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II.

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Der fiktive Onetti'sche Ort Santa María ist, monographisch gelesen, von einer widersprüchlichen, ungereimten geographischen, klimatischen und topographischen Lage. Im Verlauf des Werkes wird er als Kleinstadt beschrieben und erkennbar, dann aber auch als Metropole, bald ist Santa María eine Stadt an einem Strand oder liegt schließlich wieder im Binnenland. In La vida breve ist Santa María am Fluss gelegen, "[e]l médico vive en Santa María, junto al río." (VB I, cap. II, 429, eig. Hervorh)1. In "La novia robada" ist Santa María die enge Heimat der Protagonistin Moncha, Dorf und Kirche in einem, in die sich "La Moncha Insurralde o Insaurralde" (NRo, 181) einsperrt.2 Santa María stellt hier eine Rekonstruktion des Bücherzimmers von Don Quijote dar, in dem er eine kleine Bibliothek des Siglo de Oro sammelt. Nach seinem ersten Ausritt und gescheiterten Abenteuer wird das Zimmer von Dorfbewohnern vermauert.3 In diesem, einem unzugänglichen literarischen Gedächtnis erinnernden Santa María wird Moncha geboren und stirbt auch dort. Auch sie machte eine Reise, nach Europa, um das Abenteuer des Heiratens zu erleben, das scheiterte und dazu führte, dass die Protagonistin im traditionellen, in der Institution der Ehe verlangten Übergang von einem Mädchen zu einer Frau, in der Verlobung hängen bleiben, und dort zu sterben, um in ihrem Leben alleine in der Phantasie einer Reise nach Europa eine Ausflucht erlebt zu haben. Santa María ist kaum ein topographisch fassbarer Ort, da er aus der Beziehung, aus der Nähe oder aus der Ferne zu anderen Orten beschrieben wird. Santa María ist von Buenos Aires mit dem Zug erreichbar, dagegen liegt er unerreichbar zu "Esbjerg, en la costa" (1946), dann ist die Strecke ein anderes Mal wieder auf einem Fußweg von der "colonia suiza" (VB I, cap. II, 429) aus zu bewältigen: "[e]n los bordes de Santa María está La Colonia, probablemente de suizos"4. Santa María ist als Ort schließlich kaum zu fassen, auch nicht als Utopie markierbar5. Die Semantik der Namensgebung spielt dafür eine eminente Rolle, die sich einfügt in den symbolischen und intertextuellen Charakter vieler Eigennamen, die Onetti seinen Figuren und Schauplätzen gegeben hatte, ob Díaz Grey, Gertrudis und Julio Stein oder Moncha.

Je mehr Bruchstücke, Nachrichten und Eigenschaften über Santa María der Leser in einer Collage seiner Lektüren zusammenzusetzen vermag, desto undeutlicher wird die Gesamtgestalt eines Ortes. Vielmehr gerät Santa María zur Bezeichnung einer Ortlosigkeit und transición, die sich nicht in Terminologien des Raumes fassen lässt, da sie mehr auf solche der Bewegung, der Heterotopie und der Deterritorialisierung angewiesen ist.6

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