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2.3 Handlungsfelder und Qualifikation
ОглавлениеEingangs wurde bereits angedeutet, wie vielschichtig die Handlungsfelder der Kulturellen Bildung sind. Vielleicht liegt es an dieser Vielfalt, dass es mitunter schwer fällt, Kulturelle Bildung zu beschreiben oder zu definieren. In Malerei, Fotografie, Musik, Tanz, Zirkus, Literatur, Handwerk, Bildhauerei, Theater, Museen und vielen anderen Bereichen engagieren sich Menschen und versuchen mit ihren Mitteln etwas zur Entwicklung der Gesellschaft oder des Einzelnen beizutragen. Berthold Brecht sieht in jeder künstlerischen Betätigung die Freisetzung aller Produktivität zur Gestaltung eines freieren Lebens der Menschen (vgl. Brauneck 1993, S. 339). Er beschreibt, sicherlich nicht zuletzt geprägt durch die marxistische Gesellschaftslehre, den gesellschaftlichen Zustand als Produkt seiner eigenen Praxis. Folglich ist die Gesellschaftslage durch gesellschaftliche Praxis zu verändern (vgl. Krabiel 1993, S. 128). »Die heutige Welt ist dem Menschen nur beschreibbar, wenn sie als eine veränderbare Welt beschrieben wird.« (Brauneck 1993, S. 334) Derartige Veränderungen vollziehen sich permanent und aktuell insb. durch den Wandel zur Informationsgesellschaft. Lernende anzuregen und zu begleiten, die eigene Lebenswelt zu verändern, ist grundlegendes Ziel jedes pädagogischen Handelns.
Über die theoretischen, strukturellen und politischen Rahmenbedingungen stellt die Auseinandersetzung mit den Handlungsfeldern der Kulturellen Bildung die Praxis in den Vordergrund. Dennoch ist es unerlässlich, dass Theorie und Praxis einen Transfer bilden. Die Theorie muss sich an der Praxis orientieren. Aber auch die Praktiker*innen sind gut beraten, sich mit den Hintergründen ihres Handelns zu befassen. Erst auf diese Weise können z. B. Spiel- und Medienpädagog*innen erkennen, dass sich trotz der augenscheinlichen Vielfalt zahlreiche Gemeinsamkeiten aufzeigen, dass wichtige Überlegungen an anderer Stelle bereits vollzogen wurden, dass eine Kombination der Handlungsfelder methodisch und didaktisch bereichern und dass sie nicht nur den Horizont der Zielgruppen erweitern. Natürlich dürfen und sollen Anleitende leidenschaftlich für ihren Fokus werben und begeistern. Für die Entfaltung von Kompetenzen, für die persönliche Begeisterung und für Langzeitmotivation ist es jedoch wichtiger, Angebote für Klient*innen bereitzustellen und diesen die Wahl des rezeptiven oder produktiven Mediums zu überlassen.
Die Handlungsfelder der Kulturellen Bildung stellen in der Summe zugleich eine gute Definition dar. Kulturelle Bildungsprozesse werden in ihrer Wahrnehmungs-, Handlungs-, Wissens- und Erkenntnismöglichkeit erst verständlich, wenn sie konkret und in Abhängigkeit zu den verschiedenen Künsten beschrieben werden. (vgl. Bockhorst 2012, S. 426). »Die Reflexion über die Besonderheiten des sich Bildens in den Sprachen der Kunst, des Spiels und der Medien, die Auseinandersetzung mit den komplexen Prozessen des ästhetischen Lernens und der Unterstützung künstlerischer und kultureller Kompetenz, muss im Feld der Akteure und Anbieter Kultureller Bildung stets im Fokus stehen« (ebd.). Im Verlauf soll dies zumindest für Spiel und Medien erfolgen. Diese vertiefte Auseinandersetzung darf jedoch nicht dazu führen, andere Sparten zu ignorieren. In zahlreichen spiel- und medienpädagogischen Projekten finden sich bereits Schnittmengen zur Kunst, zum Theater, zur Literatur usw. Computerspielpädagogische Projekte wie »Mein Avatar und ich«, welches im Verlauf Techniken des Improvisationstheaters einbezieht, »Pic your Game life« oder die In-Game-Photography, die Screenshots als Kunstwerke ansieht, die Verbindung zur Literatur im Projekt »Digitale Spiele und Lesen«, zum Sport im Projekt »RealLife Jumper«, zahlreiche Projekte die Architektur im Spiel »Minecraft« betonen u. v. a. finden sich inzwischen in entsprechenden Projektsammlungen. Sie alle demonstrieren die bereits bestehende praktische Vermischung der Handlungsfelder. Es ist an der Zeit diese auch theoretisch und im Selbstverständnis zu untersetzen. Die Bedeutung der Vielfalt von Kunst- und Ausdrucksformen wird auch offenbar, wenn der Blick auf die unangeleiteten Aktivitäten gerichtet wird. Die alltägliche und häusliche Spiel- und Mediennutzung vieler Kinder und Jugendlicher finden allerdings überwiegend konsumierend statt. Nur relativ wenigen Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen gelingt der Sprung von »Consumer« zum »Prosumer«, bei dem sie selbst aktiv werden. Formelle Bildungseinrichtungen können dazu nur bedingt beitragen. Die Kulturelle Bildung, mit ihrem interdisziplinären Wesen, kann entsprechende ergänzende Anregungen geben.
Gemeinsam haben die Bereiche der Kulturellen Bildung, dass es in ihrer Umsetzung meist nicht zuerst darum geht, großartige Produkte mit Kindern, Jugendlichen oder anderen Teilnehmenden zu erstellen, sondern darum, Wirksamkeit zu vermitteln, was mit dem Schaffensprozess einhergeht. Damit steht in pädagogisch ausgerichteten Projektformen selten ein Produkt, sondern vielmehr eine Prozessorientierung im Mittelpunkt. Die Diskussion um das Wesen, die Inhalte und die Relevanz der Ästhetischen oder Kulturellen Bildung haben bereits die großen Denker der Antike wie Platon und Aristoteles geführt. Seitdem werden die komplexen und vielfältigen Sinngehalte in Bezug auf eine Erziehung mit und durch die Künste erörtert (vgl. Bilstein et al. 2009/Zirfas & Klepacki 2011). Die Forderung nach Kenntnis und Berücksichtigung einer Vielzahl von Handlungsfeldern Kultureller Bildung sowie die damit verbundenen Bezugswissenschaften sollten jedoch nicht zu einem Überlastungs- oder Orientierungsproblem für Anleitende führen. »Die Dynamik in einzelnen Handlungsfeldern, (wie im Bereich Medien), unterschiedliche Traditionen und Verortungen (beispielsweise haben nicht alle Künste gleichermaßen einen Schwerpunkt in der allgemeinbildenden Schule), verbietet es, ein zu starres Binnenraster zur Feldvermessung anzulegen.« (Bockhorst 2012, S. 427) Hildegard Bockhorst fordert angesichts der Bedeutung ästhetischen Lernens zudem ein Umdenken in der Bildungsdebatte und ein Ende der Marginalisierung von Bildungsprozessen in und durch die Künste (vgl. ebd.). Tatsächlich erscheinen die Sparten der Kulturellen Bildung in der breiten Öffentlichkeit oft als eigenwillig, gesondert und eher einem kleinen Publikum zugeschrieben. Wenn es gelänge sie in ihrer Individualität und Besonderheit beizubehalten und dennoch unter einem gemeinsamen Prinzip zu verstehen, würde dies auch den einzelnen Bereichen und ihrem gemeinsamen Ansinnen helfen. Spiel- und Medienpädagogik ist daher dazu aufgerufen, sich in diesem Sinn zu verorten, für sich neue Felder zu eröffnen und dies im Gesamtspektrum zu kommunizieren. Dies bedeutet ggf. nicht nur medienpädagogisch, sondern kulturpädagogisch zu denken und zu handeln.