Читать книгу FILM-KONZEPTE 65 - Christian Petzold - Группа авторов - Страница 11
Modelle. Semiotische Dramaturgie
ОглавлениеEs gibt bei Petzold eine Art semiotischer Dramaturgie. Da ist zunächst das sprachliche Zeichen, der verbal gesetzte Hinweis. Dann kommt die Gestik und Mimik hinzu, die dem sprachlichen Zeichen, den Worten oft widerstreitet, wobei wir meistens als Meta-Beobachter beide Sphären überblicken und in der Differenz der Perspektiven erschließen können, was wie vorgetäuscht wird. Man denke an die Diebstahl-Szene im Supermarkt zu Beginn von WOLFSBURG oder an das Casting in GESPENSTER oder an die Verhandlungsszenen in YELLA. Noch interessanter wird es, sobald die spezifisch filmische Ebene mit Montage und Kameraarbeit hinzukommt. Dann entsteht eine weitere Meta-Perspektive, die die Zuschauer leichter identifikatorisch umfängt. So entstehen Potenzierungen von Deutungen. Auch die Montage kann, wenn etwa die Blickachsen entsprechend verschoben werden, zu einem Zeichen werden. Es entstehen aber bei Petzold unterschiedliche Ontologien von Zeichen: Die verbale, die schauspielerische, die filmische Ebene haben jeweils eine andere Reichweite von Ausdrucksformen und interferieren miteinander. Das etwa kann die Literatur nicht, wenngleich das Verfahren literarisch ist. Man kennt es von Jean-Luc Godard und Alexander Kluge, aber Petzold nutzt es ganz selbstverständlich zum Erzählen, vielleicht vergleichbar mit Robert Bresson27. »An den Bruchstellen der Handlungsstränge, besonders um die Vorgeschichten und Fortgänge der Geschichten, liegen Leerstellen, die in Petzolds Filmen in den seltensten Fällen aufgelöst werden. Die Lebenslinien der Figuren kommen aus dem Nichts und verlaufen sich im Ungewissen.«28 Diese Leerstellen gekonnt zu bedeuten, anzeichenhaft zu umtänzeln, das ist Petzolds Kunst.