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I. Kommunale Finanzautonomie in Bezug auf Steuern und Abgaben

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Neben den anderen aus Art. 28 Abs. 2 GG und den entsprechenden Vorschriften in den Landesverfassungen abgeleiteten sog. Gemeindehoheiten[654], nimmt die Finanzhoheit als das Recht der eigenständigen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft[655] eine besondere Rolle ein[656]. Ohne Dispositionsmöglichkeiten in finanzieller Hinsicht besteht auch kein Handlungsspielraum der Gemeinden und Gemeindeverbände, um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbstständig zu regeln. Die Finanzhoheit ist insofern „notwendiges Korrelat“ kommunaler Selbstverwaltung[657]. Auf der Ausgabenseite garantiert die kommunale Finanzhoheit die Befugnis der Gebietskörperschaften im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben über die Verwendung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel selbstständig zu entscheiden[658]. Auf der Einnahmenseite wird Art. 28 Abs. 2 GG vor allem das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände entnommen, auch wenn ein solches hier nicht ausdrücklich normiert und nur von den „Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“ die Rede ist[659].

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Im Zusammenhang mit der Finanzausstattung der Gemeinden sind die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften des Art. 106 GG heranzuziehen. Hier werden den Kommunen – trotz des nur zweistufigen Aufbaus der Finanzverfassung[660] – Finanzmittel aus dem allgemeinen Steueraufkommen ausdrücklich zugewiesen. Die Finanzverfassung berührt nur einen Teilbereich des kommunalen Finanzsystems. Neben den Einnahmen aus dem staatlichen Steueraufkommen erhalten Gemeinden und Gemeindeverbände Einnahmen aus der Erhebung kommunaler Gebühren und Beiträge. Darüber hinaus erzielen die Gemeinden regelmäßig auch privatrechtliche Einnahmen, insbesondere durch die in vielfältiger Hinsicht begrenzte erwerbswirtschaftliche Betätigung der Gemeinden[661], privatrechtliche Leistungsentgelte[662] oder Konzessionsabgaben[663]. Das in Art. 106 GG angesprochene Steueraufkommen stellt freilich in der Gegenwart – anders als in vorangegangenen Epochen – die Hauptquelle kommunaler Finanzierung dar.

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Während die Einnahmen aus der Erhebung von Gebühren und Beiträgen sowie die Einnahmen aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit der Gemeinden diesen unproblematisch ihrer allgemeinen Sachkompetenz nach zustehen, wird das Steueraufkommen – zwischen Bund, Ländern und Gemeinden als Teil der Länder – in Art. 106 GG ausdrücklich aufgeteilt[664]. Den Gemeinden und Gemeindeverbänden steht nach Art. 106 Abs. 7 GG ein Prozentsatz am Aufkommen der sog. Gemeinschaftssteuern zu. Hierbei handelt es sich um Mittel aus dem staatlichen Finanzausgleich[665]. Wie viel den Gemeinden dabei tatsächlich zugestanden wird entscheiden die Länder durch Gesetz, dabei haben diese einen weiten Ermessensspielraum. Allerdings gewährleistet Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden eine verfassungsfeste finanzielle Mindestfinanzausstattung, welche von den Ländern auch bei notleidender Haushaltslage nicht unterschritten werden darf[666]. Den Gemeinden wird darüber hinaus gem. Art. 106 Abs. 5, 5a GG die Ertragshoheit für einen Teil des Aufkommens der Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer zugesichert. Schließlich ist den Gemeinden unmittelbar durch die Verfassung die alleinige Ertragshoheit für örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern sowie für die Grund- und Gewerbesteuer zugewiesen, Art. 106 Abs. 6 GG.

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Schon diese Zuteilung finanzieller Mittel sichert eine gewisse finanzielle Mindestausstattung und ermöglicht den Gemeinden eigenverantwortliche politische Gestaltungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite. Zu Recht wird aber darauf hingewiesen, dass die den Gemeinden im Rahmen des Art. 106 GG zugewiesenen Einnahmen nicht genügen, um finanzielle Autonomie im umfassenden Sinne bejahen zu können. Eine solche liegt erst dann vor, wenn die Entscheidungen der Gemeinde im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts sich auch im Abgabenaufkommen widerspiegeln, die Finanzausstattung also „Folge und nicht nur Voraussetzung autonomer Sachpolitik“ der Gemeinden ist[667]. An die der Gemeinde zugewiesenen Einnahmen sind somit bestimmte Anforderungen zu stellen. Es muss sich zu einem nicht unerheblichen Teil um Einnahmen handeln, auf deren Höhe die Gemeinde Einfluss nehmen kann. Für die Erhebung von Gebühren und Beiträgen ergibt sich der geforderte Verantwortungszusammenhang bereits daraus, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts über das Leistungsangebot entscheiden können, ob und welche Angebote den Einwohnern zur Verfügung gestellt werden. Gebühren und Beiträge dienen als Ausgleich für den dadurch verursachten Aufwand. Für die Besteuerung bestimmt Art. 106 Abs. 5, Abs. 5a GG, dass die Höhe des den Gemeinden an der Einkommen- und Umsatzsteuer zukommenden Anteils, auf „Grundlage der Einkommensteuerleistungen der Gemeindebürger bzw. mithilfe eines „orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels“ zu berechnen ist[668]. Die Gemeinden können so am wirtschaftlichen Erfolg im Gemeindegebiet teilhaben und müssen die finanzielle Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen[669]. Ähnliche Erwägungen liegen auch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG sowie Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG zugrunde, die den Gemeinden eine „wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle“ zugestehen. Die so verstandene kommunale Finanzautonomie bringt eine unterschiedliche finanzielle Ausstattung der verschiedenen Gemeinden mit sich, die durch den Finanzausgleich nur begrenzt angeglichen werden soll[670].

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Ein Aspekt kommunaler Finanzautonomie auf der Einnahmenseite ist darüber hinaus das Recht, die Gemeindebürger selbstständig zu den – aus der öffentlichen Aufgabenwahrung resultierenden – Lasten heranzuziehen. Im Grundgesetz ist ein eigenes Steuererhebungsrecht nicht vorgesehen, ausdrücklich zugestanden wird in Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG den Gemeinden nur das Recht, die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer festzulegen[671]. Dagegen garantieren die Landesverfassungen der Flächenländer ihren Gemeinden ausdrücklich das Recht, eigene Steuern und sonstige Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben[672]. Im Rahmen dieser sog. kommunalen Abgabenhoheit erheben die Gemeinden eigene Steuern, Gebühren und Beiträge oder legen wie in Art. 28 Abs. 2 S. 3, 106 Abs. 6 S. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgt, zumindest die Hebesätze bestimmter Steuern[673] im Rahmen der Gesetze selbstständig fest und bestimmen somit unmittelbar die ihnen zufließenden Einnahmen.

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Grundlage für die Abgabenerhebung sind die kommunalen Abgabensatzungen, insofern korrespondiert die Finanzhoheit mit der Satzungshoheit der Gebietskörperschaften. Die kommunale Abgabenhoheit unterliegt jedoch vielfältigen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Einschränkungen. Als Eingriffsverwaltung gilt für die Abgabenerhebung insbesondere der allgemeine Gesetzesvorbehalt[674]. Die kommunalen Satzungen genügen diesem Erfordernis alleine nicht, da sie kein Gesetz im formellen Sinne darstellen. Es bedarf demnach einer speziellen Ermächtigung der Gemeinden und/oder Gemeindeverbände durch Landesrecht. In der Regel findet sich eine solche in den Kommunalabgabengesetzen der Länder[675]. Angesichts überkommener Typen kommunaler Abgaben und angesichts der eigenständigen demokratischen Legitimation, die durch die kommunalen (Abgaben-)Satzungen vermittelt werden, sind freilich an die Bestimmtheit der formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für Kommunalabgaben keine allzu strengen Anforderungen zu stellen[676].

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Im Hinblick auf die kommunale Steuerhoheit ergeben sich aus der Finanzverfassung einige Sonderregelungen. Die finanzverfassungsrechtliche Steuerhoheit wird – unterteilt in Steuergesetzgebungs-, Steuerertrags- und Steuerverwaltungshoheit – Bund, Ländern oder Gemeinden, als Untergliederungen der Länder, für die einzelnen Steuerarten zugewiesen. Art. 105 GG regelt abschließend die Steuergesetzgebungskompetenz; diese steht im Interesse einer einheitlichen Steuerlastverteilung regelmäßig dem Bund zu. Gemäß Art. 105 Abs. 2a GG obliegt den Länder lediglich die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für „örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind“. Die Ermächtigung der Gemeinden zum Erlass kommunaler Steuersatzungen kann über die tatsächliche Landeskompetenz nicht hinausgehen, sodass auch die Kommunen nur im Rahmen des Art. 105 Abs. 2a GG zur Erhebung von Steuern berechtigt sein können[677]. Das Prinzip der umfassenden Zuständigkeit („Allzuständigkeit“) der Gemeinden für Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gilt für den Bereich der Steuerrechtsetzung folglich nicht.

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Neben dem Recht, das Abgabenaufkommen zu vereinnahmen sowie die genaue Ausgestaltung der Abgabentatbestände zu bestimmen, gehört auch das Recht zur Erhebung der Steuer beim Steuerpflichtigen, zur Festsetzung der Steuerlast und zur Durchführung des Erhebungsverfahrens, also die Verwaltung der Steuern zur kommunalen Finanzautonomie. Auch hier sieht das Grundgesetz Besonderheiten für die Gemeinden vor. Gemäß Art. 108 GG sind grundsätzlich die Länder mit der Verwaltung betraut, Art. 108 Abs. 4 S. 2 GG ermächtigt diese aber ausdrücklich zur Übertragung dieses Rechts auf die Gemeinden und Gemeindeverbände, sofern diesen die alleinige Ertragshoheit zusteht.

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Gebühren und Beiträge unterliegen keiner solchen differenzierten Kompetenzaufteilung in Ertrags-, Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit. Das Recht zur Erhebung von Gebühren und Beiträgen ergibt sich vielmehr als Annex zu der den Aufwand begründenden Sachmaterie[678]. Demnach steht den Gemeinden das Recht zu, für die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben Gebühren und Beiträge zu erheben[679], soweit sie von den Ländern zur Erhebung kommunaler Gebühren und Beiträge ermächtigt worden sind. Genauso ergeben sich auch das Recht zur Verwaltung der Gebühren und Beiträge und die Ertragshoheit für nichtsteuerliche Abgaben der Gemeinden im Umkehrschluss aus der der Gemeinde zustehenden Sachmaterie.

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