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Niklaus Brantschen: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

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Niklaus Brantschen * 1937, trat 1959 in den Jesuitenorden ein und studierte in München Philosophie, in Lyon und Tübingen Theologie. Nach regelmäßigen Lehraufenthalten und Zen-Studien in Japan wurde ihm 1988 die Lehrbefugnis in Zen übertragen, 1999 wurde er als Zen-Meister autorisiert. Als langjähriger Leiter des Bildungshauses in Bad Schönbrunn ZG positionierte er es 1993 unter dem Namen Lassalle-Haus neu als Zentrum für Spiritualität und soziales Bewusstsein. 1995 gründete er mit Pia Gyger das Lassalle-Institut für Zen – Ethik – Leadership.

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Aus Afrika stammt das Wort, genauer aus Sambia. Sagen die einen. Nein, die anderen: aus China, von Konfuzius, genauer von einem seiner Schüler! Von Meister Mengzi – von den Jesuiten in Menzius umgetauft. Also Afrika, oder doch Asien? Beides stimmt. Die konfuzianische Weisheit kommt als Anekdote daher. »Ein Bauer«, erzählt Mengzi, »der will, dass sein Weizen gut treibt, zieht an den Trieben. Als die Kinder am Abend herbeilaufen, das Ergebnis zu sehen, ist alles verdorrt.« Die Geschichte erinnert an eines der Gleichnisse Jesu: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da (Mk 4,26–29).

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Was ist die afrikanische, die chinesische Botschaft an uns? Das Wort warnt uns davor, alles von unserer Macht abhängig sein zu lassen. Sofort zu intervenieren. In Aktivismus zu verfallen. Das tut weder der Wirtschaft gut noch der Schule.

Was tun? Die Hände in den Schoß legen, das Laissez-faire pflegen? Das geht auch nicht. Jeder Bauer, Lehrer, Unternehmer weiß: Man darf weder am Trieb ziehen, noch dem Treiben bloß zusehen. Man muss etwas tun. Mengzi sagt es so: Man hackt, man jätet, man lockert den Boden. Kurz: Man pflegt und hegt. Man kultiviert.

Es gibt viel zu kultivieren – auch in Bildung und Wirtschaft. Denn die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte. Welche Welt Wollen Wir? Unter diesem Motto stehen die Symposien, die das Lassalle-Institut seit Jahren durchführt. Kurz und bündig: Wir wollen eine Welt für alle! Man darf ruhig das eine herausheben. Eine Welt – oder keine.

Leben ist isoliert nicht denkbar. Es ereignet sich in einem subtilen Netzwerk, das keine Grenzen kennt. Diese Einheit allen Lebens ist uns vorgegeben. Wir können sie nicht herstellen, indem wir gleichsam von außen ein Netz über Dinge und Menschen werfen und versuchen, sie so zusammenzuhalten. Was wir tun können: uns der grundlegenden Vernetzung der einen Welt innewerden. Diese Erfahrung der Einheit im Leben – gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch – Realität werden lassen. Ja: Wir können dazu beitragen, dass sich die implizite Einheit allen Lebens manifestiert. Dass inmitten der konkreten Vielfalt und Verschiedenheit eine Gemeinschaft von Rassen, Religionen, Kulturen und Nationen die Einheit aller Menschen möglich wird.

Das verlangt ein verändertes Bewusstsein. Ein weites, offeneres Denken. Offener, spontaner, kreativer: Wir sind, so Helmut Geiselhart, unterwegs zu einem neuen Menschentyp. Und Carl Bossard erinnert uns daran, dass junge Menschen – nicht nur junge – Werte wollen und nicht nur Worte. Und sie wollen – und brauchen! – Bildung, nicht nur Aus-Bildung.

Es stellt sich für Verantwortliche in der Wirtschaft, Politik, Erziehung und Bildung die Frage: Welche Werte wollen wir verwirklichen? An welchem Menschenbild uns orientieren? Am homo faber, am homo oeconomicus oder am homo sapiens sapiens? Oder an den Prinzipien des universellen Ethos, wie Hans Küng sie formuliert und das Parlament der Weltreligionen sie 1993 in Chicago verabschiedet hat? Eine Kultur der Gewaltfreiheit und die Ehrfurcht vor dem Leben; eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung; eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit; schließlich eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau.

Wie müssen Wirtschaft und Bildung aussehen, in denen Raum ist, Freiraum und Spiel-Raum, zur Pflege dieser Haltungen? Spätestens seit Josef Piepers Muße und Kult und Zucht und Maß wissen wir, dass nur wer Zeit hat und sich Zeit nimmt, wer auch mal müßig geht und innehält, Maß zu halten versteht. Maßhalten ist zwar nicht die erste Tugend – das ist die Klugheit – und nicht die wichtigste – das ist die Gerechtigkeit –, wohl aber die heute aktuellste.

Ich lade Sie ein: Jetzt, im Eintreten in unser gemeinsames Nachdenken über Bildung und ihre Ziele, tief Atem zu holen. Im Hier und Jetzt anzukommen mit dem Wort von Rose Ausländer: Mein Atem heißt jetzt.

Welche Bildung braucht die Wirtschaft?

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