Читать книгу Sittes Welt - Группа авторов - Страница 19
Lernen von den Malerkollegen und Freunden in Halle (Saale)
ОглавлениеEntscheidend für Sitte war aber in diesen frühen Jahren der Einfluss der älteren und jüngeren Maler in Halle (Saale). Auf die Frage, wo er das Malen gelernt habe, antwortete er ohne zu zögern: „Vor allen Dingen von meinen Kollegen Zeitgenossen in Halle und um Halle herum.“32 An anderer Stelle wird er konkreter: „Meine Lehrmeister und Freunde damals, die mich das Malen lehrten, waren Hermann Bachmann, Fritz Rübbert und Kurt Bunge.“33 Tatsächlich griff er ziemlich unvermittelt ab 1949 die Bildsprachen seiner jungen und älteren Malerkollegen in Halle (Saale) auf. Neben dem fast gleichaltrigen Hermann Bachmann (1922–1995), der ein vertrauter Freund wurde, den er später auf seinen Westreisen immer wieder besuchte, spielten Kurt Bunge (1911–1998) und Fritz Rübbert (1915–1975)34 sowie Ulrich Knispel (1911–1978), Jochen Seidel (1924–1971) und der sieben Jahre jüngere Herbert Kitzel (1928–1978) eine wichtige Rolle. Dazu kamen die in der NS-Zeit entlassenen und wieder eingestellten Lehrer Erwin Hahs (1887–1970) und Charles Crodel (1894–1973).35 „Wie viele Nächte habe ich mit den Freunden Bachmann, Rübbert und Seidel durchgemalt! Von ihnen lernte ich eine Menge. Während ich der bessere Zeichner war, hatten sie mir auf dem Gebiet der Malerei viel voraus. Ich begriff, daß Malerei ein eigenständiges Medium ist mit eigener Qualität […].“36 Selbstkritisch räumt er ein: „Meinen eigenen Stil habe ich natürlich erst nach und nach gefunden.“37
In den Katalogen Verfemte Formalisten. Kunst aus Halle (Saale)38 und Im Spannungsfeld der Moderne. Zehn Maler aus Halle39 werden die verblüffenden Parallelen zwischen den Themen und der Bildsprache der genannten Maler zu Sittes Bildern in diesem Zeitraum deutlich, 2021 parallel zur Sitte-Retrospektive im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) zu erleben in der Ausstellung und dem Katalog Grenzerfahrungen. Hommage zum Hundertsten in der Kunsthalle “Talstrasse“ in Halle (Saale). Sittes von Paul Klee (1879–1940) und Yves Tanguy (1900–1955) beeinflusste Strandspielerei und Formen auf fünf Ebenen (beide 1949, S. 228, 227) finden ein Echo in Ulrich Knispels Strand (1950, 4). Sehr eindrucksvoll werden diese Bezüge aber auch sichtbar im Vergleich von Hermann Bachmanns Gemälde Krankes Mädchen (1949) mit Willi Sittes Danaë II (1953, S. 255) oder Bachmanns Reste (1954) mit Sittes Unter Trümmern (1955). Ebenso einleuchtend ist ein Vergleich von Herbert Kitzels Artisten (1951, 5) mit Sittes Artistentreffen (1955, 6)
4 Ulrich Knispel: Strand, 1950, Öl auf Sperrholz, 63 × 120 cm, Walburga Knispel, Berlin
Übereinstimmend sind in den Gemälden der locker verbundenen Künstlergruppierung die stark reduzierte Farbigkeit und die düstere, aggressive Stimmung. Mit dem Bild Mörder von Koje S. 269 reagierte Sitte auf die Erschießung nordkoreanischer Gefangener durch die amerikanische Armee.40 Sittes an Seilen hängende Marionetten Die Fremden (1951, S. 245) und Herbert Kitzels Marionette (1954) geben die bedrückende Stimmung der 1950er Jahre wieder. Die Harpyien, die Sittes Werk um 1955/56 bevölkern, können „als Reflex auf Anfeindungen und Formalismus-Schnüffelei“ gelesen werden, „[d]enn dieser mythische Sturmdämon aus weiblichem Oberteil und dem Unterteil eines Vogels samt Krallen ist ein Wesen aus der Unterwelt, das die Seelen der Menschen im Fluge rafft oder Speisen besudelt, ein Symbol der Peinigung und des Bösen. Harpyien als abscheuliche, von Zeus ausgeschickte strafende ‚Jagdhunde‘, maßen sich an, gottgleich zu richten, so in Sittes Bildern Das jüngste Gericht der Harpyien und Besuch der Harpyien, 1955.“41