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Die Windeln Jesu
ОглавлениеEigentlich sind diese Windeln Teil eines größeren Gewandes, das in etwa trapezförmig zurechtgeschnitten worden ist. Es besteht aus einem ungefärbten dunkelbraunen Kamel- oder Ziegenhaar-Wollgewebe, misst 68 mal 94 cm und wird dreifach gefaltet im Aachener Dom aufbewahrt. Die Geburt Jesu wird mit dem Hinweis auf die Windeln, in die er gewickelt worden ist, in Lk 2,10–12 überliefert und uns alljährlich im Evangelium der Weihnacht präsentiert.
Was wäre, wenn es das, worauf die Windeln Jesu hinweisen, nicht gäbe, nicht gegeben hätte? – Ganz elementar weisen diese Windeln hin auf das Kind, als das Gott nach christlicher Lehre in diese Welt kam. Alle monotheistischen Religionen haben so ein Element der Verbindung von Transzendenz und Immanenz, von Gott und Mensch, von Himmel und Erde, ein Element der Erdung des Göttlichen. Die Juden kennen den Bund Gottes mit dem von ihm erwählten Volk Israel durch die Geschichte hindurch. Die Muslime haben den Koran als wortwörtliche, heilige Willensbekundung Gottes und halten ihn in Ehren.
Die Windeln Jesu nun verweisen auf die, wie mir scheint, intensivste Form der Erdung des Göttlichen, auf die Menschwerdung Gottes. Aber was wäre, wenn die Menschwerdung Gottes ein Hirngespinst wäre? Klar, Windeln waren und sind im wahrsten Sinne stinknormal, sind anrüchig. Und so erscheint die Geburt Gottes als Mensch auch manchem Zeitgenossen wie ein windelweiches Ammenmärchen. Aber Christentum ist nicht ohne den Gedanken der Inkarnation zu haben. Ein Gott ganz ohne Erdung, ohne Menschwerdung, ohne Menschennatur, wäre ein völlig abstrakter Gott, ein spekulativer Gott für „großkopferte“ Philosophen, ein Gott, der nicht zu Herzen geht, weil er kein Herz hat, der uns nicht unter die Haut geht, weil er nicht in unserer Haut steckt.