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Zur archäologischen Periodisierung und Terminologie

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Periodisierung

Bereits im Altertum machte man sich Gedanken über eine sinnvolle Gliederung der Geschichte der Menschheit. Zu den frühen vorwissenschaftlichen Versuchen zählt die Abfolge von den vier Weltaltern, die nach den in ihnen vorherrschenden Metallen benannt wurden (Goldenes, Silbernes, Ehernes, Eisernes Weltalter), die zugleich mit ethisch-moralischen Verhaltensmustern von Göttern und Menschen verbunden wurden. Sie sind zumeist von einer pessimistischen Kulturauffassung geprägt. Hesiod und Ovid sollen als ihre bekanntesten Vertreter genannt werden. Nach der im 16. Jahrhundert begründeten Abfolge von Altertum, Mittelalter und Neuzeit wurde um 1836 die Vorgeschichte in eine Stein-, Bronze- und Eisenzeit eingeteilt. Dieses „Dreiperiodensystem“ ist für weite Teile der Alten Welt bis heute konventionell gültig, wenngleich jedem Forscher klar ist, das diese Epochen keine zeitlich abgeschlossenen Einheiten und Grenzen darstellen. Mittlerweile gibt es auf der Grundlage einer verfeinerten relativen und absoluten Chronologie eine Vielzahl von globalen und regionalen Periodisierungssystemen. Sie spiegeln oft einen dreistufigen Zyklus von Aufstieg, Blüte und Niedergang von Kulturen wider.

Eine interdisziplinär vernetzte Archäologie versucht den von ihr zutage geförderten Fundstoff in Zeit und Raum zu gliedern, um die jeweilige geographische und zeitliche Dimension von archäologischen Kulturen zu bestimmen. Man versteht konventionell darunter eine Summe von raumzeitlich gebundenen, typischen materiellen (wie ähnlicher Fundstoff) und immateriellen (wie ähnliche Grabsitten) Merkmalen, die die Identität von Personengruppen ausmachen können. Eine Gleichsetzung von archäologischer Kultur mit Ethnie, Stamm und Volk sowie Rasse und Sprache ist heute jedoch methodisch nicht vertretbar. Bei der Erforschung vergangener Kulturen kommt in jüngster Zeit der Molekularbiologie, insbesondere der Genforschung, eine besondere Bedeutung zu, die teilweise spektakuläre Ergebnisse zur Mobilität und Verwandtschaft von Menschen liefert, die teilweise in einem Gegensatz zu Auffassungen der prähistorischen Archäologie stehen.

Ein wichtiger Kontrast zu durch Schriftquellen erhellten Kulturen besteht darin, dass in den vorgeschichtlichen Zeiten keine handelnden Personen bekannt sind, ja kaum dynamisch-historische Vorgänge, wie zum Beispiel politische Aktionen, belegt werden können. Auch für die Zerstörung von Siedlungen kommen durchaus Unglücksfälle, wie Feuersbrünste, in Frage. Insofern kann die prähistorische Archäologie eher zu langfristig ablaufenden Prozessen (im Sinne einer klassischen longue durée) Antworten geben, also mehr zu einer kulturanthropologisch ausgerichteten Strukturgeschichte als zu einer Ereignisgeschichte. Gerade auch die schriftlosen Zeiten sind mittlerweile integrale Abschnitte einer Geschichte des Menschen, auch wenn es sich um scheinbar statische Abschnitte handelt, wie die Zeit der paläolithischen Jäger und Sammler, die etwa 98 % unserer eigenen Geschichte umfasst. Die prähistorische Archäologie kann nur von ihrem jeweiligen Forschungsstand, der sich stetig durch neue Grabungen verändert, und nur in einer vorsichtigen, durch die Quellenlage stets eingeschränkten Weise versuchen, sich einer schon lange versunkenen Welt anzunähern. Die Archäologie kann daher bestenfalls die Frage „Wie könnte es gewesen sein?“ beantworten, und nicht feststellen: „So war es!“.

Terminolgie

Die Terminologie der mittlerweile unzähligen archäologischen Kulturen und Zeitstufen ist für Außenstehende sehr verwirrend, denn es liegt ihnen keine systematische Ordnung zu Grunde. Sie werden sehr häufig nach Fundorten benannt – vor allem im Paläolithikum nach französischen Ortsnamen –, an denen sie zuerst oder repräsentativ festgestellt wurden, nach Regionen und Landschaften, nach keramischen Leitformen, nach Verzierungsmustern und Ornamenttechniken der Keramik, nach Grabformen und Bestattungssitten oder nach Siedlungsformen.

Dem ersten Band liegt zunächst die Periodisierung der Vorgeschichte zugrunde. Sie beginnt mit der Altsteinzeit (Paläolithikum), die nochmals in einen älteren, mittleren und jüngeren Abschnitt gegliedert wird. Es war die Zeit der eiszeitlichen Jäger und Sammler, repräsentiert durch die sich einander ablösenden frühen Menschenformen. Nur der Homo sapiens bleibt als moderner Mensch übrig. In der Nacheiszeit verzweigte sich die Geschichte in zwei Bahnen, nämlich in die Weiterführung der aneignenden Wirtschaftsweise im Mesolithikum (Wildbeutertum) und in den Beginn der produzierenden Wirtschaftsweise (Landwirtschaft). Letztere verläuft über ein frühes Stadium (Neolithikum) in die Welt der frühen Metalle – in die Kupferzeit. In ihr entwickelten sich in einigen Teilen der Alten Welt schriftführende Hochkulturen: der Vordere Orient, Ägypten, das östliche Mittelmeergebiet, die Arabische Halbinsel, das Indus-Gebiet und China. Die davon nicht berührten prähistorischen Gruppen gehören in die schriftlose Bronze- und frühe Eisenzeit. Parallel damit geht eine immer größer werdende Sprachdifferenzierung einher. Die untere Zeitgrenze des ersten Bandes – um 1200 v. Chr. – kann trotz aller Schwierigkeiten in dieser sinnvollen Periodisierung eingehalten werden – nur die Entwicklung Afrikas und Amerikas sowie die Kontinuität des arktischen Wildbeutertums vor und nach dieser Zeitgrenze bilden hier eine im Sinne des Gesamtkonzeptes vertretbare Ausnahme.

Im vorliegenden Band werden die Jahre zumeist konventionell nach der christlichen Zeitrechnung angegeben: vor Christus oder nach Christus. Durch C14-Datierung gewonnene Zeitangaben werden mit „vor heute“ (= 1950) gekennzeichnet.

wbg Weltgeschichte Bd. I

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