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Einpacken oder Auspacken? Gedanken zur Verehrung textiler Heiligtümer am Beispiel Aachen
ОглавлениеNicht „alle Jahre wieder“ wie „das Christuskind“, sondern nur alle sieben Jahre wieder kommt die Heiligtumsfahrt auf Aachen und Kornelimünster nieder, „wo wir Menschen sind“.1 125 000 Wallfahrer(innen) haben sich im Jahr 2014 auf den Weg gemacht, um die gezeigten Textilen zu sehen. Und vielen von Ihnen stellt sich die Frage, ob das Auspacken dieser sogenannten Heiligtümer mehr ist als nur eine mittelalterliche Reminiszenz, ob das auch ein Zeichen für unsere Zeit ist.
Die Zahl Sieben gilt als heilige Zahl, auch als magische Zahl. Sie ist eine Primzahl, also eine Zahl, die nur durch sich selbst oder durch eins teilbar ist, und zwar die größte Primzahl unter zehn. Die anderen Primzahlen unter zehn sind die Eins, die Zwei, die Drei, die Fünf und die Sieben. Alle sind sie auch mit religiöser Bedeutung aufgeladen: Die Eins steht für den einen, den einzigen Gott. Die Zwei steht für die zwei Naturen Jesu Christi, die göttliche und die menschliche Natur. Die Drei steht für den einen dreifaltigen Gott, den Vater, den Sohn und den Hl Geist. Die Fünf steht für die Essenz aus den vier Elementen des Mittelalters, als da sind das Wässrige, das Feurige, das Luftige und das Erdige; sie steht auch für die entscheidende Richtung zwischen den vier Himmelsrichtungen. Die Fünf steht als die Quintessenz, für das Essentielle, für das Begriffene. Die Sieben steht für die sieben Tage des Schöpfungswerkes Gottes, das Heptameron. Aber sie steht auch für die sieben Sakramente, die Zeichen der Verbundenheit von Gott und Mensch in der Heilsgeschichte. Auch im Märchen und in der Mythologie spielt die Sieben eine gewichtige Rolle „die sieben Raben“, „die sieben Gaben“, „die sieben Schwaben“, „die sieben Geißlein“, „die sieben mageren und die sieben fetten Jahre“ in der Josefsgeschichte des Alten Testaments. Und schließlich spielt die Sieben mal Sieben, die 49, eine gewichtige Rolle: ihr folgt die Pentekoste, der fünfzigste Tag, für uns im Kirchenjahr das Pfingstfest, an dem sich die Osterzeit durch die Sendung des Hl. Geistes vollendet, an dem die Jünger ihre Sendung in die Welt erfahren.
Es gibt sieben textile Heiligtümer in Aachen, vier im Aachener Dom und drei in der alten Reichsabtei und der heutigen Propsteikirche St. Kornelius. Weil sie ursprünglich alle zusammengehören, sollen sie auch zusammen in den Blick genommen werden. Alle sieben Jahre zeigen die Aachener alle sieben Sachen. Aber warum werden sie so lange vor unseren Augen verborgen? Warum lässt man sie nicht wie die Prachtstücke in einem Museum in einer sicheren Vitrine ganzjährig ausgestellt?