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2.4.2 Medienkultur
ОглавлениеBeobachtet man Kinder und Jugendliche, wie sie mit digitalen Geräten umgehen, geschieht die Aneignung von Technik spielerisch. Sie experimentieren und probieren aus, greifen aber in der Regel nicht zu Anleitungen oder implementierten Hilfefunktionen. Kommen sie an bestimmten Stellen nicht weiter, beziehen sie die Informationen aus Tutorials anderer Nutzer*innen über Videoplattformen oder holen sich Hilfe aus der Community über Soziale Netzwerke und Foren. Auch die Spielwelten von Kindern und Jugendlichen sind mediatisiert. Eine Rolle spielt hier beispielsweise die cross-mediale Vermarktung von Franchises durch die großen Medienkonzerne: Zum Kinderbuch gibt es die passende App, das Comic, die Zeichentrickserie, den Kinofilm und das Computerspiel. Aber auch klassisches Kinderspielzeug, wie Lego, bedient sich beliebter Marken, wie StarWars oder Harry Potter, um die Medienwelten ins Kinderzimmer zu transportieren. Auch das »Internet der Dinge« macht vor dem Kinderzimmer nicht Halt und zunehmend kommt Spielzeug auf den Markt, das mit dem Internet vernetzt ist. Hinzu kommt, dass Spiel- und Medienwelten von Nutzenden auf kreative Weise über das Internet weiter ausgebaut werden, indem neue Geschichten erfunden und über Social-Media, Videoplattformen oder Internetseiten veröffentlicht werden. Dieser »user-generated content« in Form von Fan-Fiction erweitert eine Franchise aus Sicht der Fans und wird so wiederum selbst Teil der jeweiligen Erzähl- und Medienwelt. Die zunehmende Digitalisierung und Verschmelzung unterschiedlicher Medienformate und ihrer parallelen Nutzung beschreibt der Begriff der Medienkonvergenz (vgl. Wagner 2017, S. 262ff/Theunert & Wagner 2002).
Das Aufwachsen vollzieht sich heute also grundsätzlich in einer mediatisierten Lebenswelt. Digitale Medien sind dabei Spiel- und Unterhaltungsmittel, Werkzeuge zur kreativen Auseinandersetzung mit Medienwelten, dienen der Informationsbeschaffung und Kommunikation, bilden Sozialräume und nehmen auch im familiären Alltag einen hohen Stellenwert ein. (vgl. Hugger & Tillmann 2014, S. 31ff) Damit geht einher, dass Medien auch prägenden Einfluss auf die Sozialisation, Biografie und Identität des Menschen haben. Das trifft nicht nur auf Heranwachsende, sondern auch auf Erwachsene zu. Ein Ansatz in der medienpädagogischen Elternbildung ist z. B. die Medienbiografie aufzugreifen: Was war das Lieblingsbuch, die Lieblingsserie, der erste Kinofilm und welche sind es heute? Nicht selten sind Erwachsene überrascht, welchen Einfluss kindliche Medienerlebnisse auf heutige kulturelle und mediale Vorlieben genommen haben. Medien hatten und haben also Einfluss auf Kultur und die Kulturelle Bildung.
Von der anderen Seite betrachtet, ist Kultur der Ausgangspunkt für mediale Bearbeitungen. Sei es Geschichte, Literatur, Musik oder Kunst. Die Werke von Shakespeare werden auf der Kinoleinwand auf die heutige Zeit übertragen und opulent in Szene gesetzt. Römer und Wikinger bilden die Basis epischer Serien und Handlungsfelder im Videospiel, auf Gemälden der großen Meister und sind integraler Bestandteil in Filmen. Orchestrale Musik ist Stil- und Stimmungsmittel in fast allen Medienformaten. Komponist*innen und Künstler*innen werden zu Protagonist*innen in Songs, Serien, Hörspielen und Games. Das bleibt nicht nur der Unterhaltungsindustrie vorbehalten. Kultur wird aufgegriffen, um etwas neues Mediales zu schaffen, sei es die Verarbeitung von Kunstwerken zu digitaler Kunst, die Umsetzung von Literatur in Filmen, Hörspielen oder ihre Weiterentwicklung in Fan-Fiction. Medien kommen darüber hinaus auch in anderen Kulturdisziplinen zum Einsatz. So z. B. als Teil der Inszenierung in Theaterstücken, Instrumente in der Musik, Ausdrucksmittel in der Bildenden Kunst, Darstellungsmittel zur Visualisierung literarischer Texte oder in Museen als didaktisches Mittel zur Vermittlung von Kunst und Kultur.
Auch die Nutzung digitaler Technik gewinnt zunehmend an Bedeutung: Computer werden programmiert, um gegen Menschen in Spielen wie Schach oder dem strategischen Brettspiel »Go« anzutreten, Kunstwerke wie Beethovens Neunte Symphonie zu vollenden und Roboter kommen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine als Spielzeug und im Pflegebereich zum Einsatz. Digitale Technologie ist in Subkulturen auch Gegenstand von Selbstoptimierung, wie durch Implantation von Chips unter der Haut, dem sogenannten Body-Hacking, deren Ursprünge wiederum im Cyberpunk, also der Science-Fiction-Literatur zu finden sind. Science-Fiction hat auch in die Alltagskultur und Wissenschaft Einzug gehalten: Das erste Space-Shuttle der NASA trug den Namen des Raumschiffs Enterprise aus der gleichnamigen Fernsehserie, die Literaturwissenschaftlerin Janet H. Murray greift Technologie in »Hamlet on the Holodeck« auf, um über die Zukunft von Erzählformen im Cyberspace zu diskutieren (vgl. Murray 1997). Derartige Züge werden aktuell im Rahmen der VR-Technologie in virtuellen Spielwelten wieder aufgegriffen. Begriffe wie »Beamen« und »Warp-Antrieb« sind selbstverständlicher Teil von Alltagssprache geworden. Die Fernsehserie StarTrek und ihre Ableger gelten als Paradebeispiel der Auflösung zwischen Pop- und Hochkultur (vgl. Rauscher 2004, S. 11). Kulturgut wurde in einzelnen Folgen als Ausgangsbasis für neue Geschichten aufgegriffen oder es wurden Bezüge zu Kunstwerken und Kulturräumen hergestellt. Zitate aus Werken großer Literaten gehörten ebenso dazu, wie auch Persönlichkeiten, die als Figuren vorkamen oder sogar sich selbst als Schauspieler*innen verkörperten, wie bspw. der Wissenschaftler Stephen Hawking.
Medien nehmen aber nicht nur Einfluss auf Kultur und umgekehrt, sie sind auch eine zentrale Sozialisationsinstanz, Vermittler von Lebensentwürfen und tragen zur Identitätsbildung bei (vgl. Buck 2009, S 36). Darüber hinaus sind sie Transporteur von Normen, Werten, gesellschaftlichen Ansichten sowie politischen und wirtschaftlichen Weltbildern. Manche sind offensichtlich intendiert, andere werden unterschwellig vermittelt. Die Unterhaltungsindustrie agiert global. Hierzulande beliebte Filme, Serien oder Computerspiele werden vorwiegend in den USA oder Asien produziert. Durch das Internet rücken Kulturräume näher zusammen (vgl. Pohlmann/Waschk 2015, S. 205). Es ist logisch, dass die jeweilige Kultur des Herkunftslandes als prägende Sozialisationsinstanz der Kulturschaffenden sich auch im jeweiligen Medium widerspiegelt. Medienkultur ist somit Teil der globalen Kultur.
Die Nutzung von Medien aller Art geschieht im Lebensalltag des Menschen, oft sogar unbewusst. Eine medienpädagogische Methode, um den Stellenwert von Medien im Alltag zu verdeutlichen, ist das Führen eines Tagebuchs: Wann wird welches Medium wozu benutzt? Das beginnt für viele schon mit dem Radiowecker beim Aufstehen, vollzieht sich über die Nachrichten aus Tageszeitung, dem Internet oder Frühstücksfernsehen. Smartphones werden zur Kommunikation oder Unterhaltung in Bus, Bahn und zu Leerzeiten genutzt. Computer finden sich in allen Arbeitsbereichen oder in der Schule, dienen dem gemeinsamen Spielen von Games mit Freunden nach den Hausaufgaben. Der Tag endet mit der Serienfolge, dem Fernsehfilm oder Videos aus YouTube & Co. als abendliches Unterhaltungsformat. Diese »Allgegenwart der Medien« (Krotz & Hepp 2012, S. 10) beeinflusst nicht nur das Alltagshandeln des Menschen, sondern ist gleichzeitig auch wiederum zu einem Teil der Medienkultur an sich geworden. Medienkultur ist also auch essenzieller Bestandteil der Alltagskultur.
Anhand der Beispiele wird deutlich, dass Kultur und Medien sich wechselseitig beeinflussen. »Kulturalität und Medialität fallen zunehmend zusammen« (Zacharias 2010, S. 56) mit entsprechenden Wirkungen auf Kunst, Kultur und Medien selbst, aber auch auf die Kulturelle Bildung und Pädagogik. »Und Bildung auch als Kultur, kulturelle Kompetenz auch als Medienkompetenz, kulturelle Praxis auch als mediale Praxis zu sehen und zu werten, erweitert notwendigerweise den pädagogischen Horizont in Sachen Medienbildung eben als kulturelle Bildung auch über das eher funktionale Kompetenzmodell hinaus« (ebd.). Kulturelle und Medienbildung bilden also gleichermaßen die Voraussetzungen, um in einer mediatisierten und zunehmend digitalisierten Gesellschaft bestehen zu können. Auch Pädagogik und Soziale Arbeit müssen sich auf die mediatisierte Welt einstellen, mit individuellen Lebenslagen, Persönlichkeitsstrukturen und strukturellen Gegebenheiten im Leben der Menschen zusammenführen, um einen lebensweltorientierten Ansatz verfolgen zu können (vgl. Helbig 2014, S. 115).