Читать книгу Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis / Sciences de l'information: théorie, méthode et pratique - Группа авторов - Страница 61
Einleitung
ОглавлениеSeit 2010 wird die Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein einer umfassenden Reorganisation unterzogen. Sie umfasst die Kernaufgaben
— Sammeln: Sammlungstektonik und Überlieferungsbildung,
— Erschliessen: Ordnen und Verzeichnen, sowie
— Vermitteln.
Der nachfolgende Beitrag versucht aufzuzeigen, dass die Bewertung der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung der Reorganisation ist. Die Entwicklung eines schlüssigen Bewertungskonzeptes für die Mariasteiner Musiksammlung wurde notwendig, weil die jüngere Geschichte der Sammlung und des Klosters die Sammlungstektonik nachhaltig beeinflussten und die Sammlung kaum mehr nutzbar war. Neben der historischen Dimension, die nachfolgend aufgezeigt wird, spielt bei der Entwicklung des neuen Bewertungskonzeptes ebenfalls die für Musiksammlungen typische «Zwitterstellung» zwischen Archiv und Bibliothek eine massgebende Rolle. Auch ohne historische Brüche in der Entwicklung einer Sammlung gestaltet sich die Überlieferungsbildung in einer so ausgerichteten Institution als komplex; die Definition einer neuen Sammlungstektonik muss daher aus archiv- und bibliothekswissenschaftlicher Perspektive angegangen werden.
Mit der «materiellen Heterogenität» reiht sich die Mariasteiner Musiksammlung durchaus in den Kontext anderer Musiksammlungen ein. Die Bandbreite vom Autograph bis hin zur modernen gedruckten Notenedition ist in kleinen Sammlungen ebenso anzutreffen wie in den grossen europäischen Musiksammlungen der Bibliothèque nationale de France, der British Library und der Bayerischen Staatsbibliothek.1 Alle diese Sammlungen vereinigen aus terminologischer Sicht den archivwissenschaftlichen Begriff der «Sammlung» – Einzelstücke verschiedener Herkunft, die wegen eines spezifischen Sammlungsinteresses ohne Berücksichtigung von Entstehungszusammenhängen zusammengeführt wurden – und den Begriff der «Bibliothek».2 Dieses Spektrum ist auch in der Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein vorhanden: Die älteste Quelle ist eine Sammlung von Gesängen für zwei Chöre zur Prozession, «Chori ad Falsibordonos et Lytanias Orationes»3 des Mariasteiner Konventualen P. Anton Kiefer (1627–1672); das jüngste Dokument der Sammlung ist ein Notendruck aus dem Jahr 2010. Beim Handschriftenbestand finden sich Autographe und Abschriften aus der Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Die gedruckten Musikalien lassen sich in die Rara-Drucke (Notendrucke aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert) und Aufführungsmaterialien des späten 19., 20. und 21. Jahrhunderts unterteilen.