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Frank G. Gerigk – Der Drachenkrug des Po-Tse

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Einst geschah einst ein besonderes Ereignis während der Herrschaft der Sòngcháo unweit des Dorfes Jianci, im Kreis Quyang in der Provinz Héběi, die man auch Jì nennt. In dieser Gegend wurden die besten Tonwaren der bekannten Reiche hergestellt; viele davon so delikat und auserlesen, dass sie weit über die Lande bekannt wurden. So kam es über die Zeiten, dass die Kaiser ihren Tee ausschließlich aus Tassen aus Quyang genossen, und alle Gouverneure und Minister es ihnen gleichtun wollten. So erfreute sich die Gegend eines gewissen Wohlstands.

Der alte Meister Po-Tse, dessen kleine Manufaktur etwas abseits des Dorfes lag und in höchsten Ehren stand, hatte diese von seinem Vater übernommen, welchem man den Ehrentitel Kannenbäcker verliehen hatte, und von diesem all das gelernt, was man in seinem Beruf wissen konnte. Der Kannenbäcker war sehr alt geworden, man sagte über einhundert Jahre, und so kam es, dass Po-Tse, der sich um alles gekümmert hatte, zu der Zeit, als er das Geschäft übergeben bekam, selbst schon graue Haare hatte. Erst zu diesem Zeitpunkt jedoch wollte er sich um eine eigene Familie kümmern.

Po-Tses großes Glück war leider nicht von langer Dauer, denn nach nur einem Jahr schon verlor er seine Frau: Als sie dereinst im Reisfeld unversehens mit ihrem ersten Kind niederkam, einem wunderschönen Mädchen, ward sie darauf nie wieder gesehen. Po-Tse verfiel daraufhin lange in Schwermut und dem Reiswein Huangjiu. Das Mädchen hieß Néng, wurde von einer Amme genährt und verblieb die ersten sieben Jahre im Haushalt einer Cousine. Dann zog es bei seinem Vater ein, der sich liebevoll um sie kümmerte. Nach und nach hatte das Töchterchen indessen zunächst den Haushalt übernommen und gelernt, die Weinkrüge vor ihrem Vater zu verstecken. Und mit den Jahren erlernte sie auch die Geheimnisse der Herstellung des feinsten Porzellans, dem sie fortan eine Andeutung von Eleganz versah. Die Manufaktur ihres Vaters und der Handel erblühten daraufhin erneut.

Da wurde der Gouverneur Yang Yúchun auf ihn aufmerksam. Yang war ein grober Klotz, sowohl von Statur und auch vom Geiste. Seine Soldaten waren gefürchtet, und so musste Po-Tse ihm einen Sonderpreis gewähren. Er bekam den Auftrag, einhundert Krüglein zu formen – einander so identisch, dass sie nicht voneinander zu unterscheiden wären. Dies würde Po-Tses komplette Meisterschaft erfordern – immerhin wäre die Entlohnung, wenngleich auch nicht den Marktpreisen entsprechend, immer noch hoch genug, dass er sich seinen Lieblings-Reiswein aus Shaoxing, Huādiāojiu, würde leisten können. Po-Tse arbeitete wie besessen, dass die Krüglein auch unter allen Umständen identisch produziert und gebrannt würden – doch am Tag des Brands schlief er, vom Reiswein zusätzlich ermüdet, vor dem Brennofen Dìng yáo ein und verpasste die entscheidenden Augenblicke. So kam es, als ein Prüfer des Gouverneurs vorbei kam, dass alle Krüglein zersprangen.

Po-Tse warf sich in den Schmutz und flehte um sein Leben. Es wurde angeordnet, dass er nun einhundertundzwanzig Krüglein an einem bestimmten Tag zu liefern hätte. Wieder arbeitete er wie besessen, Tag und Nacht, und alle Angestellten ebenfalls. Am Tag des Brandes allerdings drohte ein Unwetter. Po-Tse wusste, dass er unter diesen Umständen kaum seine Arbeit fortsetzen könnte – da tauchten zwei Soldaten des Gouverneurs auf, um ihn an sein Versprechen zu erinnern. Po-Tse, in seiner Verzweiflung, hoffte auf das Wunder, dass die Wolken Jianci verschonen würden, und ließ den Brand beginnen. Das Unwetter jedoch riss das Dach der Werkstatt fort und drückte das Feuer nieder. Nicht eines der Krüglein gelang.

Dem Gouverneur Yang Yúchun blieb, um sein Gesicht nicht zu verlieren, nichts anderes übrig, als Po-Tse in seine Hauptstadt Baodìng shì bringen zu lassen und ihn dort in das Gefängnis zu werfen.

Po-Tses Tochter Néng wurde im Palast des Gouverneurs vorstellig. Sie bot an, selbst den Auftrag des Yang Yúchun auszuführen, als Geschenk, um ihren Vater auszulösen. Der Gouverneur, ein Mann eigener Prinzipien, ließ das ablehnen.

Néng überlegte lange. Dann bot sie an, den alten Meister Po-Tse gegen einen einmaligen Krug auszulösen, der eines Kaisers würdig wäre! Erst, als der Gouverneur persönlich erschien, erzählte sie, was das bedeutete: Denn ihre Mutter hatte sich, als sie vergebens in den Wehen lag und keine Hoffnung mehr hatte, einem Drachen geopfert. Nur Néng, ihre Tochter, die im Mutterleib von dem magischen Drachen berührt wurde, könnte sich diesem Drachen nähern, denn nur sie könne ihn sehen. Diesem würde sie ein Haar auszupfen und es ihn die Tonmasse geben. Gebrannt würde daraus eine magische Form entstehen, die es nie zuvor gegeben hatte und die es auch sonst niemals wieder geben könne.

Yang Yúchun lachte sie aus und warf sie aus dem Palast. Er, ein Gouverneur, würde nicht an Märchen glauben. Heimlich aber sandte er einen Tag später einen Boten in das Dorf Jianci, um herauszufinden, ob Néng die Wahrheit spräche. Tatsächlich beschieden ihm alle Anwohner, die die alten Geschichten kannten, dass die Ehefrau des alten Po-Tse wirklich am Tag ihrer Niederkunft im Reisfeld verschwunden war. Er grübelte einige Zeit, und da er keine besondere Verwendung für einen alten Mann in seinem Gefängnis hatte, schickte er erneut zwei seiner Soldaten aus, um der Tochter des Po-Tse auszurichten, dass er sich möglicherweise erbarmte, sofern der Krug so schön wie einzigartig sei.

Néng ließ die Werkstatt auch mit Unterstützung vonseiten des Dorfvorstehers wieder herrichten.

Beim nächsten Morgennebel verschwand Néng; erst am Vormittag war sie wieder da. Sie erzählte den Soldaten, dass sie ein Haar des Drachen ausgezupft hätte, es jedoch niemand außer ihr sehen könne. Zur Feier des Tages schenkte sie so viel köstlichen Reisschnaps Báijiu aus, dass die Soldaten davon einschliefen. Mithilfe des Vorarbeiters erschlug sie die Männer, zerteilte sie in der Küche, und warf die einzelnen Teile ihrer Körper nach und nach in den Ofen. Die Asche der Knochen sammelte sie, mischte sie unter die Tonmasse, und formte daraus zwei große, überaus elegante Krüge. Jeder wurde einzeln gebrannt, so heiß und so lange sie es bestimmte.

Der Bote des Gouverneurs, ein gebildeter hoher Beamter, erstarrte vor Ehrfurcht, als er die beiden Krüge erblickte. Niemals zuvor hatte er solche Kunst erblickt. Sie besaßen eine traditionelle Form, doch waren sie durchscheinend, und es schien, als würden sie einen Nebel beinhalten, der sich, je nach Blickwinkel, langsam bewegte.

Der Drache hätte im Austausch für das Haar die Soldaten gefressen, erzählte Néng. Jeder Krug hielte den Geist eines der Soldaten gefangen, daher wären es zwei Krüge. Dann ergriff sie eines der Gefäße, um es auf den Boden zu werfen. Es hüpfte erst einmal, bevor es mit einem grässlichen Geräusch zerschellte. Von diesen Krügen, behauptete sie, dürfe es immer nur jeweils einen geben.

Auch der Beamte war erschüttert. Néng ließ den verbliebenen Krug in Seidenpapier einwickeln, in eine hölzerne Kiste legen, und überreichte sie ihm.

Drei Tage später war Po-Tse wieder zu Hause, doch er war verändert. Néng nahm den Vorarbeiter zum Ehemann, übernahm den Betrieb, und wurde eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Einen Drachenkrug schuf sie niemals wieder. (Erst achthundert Jahre später konnten in einem anderen Land andere Künstler wieder solch eine Kunst erschaffen – aber das ist eine andere Geschichte.)

Der Drachenkrug beeindruckte in seiner Einzigartigkeit nicht nur Yang Yúchun. Dieser, auch von der Erzählung seines Gesandten eingeschüchtert, machte letztlich den Krug dem Kaiser zum Geschenk. Nachdem dieser daraus einen blutroten Reiswein genossen hatte, überfiel und besiegte er das Land Tang.

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