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2.4.1 Spielkultur

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Schönheit, Ästhetik, aber auch Bildung sind eng verbunden mit dem Spiel. Bei der Suche nach den Brücken zwischen Spiel, Kunst und Bildung fällt auf, dass es ohne die Möglichkeit des spielerischen Ausprobierens gar keine Entwicklung, Kreativität oder Gestaltung gäbe (vgl. Hüther & Quarch 2016, S. 12). »Im Spiel werden die bekannten Strukturen und Ordnungen des Lebens porös. Im Spiel tauchen wir ein in jene Potenziale, die zu entfalten uns lebendig macht. Im Spiel eröffnen sich uns neue Perspektiven« (ebd. S. 72). Friedrich Nietzsche formulierte: »Ich kenne keine andere Art, mit großen Aufgaben zu verkehren, als das Spiel« (Nietzsche KSA 6 1988, S. 297).

Nicht zufällig ist z. B. die Rede davon Musikinstrumente oder Theaterstücke zu spielen. Spielen beginnt damit, alle vorstellbaren Möglichkeiten zur Lösung eines Problems, zur Erreichung eines Ziels oder zur Realisierung einer Absicht durchzuspielen. Gedankenspiele sind ein Grundsatz unseres Seins. Die Fähigkeit, flexibel und kreativ zu denken, ist eng mit dem Spiel verknüpft und lässt sich durch Spiele fördern. Spielen und Lernen sind in der menschlichen Entwicklung seit jeher eng miteinander verbunden (vgl. Eibl-Eibesfeldt 1987; Müller-Schwarze 1978; Malo/Diener/Hambach 2009).

Als anthropologischer Gegenbegriff zum Homo faber wurde der Homo ludens, der spielende Mensch, vor allem durch Johan Huizinga und sein Buch mit gleichlautendem Titel (1938) bekannt. Er beschreibt darin, dass der Mensch seine kulturellen Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt. Wichtig ist in diesem Kontext, die Wesensmerkmale des Spiels zu beachten. Es wird als (zweck-)frei, als-ob, abgeschlossen und begrenzt, mit eigenen Regeln, als Wagnis, wiederholbar und als etwas beschrieben, das bindet und löst (vgl. Huizinga 1956, S. 16ff.). Spiel ist dabei weit mehr als viele vermuten. Als Spiele »in vitro« werden klar erkennbare Spiele mit entsprechender Rahmung (Kartenspiele, Brettspiele usw.) definiert. Spiele »in silico« sind alle Spiele, welche innerhalb von Computerprozessen ablaufen. Spiele »in vivo« werden beschrieben als das Spielverhalten im Alltag (vgl. Goffman 2003). So stellt sich nicht nur die Frage, was wir spielen, sondern wie wir spielen und spielerische Aspekte in den Alltag einflechten. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, wie eng Spiel mit Kunst, Kultur und Entwicklung verknüpft ist. Weltaneignung erfolgt durch (Symbol-)Spiel (Piaget 1992, S. 139ff). Spiel und Spielweisen sind dabei nicht unkritisch zu bejahen, sondern können einer Art Qualitätsfrage unterstellt werden. Das Spiel selbst neigt gar in seiner Dynamik dazu, in steigender Form vom Element »paidia« (Ausgelassenheit) zum Element »ludus« (Regelhaftigkeit) zu verlaufen (vgl. Caillois 1958, S. 9ff.). Spielregeln sind jedoch kein Widerspruch zum lustvollen Spiel. Problematisch können Spielregeln dann werden, wenn sie mit Befehlen verwechselt werden. Obwohl uns heute viele Spiele umgeben, finden wir in unserer Alltagswelt selten den Homo ludens. Vielmehr ist beinahe jeder Anteil unseres Lebens und Denkens (Schule, Arbeit, Freizeit etc.) durchzogen von Nutzen, Zweckmäßigkeit und Mehrwert, also dem Grundprinzip des Homo oeconomicus.

Spiel innerhalb der Kulturellen Bildung ist auch ein Medium, dass verwendet wird, um bestimmte Ziele zu erreichen. Wenn es jedoch als frei, freiwillig, zweckbefreit und als-ob beschrieben wird, wie deckt sich das mit dem Anspruch, Spiel zur Entwicklung von Persönlichkeit einzusetzen? Johan Huizinga beschreibt das Zusammenwirken von Spiel und Bildung als »eine sinnvolle Funktion« (Huizinga 1956, S. 9). Und zwar unabhängig davon, ob wir dahinter eine pädagogische Absicht interpretieren oder nicht. »Jedes Spiel bedeutet etwas« (ebd.). Dem Spiel ist in mehrfacher Hinsicht ein ruheloser und bisweilen autonomer Geist inne. Spiel ist in gewisser Weise für jede Art konservativer Struktur eine Gefahr, ist subversiv. Insbesondere weil es den einzelnen oder gar einer Gruppe, die Möglichkeiten der Gestaltung, Veränderung und des Ausprobierens aufzeigt. Ebenso wie es die Kulturelle Bildung beabsichtigt. Spielen heißt beweglich sein, heißt über den rationalen Anteil, den Nutzen hinaus zu wirken, egal ob mit Bildern, Schauspiel, Musik, Tanz etc. »Spiel ist immer »Schnörkelei«: Kleidung, Möbel, Schmuck, Handschrift etc. überall drückt sich das Wesen und die Kultur des Spiels aus. Gerade an diesen Kleinigkeiten lässt sich ablesen, was das Spiel ist: Mehr als reines Sein, mehr als das Notwendige. Es ist Sinn, Kultur und die Überladung des Einfachen mit dem Besonderen. Spiel ist Luxus – notwendiger Luxus!« (Geisler 2018, S. 28).

Obgleich Spiele heutzutage in vielfältiger Form zu finden sind, ist der Homo ludens und das Spiel in vivo in gewisser Hinsicht in Bedrängnis geraten. Viele Muster unseres Denkens und Handelns werden bestimmt von dem Streben nach Effektivität, Gewinn und Nutzenmaximierung. Was das Spiel und somit die Spielenden jedoch insbesondere brauchen und zugleich im Spiel erschaffen, ist Freiraum und die Möglichkeit diesen Freiraum zu besetzen und nach eigenen Wünschen zu gestalten. Gerade im Streben der digitalen Spiele kulturell gänzlich anerkannt zu werden, sinnvoll, nützlich und auch noch wirtschaftlich bedeutend zu sein, entziehen sie sich bisweilen ihrem spielerischen Potenzial. Und dennoch sind insbesondere jene Spiele in denen man eigene Spielelemente entwickeln kann dienliche (Frei-)Räume. Die Förderung des Spiels geht demnach weit über die Bedeutung einzelner Spieltitel und Individuen hinaus. Sie ist zugleich das Streben nach einer Gesellschaft in der Kunst und Kultur mehr Bedeutung erlangen und Menschen diese als sinnstiftend erfahren.

»Kreative Spielhandlungen in einer Spielwelt sind vom Ernstcharakter der realen Welt weitgehend entlastet. Die Ergebnisse der Kreativität werden nicht dem Prüfstein der realen Welt unterworfen. Vielmehr darf unbekümmert mit den Bausteinen der realen Welt umgegangen werden.« (Fritz 2018, S. 65) Ein Beispiel, dass insbesondere für die Bildung von Bedeutung sein kann, ist Umgang mit dem Fehler (vgl. Geisler 2019, S. 208). Spielen heißt, nicht nur für Kleinkinder und Tiere, experimentelles Erproben der Umwelt (vgl. Pranz 2009, S. 181ff.). Schule und Studium und alle anderen Bildungsräume können/sollten als Proberäume verstanden werden. Fehler sind, im Sinne des Spiels, Angebote und Anlass zur Veränderung. Ein Bildungsverständnis, welches dies berücksichtigt, kann Lernende zu einem großen Teil von Gefühlen der Überforderung und Unzulänglichkeit entlasten. Fehler werden von Lernenden heute jedoch oft gefürchtet und sind nicht selten mit Zukunftsängsten und Krisen verbunden. Diese Dynamik ist sozialisiert. Positive Fehler, sind Fehler, die den Lernprozess voranbringen und von denen die Lernenden Vorteile haben (vgl. Kobi 1994, S. 5).

Spiel- und Medienpädagog*innen haben neben dem Fokus auf ihre Zielgruppen auch den Auftrag, eine Kultur des Spiels zu fördern. Johan Huizinga weißt gleich auf der ersten Seite seines Buches »Homo ludens – Vom Ursprung der Kultur im Spiel« darauf hin, dass es für ihn nicht darum geht, »welchen Platz das Spielen mitten unter den übrigen Kulturerscheinungen einnimmt, sondern inwieweit die Kultur selbst Spielcharakter hat« (Huizinga 1956, S. 7).

Spiel- und Medienpädagogik

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