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6.3 Inhalationsanästhetika Charakterisierung
ОглавлениеAnaConDa (Anaesthetic Conserving Device) und Mirus™ sind Medizinprodukte zur Verabreichung volatiler Anästhetika wie Sevofluran oder Isofluran bei invasiv beatmeten Patienten zur Steuerung der Sedierung. Beim Mirus-System ist auch die Applikation von Desfluran möglich.
Inhalationsanästhetika werden zur Narkoseführung bei der Anästhesie operativer Eingriffe seit Jahrzehnten verwendet. Das AnaConDa- und das Mirus-System ermöglichen seit einigen Jahren auch die Applikation im intensivmedizinischen Setting.
Die Steuerung der Sedierungstiefe erfolgt durch die Messung der endtidalen Konzentration des volatilen Anästhetikums. Diese Messung erfolgt über einen eigenen Monitor. Über diesen wird zusätzlich auch die endtidale CO2-Konzentration erfasst.
Aus der endtidalen Konzentration des volatilen Anästhetikums kann der MAC-Wert errechnet werden. Der MAC-Wert ist per definitionem die minimale alveoläre Konzentration eines Inhalationsanästhetikums bei der 50 % der Patienten auf eine Hautinzision nicht mehr mit einer Abwehrbewegung reagieren. Da im intensivmedizinischen Rahmen die sedierende Wirkung im Vordergrund steht, sind Konzentrationen des Inhalationsanästhetikums erforderlich, die lediglich 0,3 bis 0,5 MAC betragen.
Sowohl die AnaConDa als auch der Mirus-Reflektor werden zwischen Tubus und Y-Stück in das Beatmungssystem integriert. Der Großteil des Inhalationsanästhetikums in der Exspirationsluft wird bei beiden Systemen reflektiert und dem Patienten wieder zugeführt.
Beim AnaConDa-System wird das Inhalationsanästhetikum über eine separate Perfusorleitung der AnaConDa zugeführt. Die Verdampfung des flüssigen Inhalationsanästhetikums (Sevofluran, Isofluran) erfolgt in der AnaConDa.
Beim Mirus-System bilden Monitor und Inhalationsanästhetika-Verdampfer eine Geräteeinheit. Für jedes Inhalationsanästhetikum gibt es einen eigenen farblich kodierten Verdampfer.
Eine Abgabe des Inhalationsanästhetikums vom Respirator in die Raumluft wird vermieden: Am Exspirationsauslass wird bei der AnaConDa ein Restgasfilter angeschlossen, beim Mirus™ ein Reservoir, das mit der Vakuumanlage verbunden ist.
Die Gefahr der Entwicklung einer Abhängigkeit oder eines Entzugssyndroms ist bei Inhalationsanästhetika nicht gegeben.
Eine Toleranzentwicklung tritt nicht auf.
Inhalationsanästhetika wirken sedierend, im intensivmedizinischen Rahmen fällt die analgetische Komponente nicht ins Gewicht.
Die Elimination erfolgt durch die Ausatmung über die Lunge. Lediglich ein sehr geringer Teil des Inhalationsanästhetikums wird in der Leber metabolisiert: Sevofluran 3–5 %, Isofluran 0,2 %, Desfluran 0,02 %.
Die rasche pulmonale Aufnahme und Elimination bedingt eine sehr gute Steuerbarkeit der Inhalationsanästhetika. Der Eintritt der Wirkung erfolgt innerhalb kürzester Zeit. Ebenso kann mit einem raschen Abklingen der Wirkung gerechnet werden, auch wenn diese von der Dauer der Applikation abhängt.
AnaConDa und Mirus™ dürfen nicht mit einer aktiven Befeuchtung verbunden werden. Die Systeme sind nicht für die erhöhte Feuchtigkeit ausgelegt, die genaue Abgabe des Inhalationsanästhetikums wird beeinträchtigt. Außerdem saugen sich die Filter mit Flüssigkeit voll und es kann zu einer Erhöhung des Atemwegwiderstandes kommen.
Ein Vernebler zur Abgabe von Medikamenten kann zwischen Tubus und AnaConDa bzw. Mirus-Reflektor integriert werden. Hierbei sind Ultraschallvernebler vorzuziehen, da sie keinen zusätzlichen Luftstrom erzeugen. An eine Okklusion der Systeme muss beim Auftreten von Beatmungsproblemen gedacht werden.
Die Kombination der Verabreichung von Inhalationsanästhetika mit einer NO-Beatmung wird zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, jedoch auch nicht empfohlen. In der Realität stellt sich die Frage kaum, da die NO-Beatmung meist beim tief sedierten Patienten mit pulmonalarterieller Hypertonie oder ARDS vorgenommen wird. Erreichen diese Patienten die Weaning-Phase, kann die NO-Zufuhr meist ausgeschlichen werden.
Inhalationsanästhetika dürfen bei Patienten, die bereits eine maligne Hyperthermie erlitten haben oder bei denen eine Prädisposition hierfür besteht, nicht angewandt werden, da das Krankheitsbild hierdurch ausgelöst werden kann. Eine Prädisposition kann bei positiver Familienanamnese und bei genetisch bedingten Muskelerkrankungen angenommen werden (s. Exkurs maligne Hyperthermie).
Inhalationsanästhetika können den zerebralen Blutfluss erhöhen. Wegen einer dadurch möglichen Erhöhung des Hirndrucks bestehen deshalb Bedenken bezüglich eines Einsatzes bei akuten neurologischen und neurochirurgischen Krankheitsbildern. Allerdings kommen im Verlauf Inhalationsanästhetika als Alternative in Frage, wenn mit intravenösen Sedativa keine befriedigende Sedierung erzielt werden kann. Voraussetzung ist das kontinuierliche Monitoring des Hirndrucks.
Die Systeme Mirus ™ und AnaConDa verursachen einen zusätzlichen Totraum von bis zu 100 ml. Die exakte Einhaltung eines lungenprotektiven Tidalvolumens beim akuten ARDS kann deshalb erschwert sein.