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Archäologie – Begrenzte Potentiale einer jungen Wissenschaft

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Da die aus Platzgründen notwendigerweise kurzgefassten Ausführungen zur frühen Menschheit neben der paläoanthropologischen Forschung weitgehend auf Ergebnissen der archäologischen Forschung basieren, ist es gerechtfertigt, an dieser Stelle einige Worte voranzuschicken, um das limitierte Potential dieser noch jungen Wissenschaft zu kennzeichnen. Die Archäologie ist mittlerweile selbst zu einer globalen Wissenschaft geworden, denn überall auf der Welt arbeitet sie mit derselben Methodik, was die Grabungstechnik, die Befund- und Fundbergung und die Datierungsmethoden betrifft. Nur hinsichtlich der Interpretation des an sich „stummen“ Stoffes gibt es Unterschiede im methodischen Ansatz, die durch den jeweils individuellen Hintergrund jedes einzelnen Wissenschaftlers bedingt sind. Man darf nicht verschweigen, dass gerade auch die Archäologie nicht dagegen gefeit war und es weiter ist, von unterschiedlichsten geistigen und politischen Strömungen in Anspruch genommen zu werden, worunter der Nationalismus noch eine harmlosere Ausprägung ist, oder dass in manchen Gegenden der Welt aus religiösen Gründen Archäologie noch ein Schattendasein führt. Vielen entkolonisierten Völkern und Staaten dient die Archäologie als ein identitätsstiftendes Medium, um an ihre einst glorreiche Vergangenheit vor der europäischen Fremdbestimmung anzuknüpfen. Erinnert sei an den königlichen Monumentalbau von Simbabwe im Süden Afrikas, der als mutmaßlicher Hauptort des Monomotapa-Reiches den Namen für die ehemalige britische Kolonie Südrhodesien gab, oder an den modernen westafrikanischen Staat Mali, dessen Namen von einem vergangenen ruhmreichen Königreich am Nigerbogen übernommen wurde.

Archäologische Überlieferung

Bis zum Aufkommen schriftlicher Zeugnisse ab ca. 4000 v. Chr. ist die Archäologie ausschließlich auf Denkmäler und Bodenfunde angewiesen. Ihre Überlieferung ist zudem abhängig von den jeweiligen Erhaltungsbedingungen, die sehr unterschiedlich sind. In weiten Gebieten sind nur dauerhafte Materialien, wie Stein, gebrannter Ton oder Metalle – zumeist auch nur fragmentarisch – übrig geblieben. Nur unter günstigen natürlichen Bedingungen, wie bei Dauerfrost, bei Feuchtigkeit (Moor, Wasser), bei extremer Trockenheit oder bei gezielter Mumifizierung konnten sich organische Materialien, wie vor allem Weichteile von Lebewesen, Textilien, Holz, Knochen, Horn, Pflanzenreste usw., erhalten. Die Archäologie kann somit immer nur einen geringen Teil eines ehemals vollständigen Kulturapparates erfassen. Hinzu kommt, dass die Befunde und Funde, nachdem sie oft nur als Abfall mehr oder weniger intentional in den Boden gekommen sind, einem weiteren permanenten Zerfalls- und Störungsprozess unterliegen. Nur bei den seit der Zeit des Neandertalers überlieferten Gräbern kann man sicherer sein, eine ungestörte Befundsituation vor sich zu haben. Andererseits sind aber gerade bei den Monumentalanlagen, wie zum Beispiel den Großsteingräbern, die bis heute zugänglich geblieben sind, die Befunde zumeist gestört.

Die bis vor wenigen Jahren noch übliche Trennung zwischen der vorgeschichtlichen, das heißt prähistorischen Archäologie und den vor allem auf Schriftquellen aufbauenden Archäologien späterer Epochen ist heute weitgehend aufgehoben, denn gerade auch für viele Bereiche der alten Hochkulturen liegen nur ansatzweise genügend Schriftquellen vor, so dass das historische und kulturelle Gesamtbild nur durch eine umfassende archäologische Methodik ergänzt werden kann. Erinnert sei an die hochkulturelle Indus-Kultur, die zwar eine Schrift besaß, welche aber bis heute allen Entzifferungsversuchen trotzt. Zu den Innovationen einer modernen Archäologie als eine historische Teildisziplin gehört die Einbeziehung naturwissenschaftlicher Methoden, nicht nur zur Datierung, sondern besonders auch zur Erhellung der einstigen Umwelt (Klimaforschung, Bodenkunde, Archäobotanik, Archäozoologie, Archäometrie, Archäometallurgie usw.) und der Physis des Menschen (Anthropologie). Hinzu tritt in jüngster Zeit eine Vernetzung mit der Genforschung, die immer neue Stammbäume der menschlichen Verwandtschaft vorlegt, und der Paläolinguistik.

wbg Weltgeschichte Bd. I

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