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Vorwort

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Im Heiligen Römischen Reich bildete die im Mündungsgebiet der Ill in den Rhein gelegene freie Reichsstadt Straßburg ein einflussreiches wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. In der Folge der Reformation, die hier früh und nachhaltig Einfluss erlangte, avancierte die Stadt zudem zu einem bedeutenden Zentrum der Buchherstellung: So trugen die in Argentoratum gedruckten Werke – wie die bis in das 17. Jahrhundert gebräuchliche mittellateinische Namensform lautete – wesentlich zur Verbreitung der Lehren Martin Luthers und Johannes Calvins im deutschen und französischen Sprachraum bei.

Die Besetzung der Stadt durch französische Truppen im Jahr 1681 verfolgte daher nicht ausschließlich Ziele im Rahmen der Reunionspolitik des französischen Königs Ludwig XIV. – schließlich waren große Teile des Elsass bereits mit dem Westfälischen Frieden von 1648 unter seine Landeshoheit gelangt. Die Hegemonie über die Metropole des Elsass eröffnete Frankreich darüber hinaus Möglichkeiten der ökonomischen Vorteilsnahme und bot zudem die Gelegenheit, den Einfluss reformatorischen Gedankenguts zurückzudrängen. Wenngleich unter den neuen Herrschaftsverhältnissen im Elsass – nach der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau im Jahr 1685 – weiterhin Religionsfreiheit bestand, verfolgten die französischen Könige eine mittel- und langfristig erfolgreiche Rekatholisierungspolitik. Trotzdem konnte die 1621 gegründete lutherische, deutsch geprägte Universität Straßburgs weiterbestehen und verfügte, insbesondere im Verlauf des langen 18. Jahrhunderts, über einen ausgezeichneten Ruf, der Gelehrte wie Studenten aus europäischen und deutschen Ländern anlockte. In den Jahren und Jahrzehnten nach der Französischen Revolution von 1789 wurde die Stadt schließlich zu einem Ort des Exils für deutsche Republikaner, oppositionelle Intellektuelle und Schriftsteller. Vor diesem Hintergrund konstatierte Otto Flake über die Entwicklung Straßburgs im Spannungsfeld zweier Kulturen und Sprachen: „Im Unterschied zu allen deutschen Städten erlebte es die vorbereitenden Stadien des modernen Westeuropa, das achtzehnte Jahrhundert, die Revolution, Napoleon und das plutodemokratische Bürgertum in unmittelbarer Teilnahme, während es von der geistigen und politischen Entwicklung, die in Deutschland in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts einsetzte, nicht mehr berührt wurde.“

Aufgrund seiner geographischen Lage und vor dem Hintergrund seiner Geschichte existierten in Straßburg bis in das 19. Jahrhundert nebeneinander französische und deutsche Einflüsse, was nicht zuletzt im verbreiteten Gebrauch der deutschen Sprache dokumentiert wird. Diese kulturell interessante Parallelität divergenter kultureller Prägungen bestand bis zum Deutsch-Französischen Krieg: Im September 1870 wurde Straßburg von deutschen Truppen besetzt, 1871 zur Hauptstadt des deutschen Reichslandes Elsass-Lothringen. Mit dem vorläufigen Ende der beinahe zweihundertjährigen Herrschaft Frankreichs über die elsässische Metropole verschob sich auch der paritätische Einfluss beider Nationen auf das wissenschaftliche und kulturelle Leben der Stadt zugunsten einer Hegemonie des Wilhelminischen Reiches.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes untersuchen einzelne Aspekte des geistigen Lebens in Straßburg in den Jahren zwischen 1681 bis 1871 und leisten auf diese Weise einen Beitrag zum Verständnis der Mehrdimensionalität einer Kultur im Spannungsfeld deutscher und französischer Einflüsse.

Saarbrücken, im Frühjahr 2020

Hermann Gätje und Sikander Singh

Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert

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