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2. Der Ökumene verpflichtet

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Das führt mich zu dem anderen Feld, dem das Konzil meinem Denken und Arbeiten bis heute wichtige Anregungen gab: die Öffnung in der Ökumene, näher hin zu den Kirchen der Reformation. Es ist nicht überflüssig, dies besonders herauszustellen, weil es eben nicht selbstverständlich ist. Noch vor dem II. Vatikanischen Konzil war das anders, was wir gern vergessen. Damals gab es nur die Vorstellung einer „Rückkehr“ der anderen zur katholischen Kirche. Hier hat das Konzil mit seinen theologischen und pastoralen Entscheidungen einen Neuanfang ermöglicht.

Die anderen „Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften“ werden seither im katholischen Raum anders gewürdigt als zuvor. Einzelne Elemente des Kirche-Seins in diesen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften werden positiv benannt (z. B. die gemeinsam anerkannte Taufe, die Verkündigung des Wortes Gottes, die tätige Nächstenliebe u. a. m.). Das Konzil vermeidet freilich, konkret die aus der Reformation entstandenen Kirchen auch theologisch als Kirchen zu bezeichnen. Das signalisiert ein theologisches Arbeitsfeld, das dringlich zu bearbeiten ist. Dennoch bleibt es dabei: Auch in den nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften ist Gottes Geist am Werk, wird das Evangelium verkündigt und gewinnt die Liebe Christi praktisch Gestalt. In ihnen kann der einzelne Mensch das ewige Heil erlangen.

Dazu kommt eine positive Würdigung des ökumenischen Bemühens insgesamt. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika „Ut unum sint“, die ganz der Ökumene gewidmet ist, gesagt, dass die ökumenische Bewegung in dem von Kriegen und schrecklicher Inhumanität gekennzeichneten 20. Jahrhundert ein Geschenk des Geistes Gottes sei.13 Dieser Aussage stimmen wohl weithin alle Christen zu. Dass dies so ist, sollte uns Anlass zu immer neuem Dank gegenüber Gott sein.

Lange habe ich mich lokal und auch auf Bundesebene in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland eingebracht, von 1995 bis 2001 sogar als deren Vorsitzender. Ich hätte mir nicht vorstellen können, ohne eine vom Konzil her inspirierte Theologie diese Arbeit leisten zu können. Natürlich kamen dabei auch die kontroversen Gesichtspunkte zum Vorschein, insbesondere im Kirchenverständnis. Immer wieder musste ich manches vorschnelle Urteil richtigstellen: Es ist nicht zutreffend, wenn z. B. häufig die katholisch-evangelische Grunddifferenz mit der Formel festgemacht wird: Nach evangelischem Verständnis erfolge Rechtfertigung des Sünders vor Gott „in“ der Kirche, nach katholischem Verständnis „durch“ die Kirche. Genau bei solch gewichtigen Fragen half mir mein vom Konzil her geprägtes Kirchenbild, für die im Glauben getrennten Geschwister gesprächsfähig zu bleiben.

Kirche schiebt sich für Katholiken eben nicht zwischen Christus und den Menschen. Sie enthüllt mir vielmehr das Angesicht des Herrn, damit ich von ihm im Wort und Sakrament „erleuchtet“, österlich lebendig werden kann. Die Kirche ist mir Heilsraum, aber nicht Heilsursache. Darum gilt für mich: An ihrer Hand habe ich den gefunden, den „meine Seele liebt“ (Hld 3,1). Paulus gebraucht einmal das Bild, er wisse sich als „Brautwerber“ (2 Kor 11,2), der zu Christus führen will. Eben das ist für mich das Wesen der Kirche. Und so habe ich es auch als ein in der Diaspora aufgewachsener Katholik konkret in meiner Biographie erfahren. Aber das bestätigt mir nur biographisch, was ich, belehrt durch das Konzil, theologisch weiß.

Meine Erfahrung, besonders auch später im Bischofsamt, hat mir gezeigt: Es wird kein Voranschreiten in der Ökumene geben, wenn wir uns Christen nicht gegenseitig im Blick behalten. Damit meine ich nicht, dass es nicht auch Sachkritik am anderen geben könne. Wichtiger ist freilich, in welcher Gesinnung solche gegenseitige Kritik geschieht. In uns muss das konkrete Wissen wachsen und sich emotional verankern, dass der und die andere neben mir von Christus geliebt sind. Kinder hören zu streiten auf, wenn sie sich der gemeinsamen Liebe ihrer Eltern wieder sicher sind.

Gerade durch die ACK habe ich gelernt, meine eigene Kirche auch mit den Augen der ökumenischen Partner zu sehen. Das ist manchmal schmerzlich, weil ich dann auch eigenes Fehlverhalten und Versagen deutlicher erkenne. Aber alles in allem ist dies eben auch heilsam. Ich hatte einmal den Vorschlag gemacht, im jeweiligen sonntäglichen Gottesdienst einer Gemeinde regelmäßig (etwa in den Fürbitten) auch der anderen Christen am Ort zu gedenken. Hier und da erlebe ich, dass dies gemacht wird. Darüber kann man sich nur freuen. In einer solchen Gemeinde bleibt der „Geist des Konzils“ lebendig.

Aber auch in anderer Hinsicht brauchen wir die Ökumene – und das scheint kein Gegensatz zu dem soeben Gesagten. Wir sollten gemeinsam immer wieder auf Aufgaben schauen, die uns als Christen in Deutschland und angesichts einer zerrissenen Welt herausfordern. Freundschaft wächst und vertieft sich durch gemeinsame Bewährung, nicht durch fortwährendes gegenseitiges sich Fixieren und Bemessen. Wir brauchen eine ökumenische Grundeinstellung, die nicht als Motto ausgibt: „Mal sehen, was dem anderen zuzumuten ist“, sondern: „Gemeinsam schauen auf das, was diesem Land nottut, nämlich: neu nach Gott zu fragen“. Das führt mich zu einem weiteren, mir wichtigen Lernfeld, zu dem mich gerade auch das Konzil angeleitet hat. Ich meine damit die Aufgabe, mutig auf eine neue, missionarische Präsenz des Evangeliums in unserer Gesellschaft hinzuarbeiten.

Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche

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