Читать книгу Analytische Religionsphilosophie - Группа авторов - Страница 13
Die mittlere Phase: Angriff und Verteidigung des Theismus
ОглавлениеIrgendwann in den späten 1960er Jahren starb die Behauptung, dass die Gottesrede ohne kognitiven Gehalt sei, eines stillen Todes. Es gab keine schnelle, entscheidende Widerlegung dieser Behauptung. Aber viele ihrer Argumente waren beantwortet, so dass sie an Überzeugungskraft verlor. Das philosophische Establishment nahm den wiedergewonnenen kognitiven Anspruch der Theologie mit wenig Enthusiasmus auf. Viele Kritiker wechselten, ohne erkennbares Unbehagen, von ihrer ursprünglichen Kritik, die religiösen Behauptungen über Gott seien sinnlos, zu der damit logisch unvereinbaren Behauptung, solche Behauptungen seien falsch. (Die Leichtigkeit, mit der dieser Übergang vollzogen wurde, könnte die Frage aufwerfen, ob die früheren Behauptungen der Unverständlichkeit wirklich ganz aufrichtig waren.) Die gegen den Theismus erhobenen Einwände brachten eine Menge von Problemen auf die Tagesordnung, die in den folgenden Jahrzehnten abgearbeitet wurden. Die Theisten mussten die wichtigsten Gottesattribute so streng wie möglich definieren und diese Definitionen als logisch kohärent verteidigen. Das Problem des Übels stellte sich als der bei weitem wichtigste Einwand gegen den Gottesglauben heraus und hat intensive Untersuchungen erforderlich gemacht. Die Argumente für die Existenz Gottes, die zu Beginn dieser Phase als abgeschrieben galten, sind wieder auf ein anhaltendes Interesse gestoßen und haben nicht wenige Verteidiger gefunden. Dahinter verbargen sich erkenntnistheoretische Fragen nach der angemessenen Form der Rechtfertigung und ob sie für religiöse Überzeugungen möglich sei – also das traditionelle Problem von Glaube und Vernunft.
Allmacht, Allwissenheit und vollkommene Güte sind die Attribute Gottes, die in der Regel als unverzichtbar für den Theismus betrachtet werden. Allmacht und Allwissenheit werden seitdem intensiv diskutiert. Auch wenn bislang noch kein vollkommener Konsens erreicht worden ist, scheinen dennoch keine unüberwindbaren Schwierigkeiten in Bezug auf beide Attribute zu bestehen. Allmacht scheint Gottes Fähigkeit zu implizieren, auf übernatürliche Weise in der Welt zu „intervenieren“, indem er Wunder wirkt. Analytische Theisten haben diese Möglichkeit gegen Hume und seine modernen Nachfolger verteidigt. Hinsichtlich der Allwissenheit besteht allgemeine Anerkennung, dass dieses Attribute beinhaltet, dass Gott alles weiß, was für ein vollkommenes Wesen zu wissen möglich ist. Es bleibt aber ein tiefgreifender Dissens, ob es logisch möglich ist, dass Gott die Handlungen der Geschöpfe, die im libertarischen (inkompatibilistischen) Sinn frei sind, im Voraus kennt. Eine Weiterführung dieser Kontroverse betrifft das göttliche „mittlere Wissen“: Kennt Gott die (libertarisch) freien Wahlmöglichkeiten wirklicher und möglicher freier Geschöpfe in Situationen, die tatsächlich nie realisiert werden? Die göttliche Güte hingegen wurde vergleichsweise vernachlässigt – eine unglückliche Auslassung, weil (unter anderen Gründen) die Konzeption der göttlichen Güte eine zentrale Rolle beim Problem des Übels spielt. Die vorherrschende Sicht scheint jedoch zu sein, dass göttliche Güte auch ohne genaue Untersuchung verstanden werden könne.
Andere traditionelle Attribute bleiben umstritten. Der Trend geht gegen die traditionelle Konzeption einer göttlich-zeitlosen Ewigkeit, wie sie Augustinus und Boethius vorgegeben haben. Analytische Philosophen tendieren zur Forderung, „dass Unergründlichkeiten [mysteries] nicht über das notwendige Maß hinaus vervielfältigt werden sollten“, und göttliche Zeitlosigkeit scheint vielen ein Geheimnis zu viel gewesen zu sein. Dennoch hat die Lehre einige kräftige Verteidiger gefunden, allen voran in Eleonore Stump und Norman Kretzmann (Stump/Kretzmann 1981; 1992) und gegenwärtig in Brian Leftow (Leftow 1989). Die Lehre von der Einfachheit Gottes [divine simplicity] ist sogar noch stärker umstritten, und viele (wenn auch nicht alle) analytische Theisten würden die These unterstützen, dass diese Lehre noch nicht die hinreichend klare Formulierung gefunden hat, um sie zustimmungsfähig zu machen. Schließlich gibt es noch die Lehre von der Notwendigkeit der Existenz Gottes – dass Gott ein notwendiges Wesen sei. Zu Anfang dominierte die Auffassung, Kant habe schlüssig bewiesen, dass Existenz kein Prädikat sei und folglich die Existenz von keinem Wesen notwendig sein könne. Die meisten analytischen Theisten verwerfen diese Position mittlerweile und gehen davon aus, dass Gottes Existenz in der Tat logisch notwendig ist, obwohl in dieser Hinsicht keineswegs Einstimmigkeit herrscht. Im Großen und Ganzen hat es einen beträchtlichen Fortschritt bei der philosophischen Rechenschaftslegung hinsichtlich der göttlichen Attribute und der göttlichen Natur gegeben.
Aber auch nachdem das positivistische Embargo aufgehoben war, litten die theistischen Argumente unter großen Schwierigkeiten, die historisch von Hume und Kant herrührten. Ein Bann lag auf der notwendigen Existenz, der sofort das ontologische Argument entwertete und (insofern man Kant folgte) auch das kosmologische. Wohl noch wichtiger war die Lehre, die Hume und Kant gemeinsam ist, dass Verursachung beobachtbare Relationen zwischen Phänomenen erfordert. Das schließt nicht nur die Möglichkeit eines kausalen Arguments für die göttliche Existenz aus, sondern verbietet jede Möglichkeit einer kausalen Beziehung zwischen Gott und Welt, wie sie etwa in der Schöpfungslehre impliziert ist. Schließt gab es die Annahme, ein erfolgreiches theistisches Argument (für gewöhnlich „Beweis“ [proof] genannt) müsse für jede rationale Person, die es erwäge, zwingend sein. Es müsse von Prämissen, die alle kennen (oder kennen können), ausgehen und allein durch Schlüsse voranschreiten, deren Gültigkeit allen evident ist. Da so starke Argumente in philosophisch interessanten Fragen selten erreichbar sind, machte diese Annahme das Leben für die Kritiker theistischer Argumente recht leicht.
Alle diese Annahmen wurden in den vergangenen Jahren mit Nachdruck in Frage gestellt. Nachdem er zu Beginn seiner Karriere noch eine Widerlegung des Arguments aus Anselms Proslogion, Kap. II, vorgelegt hatte, entdeckte Alvin Plantinga (Plantinga 1974b) zu seinem eigenen Erstaunen ein ontologisches Argument in Anlehnung an Proslogion, Kap. III, das unzweifelhaft gültig ist. (Ähnliche Argumente wurden von Norman Malcolm [Malcolm 1960], einem Wittgensteinianer, und dem Prozessphilosophen Charles Hartshorne [Hartshorne 1962] vorgetragen.) Plantinga gesteht jedoch selbst ein, dass dieses Argument „kein erfolgreicher Beitrag zur natürlichen Theologie“ ist (Plantinga 1974b, 219), insofern seine Prämisse – dass göttliche notwendige Existenz logisch möglich ist – selbst zur Debatte steht und nicht von zwingenden Argumenten gestützt wird. Dennoch ist das ontologische Argument wieder im Spiel, was im Blick auf die Lage vor einigen Jahrzehnten eine höchst unerwartete Entwicklung ist.
Der Bann, den Hume und Kant auf Verursachung durch Unbeobachtbares gelegt hatten, schränkt den theologischen Diskurs nicht nur sehr ein, er schließt auch die Postulierung von unbeobachtbaren Ursachen in den Naturwissenschaften aus und wirft seinen Schatten (wie bereits Hume und Kant selbst bemerkt haben) auch auf den Realismus hinsichtlich physischer Objekte. Sobald Humes und Kants Argumente überwunden waren (was hier nicht dargestellt werden kann), wurde eine Neubewertung des kosmologischen Arguments möglich. Ein beeindruckender Beitrag dazu kam von William Rowe in The Cosmological Argument (Rowe 1998, erstmals erschienen 1975), einer Studie zu Samuel Clarkes Version des Arguments, die auf dem Satz vom zureichenden Grund aufbaut. Rowe ist kein Theist und übernimmt das Argument nicht ganz für sich. Aber er geht davon aus, dass „dieses alte Argument für die Existenz Gottes besser sei, als die meisten modernen Philosophen glauben“ (Rowe 1998, xi). Eine Version des Arguments, das sich nicht auf den Satz vom zureichenden Grund beruft, findet sich bei Richard Swinburne in The Existence of God (Swinburne 1979). Swinburnes These lautet, die Existenz eines komplexen physikalischen Universums könne eher begriffen werden, wenn angenommen wird, dass es von Gott geschaffen wurde, als wenn man davon ausgeht, dass es eine unerklärte bloße Tatsache [brute fact] ist. William Lane Craig (Craig 1979) macht sich für das kalam-kosmologische Argument stark, das sowohl aus logischen als auch wissenschaftlichen Gründen behauptet, das Universum könne nicht ewig existiert haben, sondern verweise auf einen intelligenten personalen Grund als Quelle für seine Entstehung.
Das Design-Argument stand lange Zeit im Hintergrund, nicht nur wegen der rhetorisch meisterhaften Kritik Humes, sondern auch weil Darwins Evolutionstheorie die populärste Version des Arguments, die sich auf die Angepasstheit der Lebewesen stützt, untergaben hatte. Humes Einwände wurden immer wieder herausgefordert; aber die Aufgabe, Darwin zu widerlegen als Voraussetzung für die Konstruktion eines Argument aus dem Design der Welt, fand zunächst wenig Anklang bei Philosophen. Richard Swinburne (Swinburne 1979) hat dennoch eine Version vorgetragen, die sich auf die Existenz natürlicher Regelmäßigkeiten stützt, weil diese leichter durch die Operation einer intelligenten Ursache erklärt werden können, als wenn sie als bloße Tatsache akzeptiert werden. John Leslie (Leslie 1989) hat in neuerer Zeit zusammen mit anderen ein Design-Argument ausgearbeitet, das von der Feinabstimmung der fundamentalen physikalischen Konstanten im Universum ausgeht. Die Werte dieser Konstanten werden als erklärungsbedürftig aufgefasst, weil in unserem Kosmos Leben unmöglich wäre, wenn sie auch nur leicht anders wären – was sie durchaus sein könnten.
Welche Standards sollten diese Argumente erfüllen? Traditionell wurde die Forderung erhoben, dass sie für jede vernünftige Person überzeugend sein sollen: Die Prämissen sind Propositionen, die für jeden evident sein müssen, der den Sachverhalt untersucht, und die Folgerungen ergeben sich aus den Prämissen durch Vernunftgebrauch, dessen Gültigkeit sich für jedes kompetente, vernunftbegabte Wesen erschließt. Unglücklicherweise lässt dieser Standard faktisch kaum noch erfolgreiche Argumente im Gesamtbereich der Philosophie zu (zumindest keine, die philosophisch interessante Folgerungen aufzeigen; einige Widerlegungen mögen diesen Test bestehen). George Mavrodes (Mavrodes 1970) hat gezeigt, dass der Erfolg von Argumenten in vielen Fällen „personenrelativ“ ist: Das heißt, es gibt Argumente, die für eine Person überzeugend sind und diese Person in die Lage versetzen, die Wahrheit über einen Sachverhalt zu erkennen, aber dennoch bei anderen, ebenfalls intelligenten Personen, versagen. Das kann geschehen, weil es Unterschiede im Hintergrundwissen, in der Übung und der Erfahrung gibt, oder weil persönliche Erfahrungen jemandem nicht vollständig mitgeteilt werden können, der nicht über sie verfügt. Dazu kommt, dass Prädispositionen und Wertorientierungen für Personen die Plausibilität von Überzeugungen und Argumenten beeinflussen (Wainwright 1995), und solche Faktoren können nicht einfach durch vernünftiges Folgern verändert werden.
Dieses Ergebnis wird eine Enttäuschung für all jene sein, die noch immer an der Aufklärungsidee einer einzigen, neutralen philosophischen Vernunft hängen, die uns einen sicheren Zugang zur Wahrheit in allen wichtigen Fragen gewährt. Aber es ist vollkommen klar, dass dieses Ideal im menschlichen Leben unerreichbar ist. Durch die Anerkennung dieser Tatsache wird es möglich, philosophische Argumente, zum Beispiel für die Existenz Gottes, in Betracht zu ziehen, ohne unerreichbar hohe Erfolgsstandards zu setzen. Ein in dieser Hinsicht interessanter Standpunkt wurde von Richard Swinburne verteidigt. Swinburne akzeptiert im Prinzip die Idee einer neutralen philosophischen Vernunft. Er denkt aber nicht, dass diese Art des Vernunftgebrauchs rationale Gewissheit hervorbringt, sondern nur einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit für diese oder jene Proposition. Die intrinsische Wahrscheinlichkeit einer Proposition ist eine a priori Angelegenheit, die in erster Linie von der Einfachheit abhängt. Diese Wahrscheinlichkeit wird dann im Licht der Gründe und nach den Prinzipien des Wahrscheinlichkeitskalküls modifiziert. In The Existence of God (Swinburne 1979) benutzt Swinburne diesen Rahmen, um ein kumulatives Argument zu konstruieren. Er kommt zu dem Ergebnis, dass auf der Grundlage der von ihm herangezogenen Belege (die er aus zusammengefassten Versionen aller traditionellen theistischen Argumente gewinnt) die Existenz Gottes wahrscheinlicher ist als seine Nichtexistenz.
Von diesem Ansatz setzt sich deutlich die Position der „Reformierten Erkenntnistheorie“ ab, die von Alvin Plantinga und Nicholas Wolterstorff (Plantinga/Wolterstorff 1983) in den 1980er Jahren entwickelt wurde.1 Die zentrale These der Reformierten Erkenntnistheorie besteht in der Annahme, dass die Überzeugung der Existenz Gottes (wohl zusammen mit einigen anderen grundlegenden religiösen Überzeugungen) „berechtigterweise basal“ [properly basic] ist. Es handelt sich dabei um eine Überzeugung, deren Akzeptanz auch dann gerechtfertigt ist, wenn man sie nicht auf andere Überzeugungen stützen kann. Diese Forderung ist natürlich höchst kontrovers. Bei ihrer Verteidigung durch die Reformierten Erkenntnistheoretiker lassen sich zwei Phasen unterscheiden, eine „externe“ Phase, bei der andere Philosophen unabhängig von ihren eigenen Überzeugungen angesprochen werden, und eine „interne“ Phase, die sich besonders an andere christliche Denker richtet. Die externe Verteidigung befasst sich vor allem mit dem von Wolterstorff so genannten „perspektivischen Partikularismus“2 (Wolterstorff 1996, 19; 2000, 154f.). Der Grundgedanke des perspektivischen Partikularismus besteht in der Anerkennung der irreduziblen Vielfalt grundlegender Perspektiven auf die Wirklichkeit, wobei jede einzelne Person eine solche Perspektive unter dem Einfluss von ihren vorphilosophischen Überzeugungen und Festlegungen akzeptiert. Außerdem ist es allgemein nicht möglich, durch neutrale philosophische Argumente zu zeigen, dass eine von diesen Perspektiven richtig ist und alle anderen irrig sind. Wird dies beachtet, ist es vollkommen angemessen und in keiner Wiese irrational für eine Person, auf der Basis ihrer eigenen Perspektive zu philosophieren, selbst wenn sie die Richtigkeit dieser Perspektive nicht auf eine Weise demonstrieren kann, die andere überzeugt. Im Besonderen ist die christliche Philosophin zu ihrer Perspektive und ihrer „Menge an Beispielen“ (in Plantingas Terminologie) berechtigt, durch die sie die Kriterien für Überzeugungen festlegt, die berechtigterweise basal sind.
Soweit zur externen Verteidigung der Forderung, dass der Glaube an Gott berechtigterweise basal sein kann. Die interne Verteidigung geht darüber hinaus, insofern sie eine Erklärung für die Frage bietet, warum jemand in seinem Glauben an Gott gerechtfertigt sein kann, selbst wenn Gründe für diese Überzeugung fehlen. Die Antwort darauf ergibt sich durch die Behauptung, dass Gott in jedes menschliche Wesen eine natürliche Neigung eingepflanzt habe, einen solchen Glauben unter angemessenen Umständen zu formen (Calvin bezeichnete diese Neigung als sensus divinitatis). Solche Umstände können sein, dass man vom Wunder der Natur beeindruckt ist und sie unmittelbar als Gottes Schöpfung erkennt, oder dass man in der Bibel liest und sich durch den Text von Gott angesprochen fühlt. Im Hinblick auf diese von Gott eingepflanzte Disposition ist man unter den angemessenen Umständen gerechtfertigt in seinem Glauben an Gott, ähnlich wie ein Mensch, der ein Pferd sieht, gerechtfertigt ist zu glauben, dass ein Pferd in der Nähe ist. Sicherlich kann man nicht von Nicht-Theisten erwarten, dass sie diese Annahme, Gott habe uns einen sensus divinitatis eingepflanzt, akzeptieren. Sie können jedoch zur Anerkennung gelangen, dass der Glaube an diesen sensus ein berechtigter, integraler Teil des christlichen Weltbilds (oder zumindest von einigen christlichen Weltbildern) ist. Und indem sie dies anerkennen, können sie auch zu dem Zugeständnis gebracht werden, dass die an Gott glaubende Person in grundlegender Weise keine epistemischen Pflichten verletzt, wenn sie dies tut.
Das Problem des Übels ist nicht der einzige Einwand gegen den Theismus in der gegenwärtigen Philosophie, aber er hat sich als der bei weitem bedeutendste erwiesen. Die Diskussion zu diesem Problem hat zwei unterschiedliche Phasen durchlaufen: In der früheren Periode, für die John Leslie Mackies Evil and Omnipotence (Mackie 1955) steht, war die Behauptung üblich, dass die Existenz des Übels logisch unvereinbar sei mit der Existenz Gottes. Daher rührt die Bezeichnung logisches Problem des Übels. Mackie zufolge erzeugen folgende Propositionen einen logischen Widerspruch:
(1) Gott ist allmächtig.
(2) Gott ist vollkommen gut.
(3) Es gibt Übel.
Für Mackie zeigt dieser Widerspruch, „dass religiösen Überzeugungen nicht [bloß] rationale Untermauerung fehlt, sondern auch, dass sie ohne Zweifel irrational sind, insofern einige der zentralen theologischen Lehrsätze logisch unvereinbar mit anderen sind“ (Mackie 1955, 200).
Die klassische Entgegnung auf Mackies Argumentation lieferte dann Alvin Plantingas „Verteidigung des freien Willens“ [free will defense] (Plantinga 1974b). Plantingas Strategie zeigt, dass die Propositionen (1) bis (3) logisch miteinander vereinbar sind, indem er eine vierte Proposition hinzufügt, die vereinbar ist mit (1) und (2) und die, wenn sie mit ihnen verbunden wird, (3) als logische Folgerung hat. (Plantinga bezieht sich dabei auf ein Theorem der Modallogik: Die Proposition, die Plantinga dabei entwickelt hat, sieht so aus:3
(4) Gott verwirklicht eine Welt, in der es moralisches Gutes gibt, und es lag nicht in Gottes Macht, eine Welt zu verwirklichen, in der es moralisches Gutes, aber kein moralisches Übel gibt.
Davon ausgehend, ergibt sich in der Tat zusammen mit (1) und (2):
(3) Es gibt Übel.
Die entscheidende Behauptung dabei lautet, es sei möglich, dass es nicht in Gottes Macht gelegen hat, eine Welt mit moralischem Guten, aber ohne moralisches Übel zu verwirklichen. Die Idee dahinter ist, dass moralisch Gutes (was als eine besonders wertvolle und wichtige Art des Guten aufgefasst werden muss) nur für Geschöpfe mit einem libertarisch freien Willen möglich ist. Und wenn Gott solche Geschöpfe schafft, ist es das Geschöpf selbst und nicht Gott, das bestimmt, ob es Böses oder Gutes tut. Von daher ist möglich – gleich, welche Geschöpfe dieser Art Gott zu schaffen sich entschieden hat –, dass zumindest einiges moralische Übel dabei entstehen würde. Ein allmächtiger Gott kann Macht ausüben über all das, worüber er sich entschieden hat, Macht auszuüben; aber selbst er kann nicht gleichzeitig Macht ausüben und es unterlassen, Macht auszuüben.
Wie man erwarten kann, hat Plantingas Argument zu einer langen und intensiven Debatte geführt. Als Fazit dieser Debatte kann man festhalten, dass es nun weithin sowohl von Atheisten als auch Theisten anerkannt wird, dass Plantingas Entgegnung erfolgreich ist und die Existenz von Übel als solchem nicht logisch unvereinbar ist mit dem Theismus. Trotzdem ist es wichtig, die Grenzen von Plantingas Erfolg zu erkennen. In keiner Weise hat er durch sein Argument gezeigt (er hat allerdings auch nicht behauptet, es gezeigt zu haben), dass das Übel in der Welt einen Einwand gegen den Gottesglauben nicht unterstützen kann. Auch behauptet er nicht, mit seinem Argument die Existenz des Übels, das wir in der Welt sehen, erklärt zu haben. Sein Argument ist eine reine Verteidigung [defense], die zeigt, dass eine bestimmte Deutung des Problems des Übels nicht erfolgreich ist; es ist keine Theodizee [theodicy], die Gott rechtfertigen würde, indem sie zeigte, dass er tatsächlich gute Gründe gehabt habe, das Übel zuzulassen. Es ist besonders wichtig festzuhalten, dass Plantingas Verteidigung nicht davon abhängt, dass wir annehmen, (4) sei wahr, oder etwa, dass dies etwas ist, was wir auf der Grundlage unserer Gründe vernünftigerweise glauben sollten. Alles, was Plantinga braucht, ist zu zeigen, dass (4) logisch möglich ist, und dass es vereinbar mit (1) und (2) ist. Wenn das zutrifft, hat Mackies logisches Problem des Übels keinen Erfolg.
Nach dem Scheitern des logischen Problems hat die Diskussion um das Problem des Übels eine neue Wendung genommen. Zumeist ist es nicht das Übel als solches, sondern grundloses Übel – also Übel, das keinen Anlass bietet für ein größeres, es ausgleichendes [outweighing] Gut –, das als unvereinbar mit dem Theismus gilt. Es wird argumentiert, dass unsere Erfahrung klare Anzeichen für die Existenz eines solchen grundlosen Übels liefere und dass deshalb Gott nicht existiere. Eine klassische Formulierung dieses „evidentiellen Problems des Übels“ [evidential problem of evil] stammt von William Rowe:
(1) Es gibt Fälle von starkem Leiden, die ein allmächtiges und allwissendes Wesen hätte verhindern können, ohne dabei ein (dem gegenüber) größeres Gut eingebüßt oder ein gleich großes oder schlimmeres Übel zugelassen zu haben.
(2) Ein allwissendes, vollkommen gutes Wesen würde das Vorkommen jedes starken Leidens verhindern, das es verhindern kann, es sei denn, es kann dies nicht, ohne ein größeres Gut einzubüßen oder ein gleich großes oder schlimmeres Übel zuzulassen. Deshalb:
(3) Es gibt kein allmächtiges, allwissendes und vollkommen gutes Wesen (Howard-Snyder 1996, 2).
Das Argument ist zweifellos gültig. Die zu bedenkende Frage ist deshalb, ob wir gute Gründe haben, die Prämissen zu akzeptieren. Der größte Teil der Diskussion richtete sich auf Prämisse (1). Der Theist dürfte diese Prämisse vermutlich zurückweisen; aber welche Möglichkeiten hat er, dies vernünftigerweise zu tun? Eine Möglichkeit ist, (1) mit der Begründung zurückzuweisen, dass Gott tatsächlich existiert und dass, da er existiert, (1) nicht wahr sein kann. Jemand, der dieser Auffassung ist, würde behaupten, selbst wenn Erfahrung darauf hinweist, dass (1) wahr ist, so bedeutet doch die Tatsache, dass Gott existiert, dass uns unsere Erfahrung in dieser Hinsicht in die Irre führt und dass es tatsächlich ein größeres Gut gibt, das aus jedem von Gott zugelassenen Vorfall von Übel resultiert.
Diese Erwiderung hat freilich ihren Preis. Wenn man dieser Auffassung folgt, zählt das Gewicht unserer Erfahrung, die auf die Existenz von grundlosem Übel hinweist, gegen die Existenz Gottes und muss abgezogen werden von dem Grad an rationaler Bekräftigung, die man für seinen Glauben an Gott aus anderen Quellen bezieht. Falls diese Bekräftigung stark genug ist, dürfte sie die entgegengesetzte Evidenz des Übels nicht ernsthaft in Gefahr bringen. Aber falls die Bekräftigung für den Glauben an Gott schwächer ist, dürfte sie überwältigt werden durch die Evidenz des Übels. Das führte zu einem Glauben, der, wenn überhaupt dauerhaft, so doch nicht länger vernünftig ist.
Die Erwiderung der traditionellen Theodizee lautet, (1) sei falsch, da es sehr wahrscheinlich wirklich ausgleichende Güter für all das existierende Übel gebe. Selbstverständlich könne niemand vernünftigerweise die Fähigkeit reklamieren, das ausgleichende Gut in jedem Fall genau zu bestimmen. Aber wir könnten genügend Arten des allgemeinen Guten sehen, das sich aus Gottes Zulassung verschiedener Formen des Übels ergibt. Daraus werde ersichtlich, dass unsere Unfähigkeit zur Erkenntnis dieser guten Folgen in einigen bestimmten Fällen bloß das Ergebnis unseres begrenzten Wissens ist. Es ist kaum überraschend, dass sich diese Art von Theodizee nicht zu einer gefragten Betätigung im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Angesichts der beiden Weltkriege, zahlloser kleinerer Kriege und anderer Katastrophen, und – nicht weniger bedeutsam – unseres deutlich größeren Bewusstseins von Unglück und menschlichem Leiden auf der ganzen Erde, ist der Optimismus von einem Leibniz’schen Typ der Theodizee weder glaubhaft noch besonders anziehend.
Die vielleicht bekannteste Erwiderung in den letzten beiden Jahrzehnten kann man als die skeptische Lösung des Problems des Übels bezeichnen. Diese Lösung, die von Stephen Wykstra (Wykstra 1984) vorangebracht worden ist, räumt ein, dass wir unfähig seien, eine glaubhafte Theodizee, wie sie oben diskutiert wurde, zu entwickeln. Trotzdem bestreitet diese Lösung, dass die uns begegnenden Übel, für die wir keine rechtfertigenden Gründe erkennen können, einen unmittelbaren Nachweis dafür vermitteln, dass es sich wirklich um grundloses Übel handelt. Der Grund dafür, dass sie das nicht tun, liege darin, dass wir in Bezug auf unsere Erkenntnis einfach nicht in der Lage seien, solche ausgleichenden Güter zu entdecken, wenn sie existieren. Deshalb könne man aus unserem Scheitern, sie zu entdecken, keinen Grund für die Annahme ableiten, dass diese Güter gar nicht existieren. Unser Eindruck, es gebe ungerechtfertigtes Übel, komme daher, dass wir daran scheitern, unsere deutlichen Erkenntnisgrenzen in dieser Angelegenheit anzuerkennen.
Diese Verteidigungslinie wurde wirkmächtig von Richard Swinburne kritisiert (Swinburne 1998, 25-29). Swinburne bestreitet nicht, dass wir Erkenntnisgrenzen erfahren, die sowohl unsere Fähigkeit betreffen, kausale Zusammenhänge zwischen verschiedenen Situationen und Sachverhalten ausfindig zu machen, als auch unsere Fähigkeit, Güter und Übel, die geschehen, zu erkennen und angemessen abzuwägen. Jedoch macht die skeptische Lösung (für Swinburne) eine weitere, völlig unberechtigte Annahme. Sie nimmt an, dass diese Erkenntnisgrenzen unser Urteilen in nur einer Richtung beeinflussen: dass wir darin scheitern, die Güter, die sich aus bestimmten Übeln ergeben, genau erkennen und angemessen abwägen zu können. Aber warum sollte man dies annehmen? Warum könnte es nicht sein, dass unsere Erkenntnisgrenzen uns dahin führen, einige der Übel in der Welt zu übersehen oder für gering zu erachten, und die Wahrscheinlichkeit, dass Gutes aus Übel resultiert, zu überschätzen? (Einige traditionelle Entwürfe der Theodizee haben sich wohl genau dieser Fehleinschätzung schuldig gemacht.) Es gibt keine Grundlage in der Vernunft oder Erfahrung für die Annahme, dass unsere Erkenntnisgrenzen sich in nur einer Richtung auswirken – aber ohne diese Annahme bricht die skeptische Lösung in sich zusammen.4
Es bleibt aber noch eine andere Strategie, Rowes Argument zu begegnen, und zwar indem man die erste Prämisse des Arguments akzeptiert, aber die zweite verwirft (Peterson 1982; Hasker 1992). Sie schließt die Zustimmung dazu ein, dass die Güte Gottes vereinbar ist mit der Existenz grundlosen Übels – Übel, das Gott verhindern könnte, ohne ein größeres Gut zu verlieren oder ein gleich großes oder schlimmeres Übel zuzulassen. Ein möglicher Ansatz, um dies verständlich zu machen, wäre zu fragen, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn Gott tatsächlich jedes grundlose Übel verhinderte. Wenn wir wüssten, dass dies der Fall ist, würden wir auch wissen, dass jedes Übel, das wir selbst nicht verhindern können, als Vorkommnis von Gott nur dann zugelassen wird, wenn es die notwendige Bedingung für ein größeres Gut ist, das nicht hätte verwirklicht werden können, ohne das in Frage stehende Übel zuzulassen. Dies zu wissen, würde jedoch wohl unsere eigene Motivation und Verantwortungsbereitschaft, schlimmes Übel zu verhindern, ernsthaft untergraben. Insofern kann man stattdessen vernünftigerweise davon ausgehen, dass Gott eine Welt schafft, die eine große Anzahl verschiedener Formen sowohl des Guten als auch des Übels möglich macht und die es zu einem sehr großen Maße uns überlässt, verantwortlich zu sein, bestimmte Fälle von Übel zu verhindern oder zu mildern. Das „größere Gut“, aufgrund dessen Übel zugelassen wird, würde man dann nicht (oder nicht immer) in bestimmten Gütern als Folge bestimmter Fälle von Übel finden, sondern vielmehr in der „übergreifenden Struktur der Weltordnung und der Werte, die allgemein daraus hervorgehen können“ (Peterson u.a. 1998, 141). Dies wiederum eröffnet den Weg zu einem bescheideneren Typ von Theodizee. Eine solche Theodizee behauptet nicht, dass „jedes Übel zu einem größeren Gut führt“, sondern vielmehr, dass die Beschaffenheit und Struktur der Welt als ganze viele und große Güter möglich macht, und dass das Übel in der Welt, wie tragisch es auch immer sein mag, die Güte von Gottes Schöpfung als ganzer nicht widerlegt. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Ansatz ist John Hicks „Theodizee der Seelenbildung“ [soul-making theodicy] (Hick 1978), aber es gibt auch andere Beispiele. In dieser Hinsicht bleibt noch einige Arbeit zu tun.5