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4.2 Genetische mit Autismus vergesellschaftete Syndrome 4.2.1 Fragiles-X-Syndrom

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Das Syndrom des fragilen X-Chromosoms (Syn.: Marker-X-Syndrom, Martin-Bell-Syndrom) ist aufgrund seiner relativen Häufigkeit (zwischen 1:1200 und 1:8900 für die Vollmutation, hohe Dunkelziffer für die Prämutation: bis zu 1:100 [Crawford et al. 2001]) und seiner häufigen Vergesellschaftung mit Autismus als erstes zu nennen. Für das 1943 von Martin und Bell erstbeschriebene Syndrom wurde 1969 eine Brüchigkeit des X-Chromosoms beschrieben, die sich allerdings nur unter bestimmten Kulturbedingungen im Labor zeigt. Dieser wiederum liegt eine Triplet-Repeat-Expansion zugrunde, die sich heutzutage molekulargenetisch gut nachweisen lässt. Das Fragile-X-Syndrom tritt familiär gehäuft auf, folgt aber nicht (wie erwartet) streng einem X-chromosomalen Erbgang.

Symptomatik

Die typischen ersten Symptome sind Entwicklungsverzögerung, Vermeidung von Blickkontakt, hyperkinetische Symptome und Auffälligkeiten des Gesichtsschädels (hervorspringende Stirn, schmales langes Gesicht, große abstehende Ohren). Etwa 20% der Betroffenen entwickeln eine Epilepsie. Als eines der Leitsymptome gilt dann die Intelligenzminderung, wobei ein beträchtlicher Teil der Betroffenen (insbesondere Mädchen und Frauen) eine normale Intelligenz entwickelt. Auffällig sind weiterhin überbewegliche Fingergrundgelenke, rezidivierende HNO-Infekte und bei Jungen eine meist vorpubertär beginnende Hodenvergrößerung. Weit mehr als die Hälfte der Betroffenen weist autistische Symptome wie soziale Apraxie, taktile Überempfindlichkeit, Flattern der Hände, Unfähigkeit zu Blickkontakt, Perseverationen, Tics, Handbeißen und stereotypes Verhalten auf (vgl. Hagerman u. Hagerman 2002). Gelegentlich kommen kardiale oder ophthalmologische Auffälligkeiten hinzu.

Diagnostik und Relevanz für die Autismussprechstunde

Patienten mit ausgeprägten Intelligenzminderungen infolge eines fragilen X-Chromosoms werden meist im pädiatrischen Bereich diagnostiziert und behandelt. Somit melden sich in der Autismussprechstunde für Erwachsene natürlich nur noch diejenigen Patienten an, die lediglich eine mäßiggradige kognitive Einschränkung, eine Lernbehinderung oder eine unauffällige kognitive Leistungsfähigkeit aufweisen. Bei 20 bis 30% der Patienten mit fragilem X-Chromosom kann die Diagnose einer ASS gestellt werden (Goodlin-Jones et al. 2004). Da sich auch die skelettmorphologischen Auffälligkeiten oft erst im Erwachsenenalter deutlich zeigen, kommt eine Diagnosestellung erst im Erwachsenenalter durchaus vor. Insbesondere Mädchen oder Frauen (die aufgrund des zweiten, gesunden X-Chromosoms weniger betroffen sind) oder Träger der Prämutation können durchaus in der Lage sein, Regelschulabschlüsse zu bewältigen und auch Berufsausbildungen zu machen; aufgrund der autismusassoziierten sozialen Schwierigkeiten ergeben sich aber mit der Aufnahme einer Berufstätigkeit oft Probleme.

Im Rahmen der psychiatrischen Sprechstunde ist insbesondere dann an ein Fragiles-X-Syndrom zu denken, wenn sich ein Mischbild aus hyperkinetischen und autistischen Symptomen, teils mit Rechenschwäche assoziiert, findet. Oft fällt die Morphologie des Gesichts und der Ohren schon auf den ersten Blick auf; Symptome wie überbewegliche Fingergrundgelenke, Plattfüße, epileptische Anfälle, Hodenvergrößerung und wiederkehrende HNO-Infekte können leicht untersucht bzw. erfragt werden. Die Vorstellung in einer humangenetischen Beratungsstelle und evtl. die Durchführung einer PCR ist bei Verdachtsfällen – auch wegen der vorhandenen Erblichkeit – zu empfehlen. In der Behandlung des Fragilen-X-Syndroms werden verschiedene medikamentöse Ansätze erprobt, die sich deutlich von der Behandlung sonstiger ASS unterscheiden (vgl. Übersicht bei Berry-Kravis 2008).

Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter

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