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WER DARF VERGEBEN?
ОглавлениеWer überhaupt vergeben darf, ist im Nachdenken über Vergebung die naheliegende und doch schwierigste Frage. Gerade weil sich gleich mehrere Situationen darstellen, in denen Vergebung geschieht, ist Vergebung jeweils genau zu beschreiben. Sowohl die zwischenmenschliche als auch die göttliche Vergebung steht im Mittelpunkt von Vergebungsritualen, wobei ihr doch in der Regel ein innerer Vorgang des Bewusstwerdens der Schuld, des Eingestehens und der Entscheidung, um Vergebung zu bitten, vorausgeht. Weiterhin stellt sich die Frage, welche Rolle Gott im christlichen Geschehen der Vergebung hat, das unterschiedliche Bedeutungen und Rituale kennt: so wird Gott um Vergebung gebeten, Jesus vergibt an Gottes Stelle, der Tod Jesu kann als stellvertretende Vergebung verstanden werden, im Sakrament wird die Vergebung Gottes zugesagt. Wer darf also wann vergeben? In der konkreten sakramentalen Praxis scheinen sich diese Fragen weniger zu stellen, sondern es wird nach der Ursache für die wenige Nachfrage nach dem Sakrament der Beichte selbst ebenso wie nach neuen Formen gesucht. Dabei geht die Rede von der „Krise des Bußsakraments“ einher mit der Feststellung, dass die Vergebungsthematik selbst aktueller ist denn je. Was also geschieht in der sakramentalen Vergebung, dass an ihrem Fehlen so viel festgemacht wird?
Meines Erachtens verlangt das Nachdenken über die Frage, wie Vergebung geschieht und vor allem, wer wem vergeben darf, eine Unterscheidung genauer ins Auge zu fassen: die Schuld als eine ethische Kategorie von der Sünde als theologischer Kategorie deutlich zu differenzieren. So wird erst deutlich, wieso die Vergebung der Sünden die eigentliche theologische Fragestellung darstellt. Es wird sich zeigen, dass an dieser Unterscheidung die Einsicht hängt, die sogenannte Krise des Bußsakraments theologiehistorisch auf eine bestimmte Form des Sakramentenverständnisses zurückführen zu können, das überhaupt erst die Deutungsmöglichkeit der Krise eröffnet.