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In Richtung Reifestadium: Vielfältige Herausforderungen
ОглавлениеAlle im vorigen Abschnitt angeführten Themen werden weiterhin intensiv diskutiert. Allerdings hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten eine beachtliche Erweiterung des Diskussionsfeldes der analytischen Religionsphilosophie ergeben, in der zahlreiche neue oder vorher kaum untersuchte Themen als wichtige Forschungsgegenstände entdeckt wurden. Diese Themen umfassen die philosophische Erforschung bestimmter religiöser Lehren (vor allem des Christentums), Theorien über göttliche Gebote in der Ethik [divine command theories of ethics], das Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft, die philosophische Analyse nicht-westlicher Religionen, das Problem des religiösen Pluralismus, religiöser Realismus und Antirealismus, die Bedeutung des religiösen Glaubens für die Erkenntnistheorie, und andere. Es ist hier nicht möglich, alle diese Themen auch nur kurz zu diskutieren, und so beschränkt sich dieser Abschnitt auf zwei Hauptthemen. Zuerst werden wir uns einen Überblick verschaffen über jüngste Arbeiten zur Lehre von der göttlichen Vorsehung. Danach werde ich ein Thema vorstellen, das bislang noch kein vorrangiger Gegenstand der Untersuchungen gewesen ist, aber meines Erachtens in näherer Zukunft werden müsste: die Bestimmung der notwendigen Wahrheit.
Dass Gott durch die fürsorgliche Macht der Vorsehung das irdische Geschehen beeinflusst und leitet, ist ein allgemein bekannter Lehrsatz der monotheistischen Religionen. Nach dem Talmud zum Beispiel „pflegt und nährt der Heilige sowohl die Hörner der wilden Ochsen als auch die Eizellen der Läuse“ (Shabbat 107b), und „er ist damit beschäftigt, Rangfolgen zu entwerfen, indem er den einen niederwirft und den anderen emporhebt“ (Genesis Rabbah 68,4). Die aktuellen philosophischen Diskussionen über die Lehre der Vorsehung werden im christlichen Kontext ausgetragen, sind aber prinzipiell auch übertragbar auf das Judentum und den Islam.
Von einem philosophischen Standpunkt aus sind die göttliche Macht, das Wissen Gottes und der menschliche freie Wille die entscheidenden Bezugsgrößen für die Lehre der Vorsehung. Unter den vorrangigen Auffassungen zu diesem Thema ist jedoch nicht das Wesen und Ausmaß der göttlichen Macht fraglich: diese Auffassungen kommen darin überein, dass die Ausübung von Gottes Macht nur durch das eingeschränkt wird, was für ihn logisch möglich und was für ihn, angesichts seiner wesenhaften moralischen Vollkommenheit, „moralisch“ möglich ist. Die einzige Ausnahme zu dieser Sichtweise bietet die Prozesstheologie, die auf das Denken von A.N. Whitehead zurückgeht (Griffin 1976). Sie geht davon aus, dass Gottes Macht „immer überredend, niemals zwingend“ ist. Demnach „lockt“ Gott endliche Wesen in diejenige Richtung, in der sie am besten ihre Vermögen verwirklichen. Aber nachdem er dies getan hat, hat Gott keinerlei Macht mehr über die von den Geschöpfen gemachten Entscheidungen. Man hat oft betont, dass dieser Ansatz weniger mit dem Problem des Übels belastet sei als der traditionelle Theismus; diese Ansicht wurde jedoch jüngst angefochten (Hasker 2000). Klar ist jedoch, dass in der Prozesstheologie der Grad an göttlicher Macht bei weitem geringer ist, als er von monotheistischen Glaubenssystemen vorausgesetzt zu werden scheint, zumindest in deren traditionellen Varianten. Mit wenigen Ausnahmen neigen analytische Religionsphilosophen dazu, die Prozesstheologie zu meiden. Selbst die Atheisten darunter glauben üblicherweise eher nicht an den Gott des traditionellen Theismus als an die prozesstheologische Gottheit!
Der vielleicht wichtigste Unterschied innerhalb der Theorien über die Vorsehung ergibt sich dadurch, ob ein in libertarischem Sinne freier Wille bei den Menschen vorausgesetzt wird oder nicht. Theisten, die für einen Kompatibilismus plädieren (also für die Auffassung, dass freier Wille und moralische Verantwortlichkeit mit kausaler Determination vereinbar sind), werden theologische Deterministen genannt. Diese Auffassung wird historisch mit Augustinus, Calvin, Luther und möglicherweise Thomas von Aquin in Verbindung gebracht (vgl. dazu die neuere Darlegung in Helm 1994). Dieser Sichtweise zufolge bestimmt [determines] Gott allein in uneingeschränkter Weise jedes einzelne Ereignis, das geschieht. In Bezug auf sein unfehlbares Vorauswissen ist Gott fähig, mit Gewissheit alles genau zu wissen, was geschehen wird. Dieser Ansatz hat jedoch beträchtliche Schwierigkeiten mit dem Problem des Übels; in der Tat sieht es demnach so aus, als ob keine rational verstehbare Erklärung für das Übel, besonders für das moralische Übel, möglich ist. (Calvinisten selbst betonen häufig, dass das Verhältnis zwischen Gott und dem Übel ein unzugängliches Geheimnis sei.) Wie soll man verstehen, dass Gott zunächst die Existenz moralischen Übels angeordnet hat, und es hinsichtlich seiner freien Entscheidung dann übernommen hat, [unter den Menschen] eine Haltung äußerster, unerbittlicher Feindseligkeit herbeizuführen?
Falls Theisten einen libertarisch-freien Willen annehmen, entsteht die Frage, ob und wie es für Gott möglich ist, nicht determinierte Ereignisse wirklich zu kennen, bevor sie stattfinden (vgl. Hasker 1989; Fischer 1989). Besonders wichtig ist die Lehre von Gottes „mittlerem Wissen“, die wegen des im 17. Jahrhundert lebenden jesuitischen Theologen Luis de Molina als „Molinismus“ bezeichnet wird (Molina 1988). Demnach kennt Gott nicht nur die realen [actual] freien Entscheidungen der Geschöpfe, sondern auch die Entscheidungen, die reale und mögliche freie Geschöpfe unter Umständen, die nie eintreten, treffen würden. (Diese Wahrheiten werden gewöhnlich als „kontrafaktische Konditionale der Freiheit“ [counterfactuals of freedom] bezeichnet.) Gegner des Molinismus behaupten, dass es solche Wahrheiten nicht gibt, da man sie nicht kennen kann. Wahrheiten über zukünftige Entscheidungen beziehen sich auf den realen Akt solcher Entscheidungen; aber im Falle von Entscheidungen, die nie gemacht werden, gibt es nichts in der Wirklichkeit, was die Wahrheit von Behauptungen über freie Entscheidungen, die getroffen werden könnten, „erden“ [ground] würde. Die Diskussionen darüber werden inzwischen intensiv geführt und sind auch überaus technisch geworden (Flint 1998; Hasker u.a. 2000).
Wenn Gottes mittleres Wissen vorausgesetzt wird, ermöglicht es eine äußerst starke Konzeption von Vorsehung – vielleicht die stärkste Konzeption, die außer einem völligen theologischen Determinismus verfügbar ist. Indem er sein mittleres Wissen konsultiert, kennt Gott genau die Auswirkungen, die sich durch jede seiner Entscheidungen bezüglich seines schöpferischen Handelns ergeben würden. Insofern ist Gott fähig, die beste aller verfügbaren Optionen auszuwählen und die Auswirkung davon mit absoluter Gewissheit zu kennen; jede Not einer göttlichen Risiko-Entscheidung wäre damit ausgeschaltet. Allerdings dürften diese konzeptionellen Vorteile einen Preis haben: Es wurde argumentiert, dass Gott in einem solchen Szenario eher ein Manipulator der Menschen wäre als jemand, der sich aufrichtig um ein persönliches Verhältnis mit ihnen bemühte. Hinzu kommt, dass diesem Konzept zufolge Gott wohl jeden einzelnen Fall von Übel, das geschieht, plant und beabsichtigt, was zu einem Problem in Bezug auf das Übel führt, das nur noch von dem des theologischen Determinismus übertroffen wird.
Übrig bleibt eine Konzeption der Vorsehung, die unterschiedlich „Theismus des freien Willens“ [free will theism], „Offener Theismus“ [open theism] oder die „Offenheit von Gott“ [openness of God] genannt wird (vgl. Sanders 1998). Eine maßgebliche und äußerst umstrittene These dieser Konzeption lautet, es sei für Gott logisch nicht möglich, die zukünftigen Entscheidungen, die freie Lebewesen machen werden, mit Gewissheit zu kennen. Das sollte nicht als eine Bestreitung von Allwissenheit gesehen werden; genauso wenig wie man Gottes Allmacht bestreitet, wenn man sagt, Gott könne nichts tun, was logisch unmöglich ist. Es ist einigermaßen überraschend, aber die Behauptung, dass Gott kein umfassendes Wissen über die Zukunft besitzt, hat keinerlei Auswirkungen darauf, wie wir Gottes lenkende Vorsehung der Welt verstehen. Das hat seinen Grund darin, dass – ohne die Voraussetzung von mittlerem Wissen – Gottes Wissen der realen zukünftigen Welt überhaupt nichts zu Gottes Fähigkeit, die Welt zu lenken, über das hinaus hinzufügen würde, was Gott nicht schon mit einem umfassenden Wissen über Vergangenheit und Gegenwart bewerkstelligen könnte (zu diesem Argument vgl. Hasker 1989, 53-63; Sanders 1998, 200-206). Dies gilt zudem auch für das Wissen über die Zukunft, das ein zeitloser Gott besitzen könnte.
Die zwei kennzeichnendsten Motive für den Offenen Theismus sind erstens die Behauptung, dass Gott wirklich und persönlich in einer Wechselbeziehung mit freien Menschen steht, und zweitens die Annahme, dass Gott, indem er die Welt lenkt, ein Wagnis eingeht. Indem er sich entscheidet, freie menschliche Wesen zu schaffen und ihre Freiheit zu respektieren, muss Gott für jede reale Möglichkeit in Betracht ziehen, dass diese Wesen ihre eigenen Entscheidungen in Widerspruch gegen seinen liebenden und gnadenvollen Willen treffen. Da Gott über keine vollständige Blaupause der Zukunft verfügt, kann man die göttliche Lenkung der Welt in Teilen eher in der Weise eines allgemeinen Programms oder einer Strategie [general policies or strategies] sehen als in einer göttlichen Anweisung für jedes einzelne Ereignis, das geschieht. (Insofern stimmt der Offene Theismus in hohem Maße mit der letzten oben angeführten Erwiderung auf das Problem des grundlosen Übels überein.) Gottes Allmacht wird nicht dadurch erkennbar, dass er einseitig bestimmt, wie die Dinge sein sollen, sondern indem er mit seinen Geschöpfen zusammenwirkt, um die beste mögliche Zukunft herbeizuführen. Molinisten und Calvinisten dagegen behaupten, dass der Offene Theismus Gottes souveräne Macht über die Ereignisse in der Welt in unannehmbarer Weise gefährdet.
Das Thema der notwendigen Wahrheit ist nicht unberücksichtigt geblieben in der analytischen Religionsphilosophie. Die Entwicklungen in der Modallogik in den 1970er Jahren wurden von analytischen Theisten aufgegriffen und in Diskussionen etwa über die zur Natur gehörenden Attribute und die Notwendigkeit seiner Existenz fruchtbar gemacht. Alvin Plantingas The Nature of Necessity (Plantinga 1974b) entwickelte einen Ansatz der Modalität und verteidigte ihn gegen den modalen Nihilismus von W.V. Quine, der erst notwendige Wahrheit auf analytische Wahrheit reduziert und dann die Idee von Analytizität untergraben hatte. In seinem Buch hat Plantinga eine Struktur modaler Begriffe – wie Essenzen ([essences], essentielle und akzidentellen Eigenschaften, mögliche Welten – entworfen, die seitdem von vielen Philosophen verwendet worden ist. Ironischerweise sagt uns Plantinga an keiner Stelle, worin das Wesen der Notwendigkeit [the nature of necessity] nun wirklich liegt; statt dessen behauptet er: „Die Unterscheidung zwischen notwendiger und kontingenter Wahrheit ist genauso leicht zu erkennen wie es schwierig ist, sie bis zur Zufriedenheit eines Skeptikers zu erklären. […] Wir müssen Beispiele geben und das Beste hoffen“ (Plantinga 1974b, 1).
Aber was, wenn wir doch wissen wollen, worin das Wesen der Notwendigkeit besteht? Richard Swinburne hat hier zwei Optionen aufgezeigt:
Logische Notwendigkeiten, so fordert der Platonist, machen es unvermeidlich, dass die Welt eher eine bestimmte Art von Ort ist, als eine andere – durch eine harte, unerbittliche Notwendigkeit, über die hinaus es keine härtere gibt. Der Gegner des Platonisten ist der logische Nominalist, der glaubt, dass die einzigen Wahrheiten, um die es geht, nomina, Namen betreffen. Es gibt, so fordert der Nominalist, kein zeitloses Reich von Aussagen und logischer Notwendigkeit; es gibt nur Tatsachen darüber, wie Menschen die Sprache gebrauchen. […] Ich argumentiere dafür, dass der Nominalist Recht hat. (Swinburne 1994, 105-106)
Auch wenn Plantinga nicht ganz deutlich ist, so ist doch erkennbar, dass er sich in seiner Argumentation zu Gunsten des Platonisten ausspricht. Eine stärkere Bekräftigung des Platonismus kommt von Robert Adams:
Viele Philosophen glauben, dass absolute Notwendigkeit „logisch“ oder „begrifflich“ sei, und zwar in der Weise, dass sie auf ein mentales oder abstraktes Reich beschränkt sei und von diesem Spielplatz der Logiker nicht entkommen könne, um die reale Welt in irgendeiner Weise zu bestimmen. […] Wenn es dagegen eine notwendige Wahrheit ist, dass Gott existiert, dann ist dies eine notwendige Wahrheit, die eine reale Existenz (nämlich die Gottes) erklärt; damit liefert sie eine höchste Erklärung jeder realen Existenz. […] Insofern also Gottes Existenz aus seiner Essenz in notwendiger Weise folgt, ist seine Essenz kein bloßes Spielzeug für Logiker, sondern eine in höchstem Maße machtvolle Ursache (Adams 1987, 213-214).
Wie Swinburne erachte ich den Platonismus (oder modalen Realismus) als unbefriedigend. Der wichtigste Grund dafür ist, dass er uns über das Wesen der Notwendigkeit im Dunkeln lässt; wir haben auf seiner Grundlage einfach keine Vorstellung davon, was eine Proposition notwendig macht oder warum die Notwendigkeit einer Proposition die Bedeutung hat, die sie allem Anschein nach haben sollte. Dass eine Essenz eine „in höchstem Maße machtvolle Ursache“ sein soll, ist zweifellos ein anregender Gedanke, aber diese Mischung von Anregendem und Unklarem ist eine fragwürdige Empfehlung für eine philosophische Theorie. Diese Unklarheit eröffnet Raum für ein ungezügeltes Vertrauen in die „modale Intuition“ [modal intuition] und für einen übertriebenen Bezug auf Gedankenexperimente, der grundsätzlich anti-empirisch ausgerichtet ist. Die Unklarheit wird nicht dadurch beseitigt, dass man mögliche Welten als einfach [primitive] bezeichnet; dies zu tun heißt bloß, die Frage zu vermeiden, was denn mögliche Welten möglich macht.
Andererseits scheint auch Swinburnes Nominalismus keine befriedigende Alternative zu sein. Wenn er sagt, dass die Gesetze der Logik „bloß Verallgemeinerungen im Bereich der Sprache“ sind (Swinburne 1994, 108), dürfte er wohl außer Stande sein, Notwendigkeit als ein Merkmal von logischer Wahrheit auszuweisen. Als dritte Option schlage ich einen modalen Konzeptualismus [modal conceptualism] vor, eine Auffassung, die, wie der Nominalismus, bestreitet, dass logische Notwendigkeit und Möglichkeit zu einer denkunabhängigen [mind-independent] Welt gehören, die sie aber auch nicht, wie der Nominalismus, zu bloßen Eigenschaften sprachlicher Ausdrücke macht. Stattdessen gehören Notwendigkeit und Möglichkeit zu Begriffen [concepts], die es dem Denken ermöglichen, die Welt und ihre Inhalte zu erfassen und zu klassifizieren. In dieser Weise als mögliche Gegenstände, als Possibilia [possibilia] verstanden, sind Begriffe notwendige Entitäten, die selbst in Welten vorkommen, in denen es keine denkenden Wesen gibt, die sie denken könnten. Logische Unmöglichkeit ist dann eine Sache des Widerspruchs in Begriffen und Propositionen; ausgehend von logischer Unmöglichkeit kann in der üblichen Weise Möglichkeit und Notwendigkeit definiert werden. Eine mögliche Welt ist eine Welt ohne Widersprüche; eine notwendige Welt ist eine Welt, deren Bestreitung implizit oder explizit selbstwidersprüchlich ist.
Die anspruchsvollste Herausforderung für den Konzeptualismus findet sich in den „synthetischen notwendigen Wahrheiten“, für die Saul Kripke eingetreten ist (Kripke 1980). Kripke überzeugte viele Philosophen, dass „Hesperus = Phosphorus“ und „Wasser ist H2O“ notwendige Wahrheiten sind, obwohl die Negation dieser Propositionen nicht widersprüchlich zu sein scheint. Die angemessene Art, mit diesen Propositionen umzugehen, hat Alan Sidelle aufgezeigt. Sidelle zufolge (Sidelle 1989, 34) liegt der Lösungsansatz für solche Situationen in „analytischen allgemeinen Prinzipien der Individuation“ [analytic general principles of individuation] in der Form:
(x) (Wenn x zur Art K gehört, und wenn p die P-Eigenschaft von x ist, dann ist es notwendig, dass x p ist).
Das Prinzip, auf chemische Arten wie Wasser angewandt, heißt:
(x) (Wenn x eine chemische Art ist, und wenn p die chemische Formel von x ist, dann ist es notwendig, dass x p ist).
Dies ist eine analytische oder begriffliche Wahrheit, weil es Teil unseres Begriffs einer chemischen Art ist, dass die chemische Formel einer Substanz bestimmend [definitive] für ihre chemische Art ist. Wenn man dies umsetzt, ergibt sich:
Wenn Wasser eine chemische Art ist, und wenn die chemische Formel von Wasser H2O ist, dann ist es notwendig, dass Wasser H2O ist.
In Verbindung mit der empirischen Kenntnis, dass die Formel für Wasser tatsächlich H2O ist, führt dies zu der erwünschten modalen Folgerung: Wasser ist notwendig H2O. Natürlich muss hier noch einige Arbeit aufgewendet werden, um diesen Ansatz eines modalen Konzeptualismus weiter zu entwickeln und seine Berechtigung zu verteidigen. Ich gehe jedoch davon aus, dass dieser Ansatz eine Erklärung für alle eindeutigen Fälle von notwendiger Wahrheit bietet, ohne dass er Rekurs nehmen müsste auf die tiefe Unklarheit und den zweifelhaften Rationalismus des modalen Realismus.
Wenn man den Ansatz des modalen Konzeptualismus akzeptiert, worin besteht dann seine Auswirkung auf die Religionsphilosophie? Es ist für jedes Feld der Philosophie stets ein Gewinn, wenn grundlegende Begriffe, die klar und gut verständlich sind, andere Begriffe, die unklar und verworren sind, ersetzen. Im Hinblick auf die Vorherrschaft von modalem und essentialistischem Argumentieren in der Religionsphilosophie, werden die Auswirkungen der vorgeschlagenen Ersetzung ganz sicher weitreichend sein. Nahezu sicher wird das ontologische Argument als nicht stichhaltig [unsound] und nicht nur als dialektisch unwirksam erkannt werden. Bei allem Respekt gegenüber Anselm: Niemandem ist bislang auch annähernd der Nachweis gelungen, dass sich mögliche Welten, in denen es keinen Gott gibt, dadurch als selbstwidersprüchlich erweisen. Einige werden die Bestreitung von logisch notwendiger Existenz sicherlich als eine Minderung der göttlichen Erhabenheit ansehen. Aber dass Gott notwendig existiert, heißt lediglich, dass Welten (unverwirklichte Sachverhalte) ohne Gott einen Widerspruch enthalten; und es ist kaum zu verstehen, wieso die Größe des Schöpfers von allen Dingen vom Vorkommen oder Fehlen eines solchen Widerspruchs abhängig sein sollte.
Der Verzicht auf die Vorstellung der logisch notwendigen Existenz Gottes sollte eine gründlichere Erforschung alternativer (nicht-logischen) Bedeutungen anregen, in denen Gottes Existenz als notwendig aufgefasst werden kann. Er sollte auch die Untersuchung von Versionen des kosmologischen Arguments vorantreiben, die nicht von der Idee einer logisch notwendigen Existenz Gottes abhängen. Die Lehre von der Einfachheit Gottes, die ohnedies auf schwankendem Grund steht, wird nicht fähig sein, den Verzicht auf die logisch notwendige göttliche Existenz zu überleben; denn was Gott ist und dass Gott ist wird sich schließlich als je eigenständige Tatsache herausstellen. Und das Verschwinden der Vorstellung der Einfachheit Gottes wird das abschaffen, was in den Augen der meisten Befürworter als Bollwerk für die Zeitlosigkeit Gottes fungiert. Im Ganzen dürfte sich die Anerkennung, dass Gottes Existenz logisch kontingent ist, als sehr vorteilhaft für die Vorstellung von Gott im Rahmen des – oben diskutierten – Offenen Theismus bzw. Theismus des freien Willens erweisen. Der Einsatz, den man in dieser Frage nach dem Wesen der Notwendigkeit wagen muss, ist nicht gering.