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DIE FREIHEIT DER VERGEBUNG

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Die in Trient festgelegte primäre Bußpraxis der sakramentalen Einzelbeichte steht auch nach dem II. Vatikanum weiterhin im Vordergrund. Trotz entsprechender historischer Kenntnis, geringer Nachfrage und erwünschter Vielfalt der Bußformen wird diese Form als die ordentliche entschieden. Diese Entscheidung ist, dogmenhistorisch betrachtet, keineswegs zwingend gewesen. Die durch das II. Vatikanum angestoßene Reform stellt sich einerseits mit der Entscheidung zur Einzelbeichte bis in die rechtlichen Vorschriften hinein in die Tradition Trients. Andererseits nimmt sie mit dem Gedanken der Versöhnung mit der Kirche ein faktisch vergessenes altkirchliches Motiv wieder auf. Allerdings wird diese in einer Weise betont, dass das Zueinander der Versöhnung mit Gott und der Versöhnung mit der Kirche im Sakrament ungeklärt bleibt, da der nachkonziliare Ordo Paenitentiae die beiden Motive der Versöhnung verbindet, ohne jedoch genaueres darüber zu sagen, wie sich die Versöhnung mit Gott und die Versöhnung mit der Kirche genau zueinander verhalten.

So lässt sich also die Entscheidung zur sakramentalen Einzelbeichte als vorrangige Praxis durchaus aus einer prägenden Teiltradition begründen. Ebenso wesentlich erscheint mir aber, dass dieser sakramentale Vollzug als je persönlicher Akt vor allem die Einsicht ausdrückt, dass Vergebung als humaner Vollzug an das Subjekt und seine Fähigkeit, sich zur Schuld zu verhalten, gebunden ist. Dazu braucht die konkrete Praxis des Sakraments jedoch eine Form, die dem Inhalt des Sakraments entspricht. Mit anderen Worten: im Sakrament vollzieht sich in symbolischer Form, was die Intersubjektivität ausmacht, also die in Freiheit vollzogenen reziproken Anerkennungsverhältnisse, die gerade in der Vergebung als fragile virulent sind. Die Einsicht Kants, dass die Schuld als allerpersönlichste gerade nicht transmissibel ist, bedeutet ja auch, dass nur der einzelne Mensch für sie einstehen kann. In diese Bestimmungen hinein besteht das Besondere des Sakraments der Beichte nun gerade in dem Zuspruch Gottes, dass Vergebung ermöglicht wird und so möglich ist. Wird hingegen die wahrgenommene Krise des Einzelsakraments der Beichte in den römischen Dokumenten vor allem mit dem schwindenden Sündenbewusstsein begründet, verengt diese Sicht doch zumindest die Feststellung, dass zu modernem Bewusstsein das Schuldbewusstsein durchaus gehört. Wie jedoch dieses Schuldbewusstsein als Sündenbewusstsein erfahren werden kann, erscheint als die eigentliche Herausforderung sakramentenpastoraler Praxis. Dogmatisch weiterführender scheint mir die Einsicht zu sein, dass das Bewusstsein von persönlicher Schuld so weiterbestimmt wird, dass einerseits die Bindung des Gewissens an die Wahrheit über die gewählte Form der Vergebung entscheidet und andererseits theologisch die Vergebungspraxis konstitutiv bezogen ist auf die Praxis Jesu. Darin weiß die Kirche sich im Geist ermächtigt, die Praxis der indikativischen Vergebungspraxis Jesu fortzuführen. In dieser Wiedergewinnung der Vergebungspraxis Jesu, wie sie herausragend in jener Markusperikope überliefert ist, wird sowohl Vergebung als Handeln Gottes gewahrt als auch die Bevollmächtigung zur Vergebung eröffnet. Damit wird erst denkbar, dass Kirche der Ort wechselseitiger Vergebung ist, weil sie symbolisch ausdrückt, was Gott in Jesu zugesagter Verheißung schenkt: als freies Geschehen der Gnade werden in der so gedachten sakramentalen Vergebung die Schuld und mit ihr die Sünde nicht verharmlost, sondern dahin zurückgeführt, wo sie thematisiert gehören: in die menschliche Freiheit.

Lebendige Seelsorge 3/2015

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