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Syndromkontinent Afrika

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Syndrommuster

Für die afrikanische Situation sind es vor allem vier Syndrome aus der Syndromgruppe „Nutzung“, die für die Erklärung von Krisen herangezogen werden können:

 das Sahel-Syndrom,

 das Raubbau-Syndrom,

 das Katanga-Syndrom und

 das Landflucht-Syndrom.

Aus den beiden weiteren Syndromgruppen entstehen besonders durch

 das Favela-Syndrom und

 das Müllkippen-Syndrom

relevante Problemkonstellationen.

Afrika kann deshalb als Syndromkontinent schlechthin gelten. Wie sehr damit existenzielle Risiken für die Bevölkerung verbunden sind, offenbart z.B. die Bodenerosion in Madagaskar.

Syndromraum Madagaskar

Dass Bodenerosion in Madagaskar ein enormes Problem darstellt, lässt sich schon vom Weltraum aus sehen. Wie Astronauten berichten, sieht der afrikanische Inselstaat aus, als verblute er zu Tode – kraterartige rote Flächen erstrecken sich über ganze Landstriche. Vom Flugzeug aus ist es noch deutlicher zu erkennen: Von der Erde blutrot gefärbte Flüsse ziehen sich wie Adern durch das Landesinnere und spülen den fruchtbaren Boden ins Meer.

Im Nordwesten der Insel frisst sich zusehends eine beeindruckende Cañon-Landschaft aus rotem Sandstein in die Hänge. Jahr für Jahr geht dabei Land verloren. Besonders dort, wo Bäume gefällt wurden und somit den Boden nicht mehr stabilisieren, ist die Erosionsgefahr groß.

Ursprünglich war Madagaskar fast vollständig bewaldet. Inzwischen sind fast 90 % des Landes Steppe und nackte Erde, die Wälder weitgehend gerodet – vor allem, um Ackerland zu gewinnen und Holzkohle herzustellen. Die Folge ist, dass Regen den fruchtbaren Boden auswäscht, der Wasserhaushalt kippt, Bewässerungssysteme und Anbaugebiete versanden, die Bauern immer weniger Reis ernten. Zudem werden besonders in der Regenzeit Straßen unpassierbar. Die infrastrukturellen Auswirkungen sind immens. Bodenerosion stellt somit eine zusätzliche existenzielle Gefahr für die ohnehin arme madagassische Bevölkerung dar. (E+Z 1/2009)

Kausalmuster

Hinzu kommt in Afrika verbreitet das Favela-Syndrom, welches im Zuge der rapiden Urbanisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt und in extremer Form zur Verelendung afrikanischer Städte führt. Von Bedeutung ist auch das Verbrannte-Erde-Syndrom, das die Umweltzerstörung durch militärische Nutzung beschreibt. Man denke nur an die Bürgerkriege in Sudan, Mosambik, Somalia, Kongo, Tschad, Angola etc., wo zahlreiche Landstriche nicht mehr nutzbar sind, weil sie vermint wurden (vgl. KÜRSCHNER-PELKMANN/KOSA 2005).

Ähnlich betrifft das Katanga-Syndrom, welches Landschaftszerstörungen durch den Abbau natürlicher, nicht regenerierbarer Ressourcen erfasst, nicht nur eine spezifische Lokalität, sondern findet sich über den ganzen Kontinent verstreut. Beispiele sind die namensgebende Provinz Katanga (Shaba) in der DR Kongo mit ihren reichen Diamant-, Kobalt- und Kupfervorkommen sowie die sich im Nachbarland Sambia befindenden Kupferabbaugebiete, aber auch Edelsteinvorkommen in Angola, Sierra Leone und Madagaskar.

Sehen Geoökologen hierbei stärker die durch Rohstoffgewinnung verursachte Landschaftsdegradation, so Historiker wie der Wiener Afrikanist Walter Schicho besonders die gesellschaftlichen Auswirkungen des Bergbaus bis hin zu seinen machtpolitischen Dimensionen, wie sie im Begriff „Blutdiamanten“ zum Ausdruck kommen (SCHICHO 1998). Damit sind wir zugleich im Überschneidungsfeld von Geoökologie und Politischer Ökologie angelangt.

Unter solchen gedanklichen Ansätzen wird vielfach auch das Raubbau-Syndrom betrachtet. Es kommt besonders im tropischen Regenwald des Kongobeckens zum Ausdruck. Hier verfügt die DR Kongo mit rund 60 Mio. ha Waldfläche über das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Erde. Bis zum Jahr 2050 werden jedoch 40 % des Waldbestandes verloren gehen, wenn die Abholzung unverändert weitergeht. Die DR Kongo würde dadurch zu einem der größten CO2-Emittenden weltweit. Denn ein Hektar Biomasse des tropischen Regenwaldes kann bis zu 180 t CO2 speichern, von denen bei der Abholzung bis zu 50 % freigesetzt werden (REDAKTION WELTALMANACH 2009, S. 284). Wie stark sich dabei Geoökologie und Politische Ökologie überschneiden, zeigt sich darin, dass regulierende politische Maßnahmen – etwa ein Moratorium für Forst-Neukonzessionen – unterbleiben.

Einen weiteren Aspekt im Überschneidungsbereich von Geoökologie und Politischer Ökologie thematisiert der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen in seinem Gutachten 2008 „Sicherheitsrisiko Klimawandel“. Hierbei wird der Situation in Afrika besonders viel Raum zugestanden. Denn: Aufgrund schwacher Staatsführung und geringer wirtschaftlicher Kapazität besteht hier besonders wenig Pufferkapazität für Adaptionen an neue klimatische Gegebenheiten.

Kritik des Syndromansatzes

Trotz seines differenzierten Ansatzes bleibt der Syndromansatz nicht ohne Kritik. Ein Haupteinwand ist die starke Forschungsorientierung, die insbesondere auf Umweltprobleme fixiert ist und wenig auf Entwicklungsproblematiken sowie -fragen eingeht und dabei den Fehler begeht, die Industriestaaten und z.B. globale Wirtschaftsinteressen (Stichwort: Welthandelsorganisation, Subventionen) aus der Diskussion um Entwicklung herauszuhalten. Außerdem stößt der systemare Ansatz an Grenzen, wenn es darum geht, die Handlungen von Menschen zu erklären oder gar zu prognostizieren (GLASER/GEBHARDT 2006). Darüber hinaus fehlt ein klares Konzept zur praktischen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Die Umsetzung wird vor allem dort zum Thema, wo es sich um vorwiegend gesellschaftlich bedingte Syndromkomplexe handelt. Die am Beispiel des Favela-Syndroms beschriebenen Handlungsstrategien erscheinen relativ vage und unpraktikabel. So wirft das dem globalen Süßwasserproblem gewidmete WBGU-Gutachten 1997 die Frage auf: „Wie kann das Favela-Syndrom kuriert werden? Zunächst müssen die allgemeinen Ursachen, etwa die Landflucht, bekämpft werden, welche das Favela-Syndrom erst entstehen lassen und die Wasserprobleme letztlich verursachen“ (WBGU 1997). Weitere Kritikpunkte sind die Vernachlässigung der Akteure auf verschiedensten Ebenen, die mit ihren Entscheidungen Umweltveränderungen bewirken, sowie der fehlende Bezug zu Machstrukturen, die auf Zugangsmöglichkeiten zu Ressourcen einwirken. Eine wenig differenzierte Betrachtung der Mensch-Umwelt-Beziehungen und der sich daraus ableitenden Wirkungsketten, die sich mehr auf technische Informationen als auf das sozio-politische Umfeld berufen, läuft Gefahr, eher das Symptom als die Ursache zu bekämpfen (KRINGS 2002).

Vulnerabilität und Millenniums-Entwicklungsziele

Inzwischen wurde hier durch die Annäherung an den Vulnerabilitätsbegriff und die analytische Betrachtung der Millenniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs) weiter gedacht (WBGU 2005).

Vulnerabilität

Der Begriff „Vulnerabilität“ (von spätlat. vulnerabilis = verletzlich, verwundbar) ist seit den 1980er-Jahren in der geographischen Entwicklungsforschung gebräuchlich und bezeichnet über den Mangel an materiellen Ressourcen und ungedeckten Bedürfnissen hinaus einen gesellschaftlichen Zustand, der durch Anfälligkeit, Unsicherheit und Schutzlosigkeit geprägt ist. Dabei gehen ökonomische bzw. materielle Aspekte (Armut) Hand in Hand mit politischen und sozialen.

Millenniums-Entwicklungsziele

Die im Jahr 2000 bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) in New York beschlossenen, weltweit gültigen Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) sind der Maßstab der UN für notwendige Maßnahmen in Afrika. Dabei handelt es sich um acht internationale Entwicklungsziele, die bis 2015 erreicht werden sollen:

MDG 1: Halbierung des Anteils der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet

MDG 2: Ermöglichung eine Grundschulausbildung für alle Kinder

MDG 3: Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rechte von Frauen

MDG 4: Verringerung der Kindersterblichkeit

MDG 5: Verbesserung der Gesundheit der Mütter

MDG 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderer übertragbarer Krankheiten

MDG 7: Verbesserung des Schutzes der Umwelt

MDG 8: Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft

Auch das Konzept der Millenniumsziele unterliegt zahlreicher Kritik, vor allem hinsichtlich der unscharfen Formulierung der Unterziele, der Definition der Indikatoren, der Machbarkeit und der schleppenden Umsetzung bzw. mangelnder finanzieller Unterstützung und „Geberkoordination“ (MARTENS 2005).

Grüne Revolution

Dem ersten Millenniumsziel, der Bekämpfung von Armut und Hunger, kommt derzeit die größte Bedeutung zu. Angesichts fallender Produktivität der Landwirtschaft in Afrika fordert die UN zu Recht Interventionen im Bereich Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Eine „grüne Revolution“ für Afrika soll hierbei die Ernteerträge verdoppeln. Zuerst sollen Kleinbauern mit befristeten Subventionen für Dünger und besseres Saatgut versorgt werden. Entwicklungshilfe für die afrikanische Landwirtschaft muss von den momentan zur Verfügung gestellten ein bis zwei Milliarden US-Dollar auf acht Milliarden im Jahr 2010 steigen. Die finanzielle Unterstützung von Ernährungsprogrammen sollte um zusätzliche vier Milliarden US-Dollar bis 2010 steigen.

Entwicklungsfinanzierung

Bestehende Zusagen der Europäischen Union (EU) und der G8-Staaten zusammen mit den derzeitigen Hilfsleistungen aus anderen Quellen reichen aus, um die benötigten 72 Mrd. US-$ pro Jahr aufzubringen, um die Empfehlungen der MDG-Lenkungsgruppe in die Tat umzusetzen. Diese Zahl passt zu den Versprechen, die beim EU-Gipfel und dem G8-Gipfel in Gleneagles 2005 gegeben worden sind. Dort wurde beschlossen, die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) für Afrika bis 2010 auf 54 Mrd. US-$ mehr als zu verdoppeln. Aktuell beläuft sich dieses Versprechen auf eine Summe von 62 Mrd. US-$ jährlich. Zusammen mit bereits bestehenden Hilfsleistungen der Geberländer außerhalb der OECD, privaten Stiftungen und Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) könnten die Empfehlungen der Lenkungsgruppe vollständig finanziert werden.

Die meisten afrikanischen Länder wissen allerdings nicht, wie viel Entwicklungshilfe sie in den kommenden Jahren erhalten werden, und können deshalb Personal und Infrastruktur wichtiger öffentlicher Dienststellen kaum erweitern. Für beides wären langfristige Hilfszusagen notwendig. Die MDG-Lenkungsgruppe fordert Geber dazu auf, für die Ausweitung ihrer Hilfszusagen länderspezifische Pläne zu erstellen, um ihre Versprechen aus dem Jahr 2005 zu erfüllen. Dies hätte tief greifende Auswirkungen auf die Möglichkeit der afrikanischen Länder, die notwendigen langfristigen Maßnahmen zu ergreifen, um die MDGs zu erreichen (UNRIC 2008).

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