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2.3 Liberale Theologie

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Neben der Verunglimpfung eines aufgeklärten, liberalen Christentums als „Religion light“ begegnen in den Veröffentlichungen der neuen Atheisten auch anerkennende Worte für eine liberale Theologie. So kann DAWKINS seine Wertschätzung für die beiden liberalen britischen Theologen und ehemaligen Bischöfe JOHN SHELBY SPONG und RICHARD HOLLOWAY zum Ausdruck bringen. Eine Podiumsdiskussion, die er mit letzterem in Edinburgh führte, bezeichnet er als „eine der anregendsten und interessantesten Begegnungen“ seines Lebens75. Und SCHMIDT-SALOMON lobt solche Theologen, die eine autonome Ethik vertreten und deren Normen allgemein einsichtig machen.76 Zugleich räumt er ein, dass es auch der „religiösen Übersetzung“ bedarf, „damit säkulare Normen […] für traditionsverhaftete Gläubige einsichtig werden“77. Eine Änderung seiner eigenen Haltung gegenüber einer liberalen Theologie deutet er mit seiner Schlussfolgerung an:

„Deshalb sollten auch religionsfreie Menschen daran interessiert sein, dass Theologen ihre Quellentexte in entsprechender Weise auslegen (ein Punkt, den ich in den vergangenen Jahren, wie ich fürchte, nicht deutlich genug herausgestellt habe).“78

Die polemische und respektlose Ausdrucksweise von DAWKINS ist gewiss oft schwer erträglich. Als Beispiel sei folgender Satz zitiert: „Aus ethischer Sicht ist Jesus gegenüber dem grausamen Ungeheuer aus dem Alten Testament ein großer Fortschritt.“79 Aber deswegen sollte man nicht darüber hinwegsehen, dass er in puncto neutestamentliche Exegese oft zu Einsichten gelangt, die sich mit einer undogmatischen, liberalen Theologie vertragen.

Dawkins würdigt Jesus als einen der „großen ethischen Neuerer der Geschichte“80. Dies begründet er nicht nur mit der Ethik der Bergpredigt, sondern auch mit Jesu liberaler Haltung gegenüber einzelnen alttestamentlichen Vorschriften wie dem Sabbatgebot.81 Allerdings in Sachen Familie übt Dawkins Kritik an Jesus, insofern dieser hier „fragwürdige Wertvorstellungen“ vertreten habe.82 Angesichts von Jesu afamiliärem Ethos, das sich aus seiner endzeitlichen Naherwartung erklären lässt, ist solche Kritik nur allzu verständlich.

Wenn es auch historisch nicht zutrifft, dass erst Paulus die Lehre vom Sühnetod Christi entwickelt hat,83 wie Dawkins meint, mit seiner grundsätzlichen Kritik daran könnte er sich durchaus auf Theologen aus dem liberalen Lager berufen. So lehnt Dawkins die Übertragung der Sündenbock-Theorie auf die Deutung des Kreuzestodes Jesu ab, wonach ein Unschuldiger die Sünden der Schuldigen auf sich nimmt, was heutigem ethischen Denken zuwiderlaufe.84 Für dieses sei schon problematisch, Strafe als Vergeltung zu begreifen. Nicht zuletzt sei die ganze theologische Konstruktion dadurch hinfällig, „dass Adam, der angeblich die Erbsünde beging, in Wirklichkeit nie existiert hat“85. Wünschenswert wäre sicher, wenn sich Dawkins etwas eingehender mit der entsprechenden exegetischen Fachliteratur vertraut gemacht hätte. So ist schon störend, wenn er Paulus als Verfasser des Hebräerbriefs ausgibt86.

Gegen den christlichen Glauben an die Auferstehung Jesu führt SCHMIDT-SALOMON die Widersprüchlichkeit der neutestamentlichen Ostergeschichten an.87 Zu behaupten, dass die Mehrzahl der Theologen diese als „glaubwürdige Tatsachenbeschreibungen“ deutet, geht jedoch fehl. Mag auch in mancher Osterpredigt sich dieser Eindruck einstellen, die Pfarrerinnen und Pfarrer wissen es eigentlich von ihrer universitären Ausbildung her besser. Mit seiner These, dass es sich bei den Erscheinungen des Auferstandenen um eine „Wunschprojektion“ von Jesu Anhängern gehandelt habe,88 könnte sich Schmidt-Salomon auf solche liberale Theologen beziehen, die von subjektiven Visionen sprechen, ohne damit notwendigerweise zu behaupten, mit dem Tod sei für Jesus alles aus gewesen.89 Die Heranziehung und Auswertung religionsgeschichtlicher Parallelen ist für die historisch-kritische Exegese eine unverzichtbare Methode – auch beim Verständnis der Ostertexte des Neuen Testaments. Aber Schmidt-Salomon ist den Nachweis dafür schuldig geblieben, dass diese „eine nachträgliche literarische Aufwertung einer Legende durch die Übernahme bekannter Fragmente der heidnischen Mythologie90 darstellen. Der bloße Hinweis auf die Gottheiten einiger antiker Mysterienkulte ist hier völlig unzureichend.

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