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Lösungsvorschlag 1: Der Kirchenrechtler Matthäus Kaiser

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Auf diesem Hintergrund sind gerade die Theologen nicht müde geworden, eine andere Praxis vorzuschlagen und auch theologisch zu ermöglichen. Einer der Vorreiter in dieser Frage war der Regensburger Kirchenrechtler Matthäus Kaiser. Er hat 1983 sein Buch „Geschieden und wiederverheiratet“ vorgelegt.5 Darin hat er ausführlich die Ehelehre des Zweiten Vatikanischen Konzils entfaltet, die die Ehe als Bund begreift. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nicht ein neues Eheverständnis erfunden, sondern das biblische erneuert. Nach dem Verständnis der Konzilsväter ist die Ehe nicht ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Partnern, das in dem gegenseitigen Recht zur geschlechtlichen Vereinigung besteht, das sich die Partner bei der Eheschließung übertragen haben. Vielmehr versteht das Konzil die Ehe als personale Lebens- und Liebesgemeinschaft von Mann und Frau, die sich gegenseitig als Person schenken und von Gott zu einer neuen Wirklichkeit verbunden werden. Damit ist die traditionelle Ehezwecklehre aufgegeben, nach der die Zeugung der Nachkommenschaft Hauptzweck der Ehe sei. Daraus ergibt sich: Wenn zwischen geschiedenen Partnern keine personale Verbindung mehr besteht, haben sie auch kein Recht mehr zur geschlechtlichen Vereinigung, die immer Ausdruck der personalen Einheit sein soll. Eine neue geschlechtliche Vereinigung als Ausdruck einer neuen personalen Lebens- und Liebesgemeinschaft verletzt also nicht das Recht des früheren Gatten und ist auch nach dem neuen Eheverständnis nicht als außereheliche Geschlechtsbeziehung zu betrachten. Somit hat jeder geschiedene Wiederverheiratete wie jeder Christ sich gewissenhaft zu entscheiden, ob er bei der Mitfeier der heiligen Messe die Eucharistie empfangen darf oder ob er sich einer schweren Sünde bewusst ist, die ihn von der Kommunion abhält. Wer auf Grund gewissenhafter Selbstprüfung zu der Überzeugung kommt, eine neue Ehe mit einem anderen Partner eingehen oder eine bereits eingegangene fortsetzen zu dürfen, ist auch nach der Wiederheirat nicht am Empfang vom Sakrament gehindert. Es gilt nämlich, was Papst Pius X. in seinem Dekret von 1905 über die tägliche Kommunion erklärt hat: Nur schwere Sünde hält von der hl. Kommunion ab. Wer dagegen im Stand der Gnade ist und in frommer Absicht kommunizieren will, darf nicht davon abgehalten werden. Er kann in Frieden mit der Kirche leben, auch wenn er geschieden und wiederverheiratet ist.

Diese Position von Matthäus Kaiser ist deshalb wichtig, weil er als Regensburger Kirchenrechtler seinen Freund und Kollegen, den Dogmatiker Joseph Ratzinger und jetzigen Papst Benedikt XVI. damit beeinflussen konnte, wie er mir einmal in einem Gespräch erzählt hat. Der heute immer wieder zitierte Vortrag von Joseph Ratzinger an der Katholischen Akademie in München im Jahr 1972 ist ein Zeugnis davon. In diesem Vortrag hält Ratzinger fest: Wenn sich die zweite Ehe als sittliche Größe bewährt hat und im Geist des Glaubens gelebt wird, so lässt die Barmherzigkeit Gottes nach Auffassung von Basilius die Buße nicht unbeantwortet. Die Eröffnung der Kommuniongemeinschaft nach einer Zeit der Bewährung ist dann mehr als gerecht und voll auf der Linie der kirchlichen Überlieferung. „Wo eine erste Ehe seit langem auch in einer für beide Seiten irreparablen Weise zerbrochen ist; wo umgekehrt eine hernach eingegangene zweite Ehe sich über einen längeren Zeitraum hin als eine sittliche Realität bewährt hat […], da sollte […] die Zulassung der in einer solchen zweiten Ehe Lebenden zur Kommunion gewährt werden.“6

Scheidung - Wiederheirat - von der Kirche verstoßen?

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