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Wassertransfer
ОглавлениеWasserumverteilung
Zunehmende Verstädterung bedeutet neben einem flächenmäßigen Anwachsen der Städte auch eine zunehmende Konzentration der Bevölkerung einer Region auf Teilräume, die für sich betrachtet nicht die nötigen Ressourcen bereithalten, um eine solche Anzahl von Nutzern nachhaltig versorgen zu können. Die Verteilung der Bevölkerung und somit der Nachfrage folgt also kaum mehr den Standorten des Rohstoffangebotes. Dies bedingt in immer stärkerem Maße eine anpassende Konzentration in der Versorgung, also ein „Nachliefern“ dieser Ressourcen vom Ort des Angebots zu dem der Nachfrage. Die praktische Umsetzung dessen in Fragen der Wasserversorgung ist der Wassertransfer mittels Kanälen, Pipelines o.Ä., welcher mit zunehmender Nutzerzahl einerseits und verbesserten technischen Möglichkeiten andererseits aus einem immer weiter gefassten Umland geleistet werden muss. Größere Wassertransfers werden, so lässt sich schon heute absehen, zukünftig eines der wichtigsten Mittel sein, um in den wachsenden Ballungsräumen der Erde Versorgungsengpässe zu vermeiden – wir sind dabei, in den natürlichen Wasserkreislauf ein menschengemachtes Netz der Wasserumverteilung einzufügen (PEARCE 2006, S. 219f.; NIEMANN 2005, S. 89). Mit der vielschichtigen Vormachtstellung der Städte gegenüber ihrem jeweiligen Umland wird so die Versorgung der Städte zunehmend zum Konfliktfall.
„Doppelte“ Kausalkette
Hierbei wird der ursächliche Trend zur Bevölkerungskonzentration durch eine „doppelte“ Kausalkette gestärkt: So führt die Bevölkerungskonzentration zu einem wachsenden Bedarf für nachliefernde Versorgung. Der hieraus erwachsende Bedarf für die Entwicklung technischer Neuerungen zieht eine Zunahme der potenziellen Reichweite von Wassertransfers nach sich, wodurch dann die technischen Voraussetzungen für die Versorgung noch intensiverer Bevölkerungskonzentrationen gegeben sind. Gleichzeitig bedeutet die nachliefernde Versorgung eine entsprechende Konzentration in der Versorgungsinfrastruktur, mithin also den Rückbau bzw. Verfall der Infrastruktur zur Versorgung einer dispers verteilten Bevölkerung – in der Regel werden durch die (mit hohem Kapitaleinsatz verbundene) Infrastruktur primär solche Teilgebiete erschlossen, in denen die Nachfrage in überdurchschnittlichem Maße gegeben, also die Bevölkerungsdichte entsprechend hoch ist. Der zunehmende Anstrengungsbedarf zur Versorgung einer dispersen „Restbevölkerung“ zieht eine Zunahme räumlicher Disparitäten nach sich, welche ihrerseits einer weiteren Konzentration der Bevölkerung Vorschub leistet.
Mit zunehmender (räumlicher) Konzentration in der Bevölkerungsverteilung wächst zugleich der Grad der unterschiedlichen Funktionszuweisung bzw. funktionalen Ausdifferenzierung einzelner Räume in Regionen der Gewinnung bzw. Entnahme einer Ressource einerseits sowie der Nutzung jener Ressource andererseits. In diesem Zusammenhang ist jüngst – in Übertragung aus der Glazialmorphologie – die analytische Unterscheidung von Nährgebiet und Zehrgebiet vorgeschlagen worden (NIEMANN 2008).
Die besonderen Beziehungen zwischen Nähr- und Zehrgebiet eines Versorgungsraumes lassen sich am Beispiel des nördlichen Namibia demonstrieren – dies ist die am dichtesten bevölkerte Region im trockensten Staat des subsaharischen Afrika, somit manifestieren sich sozialökologische Problemlagen der Wasserversorgung hier in herausragender Weise.
Wasserversorgung im nördlichen Namibia
Die Wasserversorgung der Bevölkerung dieses Raumes wird durch die zwei Flussläufe Kunene und Cuvelai geprägt. Beide entspringen im benachbarten Angola und fließen von dort gen Süden in Richtung Namibia. Der Kunene mündet, nachdem er zuvor auf einer Strecke von etwa 200 km die angolanisch-namibische Grenze bildet, schließlich in den Atlantik. Der weiter östlich gelegene Cuvelai hingegen überquert die Staatengrenze, jenseits derer er als nurmehr episodisch wasserführendes Delta versickert bzw. in die Etosha-Pfanne mündet. Dort, am namibischen Unterlauf des Cuvelai, erfolgt die Versorgung der Bevölkerung mit der lebensnotwendigen Ressource Wasser seit den 1970er-Jahren weitenteils über ein auf angolanischem Territorium entspringendes, vom benachbarten Kunene gespeistes Kanal- und Pipelinesystem. Maßgeblich von deutscher und internationaler Entwicklungszusammenarbeit unterstützt, strebt Namibia gegenwärtig in der bilateralen, wasserbezogenen Zusammenarbeit mit Angola nach einer Verlängerung des Fernleitungsnetzes in benachteiligte Regionen im südlichen Angola. Dies erscheint vordergründig paradox, wird dadurch doch die Nutzerzahl des durch das Fernleitungsnetz gelieferten Wassers zusätzlich erhöht. Tatsächlich jedoch treten die namibischen Akteure damit angolanischen Erwägungen, jahrzehntelang infolge kriegerischer Auseinandersetzungen ungenutzte Bewässerungsanlagen am Oberlauf des Kunene zu reaktivieren, entgegen. Das damit erzielte zusätzliche Einbinden angolanischer Nutzer in das Versorgungssystem verändert zwar nicht unmittelbar die Situation im Nährgebiet; sie bedeutet jedoch eine Verlagerung der räumlichen Grenzen des Zehrgebiets auf bislang hiervon unberührte, auf angolanischem Territorium liegende Räume. Angola erhält somit ergänzend zu der bereits bestehenden, strategisch mächtigen Rolle des Oberliegers auch die strategisch benachteiligte Rolle eines „Unter-Unterliegers“ des Flusses. Dies mag vordergründig einen empirischen Sonderfall im Kontext spezifischer politischer, topographischer und wasserbautechnischer Voraussetzungen darstellen – zugleich aber kann man dies auch als eine Form des praktischen Auswegs aus dem Dilemma komplex vernetzter Versorgungsteilräume begreifen. Im Widerspruch zu einem ansonsten vielfach bestimmenden Konkurrenz-Dogma lässt sich die Sicherung der eigenen Versorgung mit einer Ressource also auch dadurch erzielen, dass man auf der Grundlage derselben Ressource (sic!) die – bis dato unbefriedigende – Versorgung anderer erreicht.
Abb. 3.6: Karte des Wasserversorgungsnetzes im Norden Namibias
Mit dem namibischen Beispiel ist zugleich eine Reform angesprochen, die unter dem Stichwort „Integriertes Wasserressourcen-Management“ (IWRM) seit den 1990er-Jahren in Afrika wie in anderen Teilen der Welt eine stärkere Vernetzung der Wasserbewirtschaftung mit ökologisch hiermit verbundenen Sektoren anstrebt und dabei dem hydrologischen Einzugsgebiet eines Gewässers als (ggf. grenzüberschreitende) Bewirtschaftungseinheit eine neue Bedeutung beimisst (vgl. NIEMANN 2005). So folgen neuartige regionale Kooperationen in Form von Flussgebietsorganisationen wie beispielsweise der „Nile Basin Initiative“ dem Ziel, zwischenstaatliches Konfliktpotenzial abzubauen. In Afrika gibt es 50 größere Wasserbecken mit zwei oder mehr Anrainerstaaten.