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Politik hinter verschlossenen Türen

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In Čierna erlebte Tamara zum ersten Mal, was sich hinter den Kulissen der hohen Politik abspielt. Tamara fürchtete sich nicht – und darüber scherzten viele, dass die Teilnehmer gleich nach Sibirien geschickt würden. Sie stritt kategorisch die Möglichkeit ab, dass »brüderliche« Panzer nach Prag einmarschieren könnten. Tamara war nicht fähig, an die Realität dieser Drohung zu glauben. Ihr erschien, dass eine Intervention schon deshalb unmöglich sei, weil es doch jedem klar sein müsse, dass in der Tschechoslowakei ein neuer Sozialismus aufgebaut würde, der wahre Sozialismus, das Humane, ein Sozialismus mit »menschlichem Gesicht«. Wie könnte die Sowjetunion, der erste sozialistische Staat der Welt, Panzer schicken gegen ein ebenfalls sozialistisches Land?

Danach war Tamara auf der Konferenz der Führungsspitzen der Kommunistischen Partei der sozialistischen Länder in Bratislava im August 1968. Aber dort wurde die gesamte Arbeit nur hinter verschlossenen Türen gemacht, und die Dolmetscher hatten nur die »ehrenhafte Pflicht«, mitzuteilen, dass die Sitzung eröffnet bzw. geschlossen sei. Einer der tschechischen Experten, die in Bratislava dabei waren, schrieb später, dass er das Gefühl gehabt habe, an seiner eigenen Beerdigung teilzunehmen, bei der seine engsten Feinde dabei seien.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

1 Erstmalig verfasst von Tamara Reiman am 18.5.1988, danach von ihr weiterbearbeitet.

2 Normalerweise arbeitet man bei einer Simultanübersetzung 15-20 Minuten ohne Pause.

3 Unter den Aktivisten dieses »Zweiten Zentrums« wurde auch der Name von Michal Reiman, Tamaras Mann, genannt.

4 Nach Nikita Chruschtschow wurde Kossygin dessen Nachfolger als Ministerpräsident und neben dem KPdSU-Generalsekretär Breschnew der führende Akteur in der Sowjetunion.

Europäische Zeitenwende: Prager Frühling

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