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Bewertung der Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein

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Bei der Bewertung stand die Tektonik der Sammlung im Zentrum. Für die Bewertungsentscheide wurden neben den im theoretischen Diskurs erläuterten Aspekten die Tektoniken anderer klösterlicher Musiksammlungen konsultiert.

Die handschriftliche Überlieferung musikalischer Werke, die vor der Reorganisation über das ganze Sammlungsgut verstreut waren, hat einen intrinsischen Wert. Sie umfasst Werke von Klosterkomponisten, ein Autograph von Wolfgang Amadeus Mozart sowie in Mariastein entstandene Abschriften von Werken der europäischen Musikgeschichte von 1750 bis ungefähr 1960, die für die klösterliche Musikpflege hergestellt wurden. Bei der Reorganisation wurde diese Überlieferung daher vollumfänglich als archivwürdig bewertet und als Teilbestand «Musikarchiv» neu aufgebaut. Zum Teilbestand «Musikarchiv» gehören in der Musiksammlung von Mariastein aber auch Drucke. Dabei handelt es sich einerseits um Notendrucke, die vor 1800 publiziert wurden und die gemäss internationalem Standard des RISM als historische Quellen 34 zu bewerten sind. Im Weiteren wurden dem Teilbestand «Musikarchiv» alle Notendrucke von Mariasteiner Klosterkomponisten zugeordnet. Deren Druckproduktion wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit durch das Kloster veranlasst. Dazu zählen auch die Werke des Klosterkomponisten und nachmaligen Abtes P. Leo Stöcklin (1803–1873), die nicht den Weg in grosse Verlagshäuser fanden, sondern in Druckereien des benachbarten Umlandes (Elsass oder Süddeutschland 35) produziert wurden. Ein weiteres Kriterium für die Übernahme von Drucken in den Teilbestand «Musikarchiv» bilden Editionen, die einen Widmungsvermerk an Mariasteiner Konventualen enthalten oder als Erstdrucke von Komponisten, welche die europäische Musikgeschichte nachhaltig geprägt haben. Dazu zählen beispielsweise die Partitur der «Missa Solemnis» op. 123 von Ludwig van Beethoven, die im Todesjahr von Beethoven 1827 beim Verlagshaus Schott in Mainz publiziert wurde, oder der Erstdruck der «Grande Messe des Morts dédiée à Mr. Le Comte de Gasparin Pair de France et composée par Hector Berlioz» op. 5, der 1838 bei Maurice Schlesinger in Paris erschien. Geschenkt wurde dieser Erstdruck den Benediktinern von Mariastein vom Onkel des Komponisten Colonel Marmion, dem Bruder von Berlioz’ Mutter Marie-Antoinette-Josephine Marmion; darauf verweist die handschriftliche Widmung auf der Titelseite.

In der Musiksammlung befinden sich nunmehr Musikdrucke, die nach den Bewertungskriterien

— Erscheinungsdatum vor 1800,

— Mariasteiner Klosterkomponist,

— Erstdrucke von Komponisten bis ca. 1850,

— Drucke, die vom Kloster in Auftrag gegeben wurden

dem Teilbestand «Musikarchiv» zugeordnet wurden. Alle anderen Notendrucke bilden den Teilbestand «Notenbibliothek». Innerhalb dieses Teilbestands wurde das Provenienzprinzip über das Pertinenzprinzip gestellt; das heisst, der Aufbau des Notenbestandes der Bibliotheca Benedictinorum (Herkunft Kollegium Karl Borromäus, Altdorf) wurde unverändert in den Teilbestand eingegliedert, obwohl aus bibliothekswissenschaftlicher Perspektive für diese Materialien eine alphabetische oder sachthematische Gliederung nach musikalischen Gattungen sinnvoller erscheint. Bei den Notenmaterialien jüngeren und jüngsten Datums, die keiner eindeutigen Provenienz zuzuordnen sind, wurde der Sammlungsaufbau durch die sachthematische Gliederung der musikalischen Gattung bestimmt (Pertinenz).

Diese Bewertungsmatrix für Notendrucke ist auf die Mariasteiner Musiksammlung zugeschnitten. Im Gegensatz zu anderen Musiksammlungen, in denen hinsichtlich der Bewertung lediglich zwischen handschriftlicher Überlieferung und gedruckter Produktion unterschieden wird, sind in Mariastein nun auch für die Notendrucke differenzierte Bewertungen erstellt worden. Bewertungen von Notendrucken sind in Musiksammlungen selten anzutreffen. Das liegt in erster Linie daran, dass Notendrucke des 19. Jahrhunderts nicht mit Publikationsdatum versehen sind, sondern mit Verlags- beziehungsweise Druckplattennummern. Eine zeitliche Abgrenzung für die Bewertung als «historische Quelle» ist daher nur über den Weg der Verzeichnisse von Verlagsnummern einzelner Verlage oder durch den «Musikalisch-literarischen Monatsbericht neuer Musikalien, musikalischer Schriften und Abbildungen»36 möglich, welchen der Leipziger Verleger Friedrich Hofmeister (1782–1864) und seine Nachfolger von 1829 bis 1900 monatlich veröffentlichten. Durch diese Publikation sind ca. 330 000 musikalische Neuerscheinungen nach Monat und Jahr dokumentiert und können bei der Erschliessung zur Datierung der Publikation herangezogen werden. Die für den Mariasteiner Notenbestand durchgeführte aufwändige Recherche über den «Hofmeister’schen Monatsbericht» hat die Bewertung als «historische Quelle» möglich gemacht und zu einer Differenzierung der Massnahmen in der Bestandserhaltung und in der Erschliessung geführt. Die Bewertungsmatrix für die Mariasteiner Musikhandschriften und Notendrucke hat die Schaffung unterschiedlicher Regelwerke zur Erschliessung und verschiedene Erschliessungstiefen bewirkt.37 Sie ist der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung der Reorganisation.

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