Читать книгу ZNT - Zeitschrift für Neues Testament 24. Jahrgang, Heft 48 (2021) - Группа авторов - Страница 5
1 Allgemeine Trends in der Forschung über Kinder und Kindheit in der Antike
ОглавлениеSeit den 1960er Jahren hat die Forschung bestimmte Phasen durchlaufen, Phasen freilich, welche die anderen nicht sukzessive ersetzen, sondern ergänzen.1 Vereinfacht gesagt konzentrierte sich eine frühe Phase auf Aspekte der Bildung von Kindern wie etwa die religiöse Erziehung.2 Eine zweite Phase betonte die sozialen Beziehungen und Netzwerke von Kindern, zum Beispiel mit dem Augenmerk auf soziale Gruppenzugehörigkeit und Abhängigkeit. In neuerer Zeit folgte dann eine Phase, in der Kinder als aktive Subjekte gesehen wurden, als Akteure in ihrem eigenen Leben und im Leben der anderen. Diese Entwicklungen teilt das biblische Feld mit anderen Forschungen über Kinder und Kindheit in der antiken Welt, insbesondere im römischen Kontext; sie sind aber auch in der Forschung zu späteren historischen Perioden zu beobachten.3 Im Verein mit den römischen Studien hat sich die Forschung zum NT und zum frühen Christentum inhaltlich wie methodisch an die Spitze der historischen Erforschung von Kindern und Kindheit gesetzt.
In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten wurden dabei eine Vielzahl von Aspekten wie Geschlecht, Lebensphasen, soziale Schicht, ethnische Vielfalt sowie Behinderung und Krankheit berücksichtigt. Die Forschung ist heute durch eine vitale Interdisziplinarität gekennzeichnet, insbesondere mit den Sozialwissenschaften, z. B. der Sozialgeschichte, der Kulturanthropologie und der Soziologie, sowie mit verschiedenen geisteswissenschaftlichen Bereichen wie Kunst, Altertumswissenschaft, Geschichte, Archäologie und Literatur. In jüngerer Zeit wurden auch die Rechtswissenschaften und die Medizin einbezogen, z. B. im Blick auf die zivilen und religiösen Rechtsvorschriften über Kinder und Krankheiten von Kindern. Aufgrund des interdisziplinären Charakters dieser Forschungen, aber auch aufgrund von Entwicklungen innerhalb des Feldes selbst, hat die Vielfalt der methodischen Ansätze zugenommen. Beispiele für diese breite Palette von Ansätzen sind etwa Intersektionalität und Kinder als Subjekte von Interpretation („childist interpretation“); hiervon später mehr.