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Goebbels: Propaganda als Waffengattung und Wesensmerkmal der NS-Bewegung
ОглавлениеHitler bildete mit seinem Chefagitator Goebbels eine Doppelspitze in Sachen Propaganda. Ihre Texte – ergänzt durch Verlautbarungen anderer Experten der bei NS-Einsätzen wie Heuschrecken das Land überziehenden Propagandisten – vermitteln eine Theorie der Propaganda. Nach Goebbels gehörte zu den Banalitäten der auch als Kunst geltenden Propaganda, dass diese sich einer Holzhammermethode mit virtuos differierenden Schlägen bedienen sollte; weichzuklopfen waren Freund und Feind, herauskommen sollten willige Handlanger oder untätige Zuschauer. Als eigentlich geniale und schöpferische Arbeit sah er es an zu verhindern, dass die Pausen zwischen den Aktionen zu wirklichen Ruhephasen wurden und das Volk zur behäbigen Wohlstandsgesellschaft mutierte. Durch rückwärts gerichteten Triumph und vorwärtsorientierten Hass wurde die Kriegführung der Nationalsozialisten zu einem Kontinuum gemacht und vor allem der jeweils nächste Schlag gleichzeitig vorbereitet und begonnen. Dabei galt es als höchste Kriegslist, durch klare Richtungsvorgaben die Mittäter und Helfer im eigenen Lager hochgradig zu motivieren und gleichzeitig durch Verschlüsselungen, Auslassungen und Lügen jeder Art bei denen, auf die der jeweilige Stoß zielte, keine schlafenden Hunde und keine Abwehrbereitschaft zu wecken.
Schlüsseldokumente sind vor allem Goebbels Ansprache an NS-treue Journalisten im Vorfeld der Kriegseröffnung gegen die Sowjetunion sowie der von ihm redigierte Text des Films „Der ewige Jude“, bei denen mit seltener Offenheit die Vernichtungspraktiken im Ostkrieg angekündigt wurden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als diese unvorstellbaren Verbrechen im Ostkrieg noch vorbereitet wurden. Der treue Paladin Hitlers brüstete sich hierbei geradezu damit, dass die NS-Führung immer über brisante konkrete Planungen verfügt habe, dass man aber beim Kalkulieren der jeweiligen Lage und des Standes der eigenen Gesamtrüstung immer schubweise handele. Damit vermittelte er, dass es jetzt, durch die Einbindung der Journalisten in den Vernichtungskampf, mit dem Ostkrieg ernst werde. Wie immer, wenn Goebbels zentrale Kampfabschnitte markierte, traf grenzenloser und besonders deutlicher Hass die Juden, der jedem, der hören wollte oder konnte, die bevorstehende „Politik“ physischer Ausrottung klarmachte. Ausgebreitet wurde das ganze Spektrum der Mobilisierung: Juden seien die Erzrivalen, machthungrig, aggressiv, Kitt feindlicher Koalitionen usw., Deutschland sei mithin bei defensiver Ausrichtung zur „rettenden“ Tat verpflichtet, zum Zuschlagen im finalen Krieg. Goebbels sprach von Juden als Seuchenherden und Parasiten, die zu beseitigen waren. Später schrieb er öffentlich von einem an Juden vollzogenen Todesurteil, wodurch eine Politik ohne Umkehrmöglichkeit eingeleitet und für die kämpfende Truppe der Rücken frei gemacht worden sei, was selbst bei den Feindmächten auf zunehmende Anerkennung stoße.33
Ein beredter, nicht falscher Rückblick auf den Ersten Weltkrieg besagte, Deutschland habe diesen infolge einer kriegsentscheidenden Überlegenheit der Propaganda der Westmächte verloren. Tatsächlich hatte die Propaganda des Ersten Weltkrieges unter Zuhilfenahme modernster Mittel wie des Mediums Film das fabrikmäßige Ausspucken von Granaten an der Front mit einem Dauerbeschuss an der Heimatfront ergänzt. Die Propaganda hatte als zentraler Hass-Lieferant funktioniert und dafür gesorgt, dass die Soldaten – selbst seelenlose Tötungsmaschinen – im Feind kein humanes Wesen mehr sahen. Sie hatte einen die „Kriegsmoral“ stärkenden Wunderglauben an einen Sieg mit reicher Beute aufrechterhalten und schließlich den Krieg als virtuellen Vorgang erscheinen lassen, an dessen Menschheitsverbrechen der Einzelne persönlich nicht beteiligt sei. Nach dem Ersten Weltkrieg, als die Menschen bisweilen zur Besinnung kamen und die manipulative Volksverhetzung beklagten, hätten die Nationalsozialisten – so ihre historisierende These – die „geniale“ Idee gehabt, die Büchse der Pandora wieder zu öffnen. Fortan galt die Propaganda als zu perfektionierende Waffengattung, ja mehr noch, als prägendes Kernelement erst der NS-Bewegung, dann des NS-Staates. Angesagt waren daher Dauermanöver und -einsätze. Vielfach erschien die ganze NS-Gefolgschaft wie eine unendliche Marsch- und Propagandakolonne, Truppenmassen ohne Ende gleichend. Abgezielt wurde hierbei auf die Suggestion, unaufhaltsame NS-Kolonnen symbolisierten den Sieg; zu den bis heute spürbaren Resultaten gehört eine generelle Überschätzung der NS-Propaganda. Entsprechend stolz zeigte sich Goebbels, durch seine Propaganda-Tätigkeit dem Führer nicht etwa eine erst zum Kriegsbeginn fertige Waffe geschmiedet zu haben, sondern ein Kriegsinstrument, gehärtet, erprobt und stetig angewendet schon in Friedenszeiten, was eine außerordentlich frühe Kriegseröffnung darstelle und gegenüber den Feinden im finalen Krieg einen uneinholbaren Vorsprung und damit diesmal den Sieg verbürge. So nimmt es nicht wunder, dass Persönlichkeiten der Kulturszene wie die Rundfunk- und Filmfunktionäre Eugen Hadamowsky und Fritz Hippler bei Kennzeichnung ihrer spezifischen Propagandatätigkeit Worte bevorzugten, die zum Militärbereich gehören.34