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II.2 Was leistet der Ansatz?
ОглавлениеWas kann der skizzierte interdiskurstheoretische Zugriff nun leisten? Er erlaubt es, Identität in zwei Dimensionen zu denken, die sonst eher je separat behandelt werden, nämlich erstens derjenigen der horizontalen Wissensteilung und zweitens derjenigen der vertikalen Machtteilung. Damit gibt der Ansatz eine spezifische Antwort auf die Frage, wie in modernen Gesellschaften Identität entsteht, wobei er es erlaubt, mehrere kollektive und individuelle Identitäten zugleich anzunehmen. Damit kann er das Nebeneinander der (vielen) Assoziationen und Sozialkörper, denen ein empirisches Subjekt angehören kann, und zugleich von Friktionen zwischen ihnen denken.
Der von der Interdiskurstheorie angebotene Identitätsbegriff ist von daher ein offener, der Vielfalt zeitlich parallel und ebenso im historischen Wandel zu verorten erlaubt. Weiter liegt ein wichtiges Potenzial des Ansatzes darin, einen integrierenden Zugriff auf Texte und Dokumente ganz verschiedener Provenienz zu ermöglichen. Kunstliterarische Texte, Alltagsrede, politische Verlautbarungen, Selbst- und Fremdzuschreibungen im Rahmen von Nationen-, Regionen- und Europabildern, historisches und aktuelles Material werden über die Analyse der verwendeten Interdiskurselemente aufeinander beziehbar und damit ein Stück weit auch die verschiedenen Prozesse der Identitätskonstruktion.