Читать книгу Sittes Welt - Группа авторов - Страница 27

Erste Ausstellungsbeteiligungen und Ankäufe in Halle (Saale)

Оглавление

Willi Sitte kommt im Sommer 1947 nach Halle (Saale). Schaut man auf seinen künstlerischen Werdegang bis dahin, fällt auf, dass er kaum als Maler tätig geworden war, sondern sich vorrangig als Zeichner betätigt hatte und als solcher in Ausstellungen während der Zeit des „Dritten Reichs“ in Böhmen wahrgenommen worden war.3 Erste Gemälde in einem konservativ-traditionellen Stil schuf er in seinem Mailänder Jahr 1945/46. So verwundert es nicht, dass er in Ausstellungen der Jahre 1948 und 1949 jeweils mit Arbeiten auf Papier und nur einem Gemälde vertreten war.4 Die lokale hallesche Tageszeitung Freiheit rezensierte 1949: „Sehr stark beeindruckt hat uns das Gemälde von Willi Sitte ‚Vor der Gießwanne‘. Sowohl das Motiv der Arbeit, wie auch die Bewegung und die Farbgebung machten uns das Ganze lebensecht und wahr.“5 Das Gemälde 2 gelangte vermutlich gemeinsam mit anderen Arbeiten aus der Schau in direkter Folge der Landeskunstausstellung Sachsen-Anhalt 1949 in das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale),6 womit es 1949/50 das erste Gemälde des Künstlers ist, das von einem Museum erworben wurde. Nach der Flucht des wegweisenden ersten Nachkriegsdirektors des Museums, Gerhard Händler (1906–1982), im Februar 1949 aufgrund der maßregelnden Angriffe der Partei auf seine Sammlungs- und Ausstellungspolitik,7 wurde im Dezember 1949 Hans Kahns (1887–?) als Leiter des Museums installiert. Er nahm die systemkonforme Umgestaltung des Hauses im Sinne der Parteidirektiven vor. Vermutlich gelangte Vor der Gießwanne während seiner einjährigen Amtszeit in das Museum.


2 Willi Sitte: Vor der Gießwanne, 1949, Öl auf unbekanntem Bildträger, keine Maße bekannt, verschollen

Zur 2. Deutschen Kunstausstellung in Dresden im Herbst 1949 reichte Sitte zwei heute als verschollen geltende Gemälde ein.8 Im selben Jahr wurde das großformatige Gemälde der Häuslerin S. 221 in das hallesche Kunstmuseum übernommen, nachdem dieses im Frühjahr 1949 im Auftrag der Landesregierung Sachsen-Anhalt entstandene Werk binnen kurzer Zeit das Missfallen der Funktionäre hervorgerufen hatte.9 1952 erlebte man Sitte in der ersten Bezirkskunstausstellung in Halle (Saale) erneut „nur“ als Zeichner mit zwei Porträts seines Sohnes Volkmar aus erster Ehe mit Irmgard Kindler.10

Als Maler trat Sitte in der Saalestadt erstmals 1953/54 öffentlich in Erscheinung und sorgte sofort für Furore. In beiden Jahren präsentierte er sein großformatiges Gemälde Marx liest vor S. 266, für das er 1953 den ersten Preis des in jenem Jahr etablierten Kunstpreises der Stadt Halle (Saale) verliehen bekam.11 Im Ergebnis einer Aussprache im Oktober 1953 vor dem Gemälde in der Moritzburg soll der Künstler einige Veränderungen vorgenommen haben und präsentierte es 1954 auf der Bezirkskunstausstellung ebenda.12 Heute gilt das Werk als übermalt und damit verloren. Stilistisch zeigt es Sittes Vermögen, zeitgleich auf verschiedenen Klaviaturen zu spielen und damit die unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Partei wie auch seiner Künstlerkollegen zu erfüllen. Während das große Marx-Bild eine trockene realistische Darstellung im Sinne eines fiktiven Historienbildes in der Tradition des Akademismus des 19. Jahrhunderts darstellte, schuf er parallel dazu seit 1950 seine Malereien auf sogenannten Henning-Kartons13 S. 244 ff in einem der Moderne verpflichteten Stil. Diese waren bis 1963 öffentlich nicht ausgestellt, weil nicht ausstellbar, da sie konträr zum von der Partei eingeforderten Sozialistischen Realismus standen. Für diese und ähnliche moderne Arbeiten, die nur dem Kreis seiner Freunde und Parteigenossen bekannt waren, musste sich Sitte bis in die 1960er Jahre hinein von den Funktionären der SED den Vorwurf des „Formalismus“ und „Modernismus“ gefallen lassen.


3 Willi Sitte, Fritz Freitag, Otto Müller: Der erste Aufstand der halleschen Salzwirker, 1953, Öl auf Hartfaser, 120 × 246 cm, Stadtmuseum Halle

In diese Zeit fallen weitere Erwerbungen des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) – jedoch nicht der non-konformen Henning-Kartons, sondern realistischer Werke. Im März 1953 holte der Museumsdirektor und Parteifreund Sittes, Heinz Arno Knorr (1909–1996), als Übereignung von der Deutschen Handelszentrale Leder in Halle (Saale)14 das Gemälde Zug ins Leben (1947, S. 207) in die Sammlung und tauschte Vor der Gießwanne durch die 1952 entstandene Historiendarstellung Karl Liebknecht kommt aus dem Gefängnis 1918 S. 257 aus.15 Bereits im Folgejahr wurde der Zug ins Leben wieder ersetzt und für eine großformatige Rötelzeichnung16 zum Völkerschlacht-Gemälde S. 188 eingetauscht. Ebenso gelangte das von Sitte gemeinsam mit Fritz Freitag (1915–1977) und Otto Müller (1898–1979) im Auftrag der Stadt Halle (Saale) für das Theater des Friedens geschaffene großformatige Gemeinschaftswerk Der erste Aufstand der halleschen Salzwirker von 1953 3 in die Sammlung.17 Otto-Heinz Werner (1914–2000), 1951–54 Kustos und rechte Hand von Knorr und ab 1954 dessen Nachfolger als Direktor,18 erinnerte sich 1989 in einem Brief an Willi Sitte: „Wir wechselten ja auch oft Deine Arbeiten im Museum aus, bzw. behielten wir typische für die Sammlungen, was nicht immer ohne Ärger abging. Ich denke da an das ‚Karl-Liebknecht-bild‘ [sic!] das man in Dresden ablehnte und ich es zum Verdruß von Herrn Hoffmann sehr zentral im halleschen Museum platzierte.“19 Werner war es auch, der 1956 eine zweite Fassung der Bergung aus Hochwasser 4 bei Sitte in Auftrag gab, die dieser bis 1958 für das hallesche Kunstmuseum schuf. Damit gelangte ein erstes „formalistisches“ Werk des Künstlers als offizieller Auftrag in die Sammlung.20 „Als Willi Sitte Bergung II schließlich vollendet hatte, wurde das Bild zwar für die Moritzburg angekauft, aber ausstellen konnte man es erst später.“21


4 Willi Sitte: Bergung aus Hochwasser II, 1958, Öl auf Hartfaser, 165 × 205 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Auf der heftig umstrittenen Bezirkskunstausstellung 1957, der sogenannten Weihnachtsausstellung, war Sitte erneut nur mit vier Arbeiten auf Papier vertreten, obwohl er zu dieser Zeit die Hochwasserkatastrophe am Po S. 263 und die erste Fassung der Bergung aus Hochwasser ebenso wie das Völkerschlacht-Gemälde S. 344 f fertiggestellt hatte und parallel am Kampf der Thälmann-Brigade in Spanien S. 34722 und dem Lidice-Werkkomplex S. 350 ff23 arbeitete.

Das Ablehnen von zu den zentralen Ausstellungen des VBK auf Bezirks- bzw. Landesebene eingereichten Arbeiten Willi Sittes wiederholte sich bis in die 1960er Jahre mehrfach. Wie von Werner richtig erinnert, sandte Sitte 1953 sein Liebknecht-Bild S. 257 zur legendären „sowjetisierten“ Dritten Deutschen Kunstausstellung nach Dresden, wo es von der Jury abgelehnt wurde. Während das gerade vollendete Arbeiter-Triptychon S. 399 1960 auf der Bezirkskunstausstellung in der Moritzburg zwar gezeigt, doch heftig diskutiert und von Gerhard Pommeranz-Liedtke (1909–1974) in einem Artikel im Neuen Deutschland kritisiert wurde,24 lehnten die Jurys der Kunstausstellung zu den 3. Arbeiterfestspielen der DDR in Magdeburg 1961 das mehrteilige, großformatige Gemälde Memento Stalingrad S. 35925 und der Fünften Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1963 das Polyptychon Unsere Jugend S. 401 ab. Begleitet wurden diese Prozesse von heftigen Auseinandersetzungen Sittes mit der Bezirksleitung der SED aufgrund Sittes kritischer Haltung zur Kulturpolitik der DDR, vor allem zum Dogma des Sozialistischen Realismus, die final in der im Februar 1963 zunächst in der Freiheit und eine Woche später im Neuen Deutschland veröffentlichten Selbstkritik „Meine ganze Kraft für den sozialistischen Realismus“ kulminierten.26

Sittes Welt

Подняться наверх