kinderreichen gegen die Kinderlosen predigen und das Glück der Elternschaft, das selbstverständlich mit Opfern verbunden ist, verdunkeln. Entdecken und schätzen wir als Christen neu die Vielfalt der Berufungen zu einem fruchtbaren Leben und auch die Vielfalt der Möglichkeiten, für Kinder da zu sein. Lassen wir nicht zu, dass das Christliche überwölbt und verfremdet wird durch das Rechtskonservative, für das Familie und Vaterland die höchsten Werte sind. Für den Christen sind sie es nicht. Was sich auch als ein Stück „Entweltlichung“ begreifen lässt: Nicht im Sinne einer Geringschätzung diesseitiger Lebenswirklichkeiten, sondern einer jenseitigen Perspektive, die weltliche Glücksmaßstäbe relativiert und den Sinn irdischer Pilgerschaft nicht darin sieht, in Nachkommenschaft „weiterzuleben“, sondern in der himmlischen Herrlichkeit Gottes.
Der Familienbegriff erstreckt sich heute, weit über die Kernfamilie hinausgreifend, für jeden Sechsten sogar auf „enge Freunde, Freundinnen“. Dies dürfte als kompensatorisch zu erklären sein angesichts der Verkleinerung der Kernfamilien und der häufigeren geographischen Zerstreuung der weiteren Familie durch die erhöhte berufliche Mobilität. Es ist daher an der Zeit, neben der kirchlichen Sorge für die Familie theologisch und seelsorglich auch eine Ethik christlicher Freundschaft zu pflegen, die ein Beziehungsnetzwerk der Liebe und Fürsorge dort gewährleisten hilft, wo kein „Blut zieht“. Für diese Erweiterung des Blickwinkels spricht nicht zuletzt ein Befund aus dem in 27 Sprachen übersetzten Bestseller „The Top Five Regrets of the Dying“ von Bronnie Ware. Sie begleitete auf der Palliativstation todkranke Patienten und schrieb auf, was diese im Rückblick auf ihr Leben bedauerten. Eines der fünf wichtigsten Versäumnisse: „Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrecht erhalten.“ Die hohe Bedeutung von Freundschaft würde vielen Menschen erst bewusst, wenn ihr eigenes Leben zu Ende gehe. Sie seien zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, um sich genug Zeit für die Pflege von Freundschaften zu nehmen. „Jeder vermisst seine Freunde, wenn er stirbt.“