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II. Verteilung der Gesetzgebungskompetenz

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Dass die raumordnungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen mehrfach im Fokus der Wissenschaft standen, wurde bereits angedeutet. Durch die im Zuge der Föderalismusreform 2006 eingeführten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG mit Abweichungsmöglichkeit der Länder gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG wurde die rechtliche Lage keineswegs einfacher, auch wenn die befürchtete Gefahr der „Ping-Pong“-Gesetzgebung[105] bisher nicht eingetreten ist[106].

Schon zuvor, als noch die Rahmengesetzgebungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG a.F. existierte, war trotz des scheinbar klaren Befunds, dass dem Bund nur die Kompetenz zu Rahmenregelungen zustand, d.h. die Kompetenz „der Ausführung fähigen und bedürftigen Grundsatzregelungen“[107] zu erlassen, die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen problematisch. Dies lag daran, dass das Bundesverfassungsgericht dem Bund in seinem Baurechtsgutachten[108] neben der Rahmenkompetenz auch eine ausschließliche Vollkompetenz kraft Natur der Sache für die Raumordnung im Gesamtstaat zugesprochen hatte. Auch in der Literatur[109] blieben die genauen Kompetenzgrenzen ungeklärt – insbesondere deshalb, weil auf Drängen der Länder der Bund sich beim Erlass des Raumordnungsgesetzes a.F. damit begnügte, lediglich seine Rahmenkompetenz gem. Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG a.F. auszuüben[110] und die ihm vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Regelungskompetenz bezüglich einer Raumordnung im Gesamtstaat[111] zunächst nicht in Anspruch nahm. Dies änderte sich mit den ROG-Novellierungen 2008 und 2017, in denen der Bund von seiner Kompetenz der Raumordnung im Gesamtstaat umfassend Gebrauch machte, obwohl unklar war, ob nach der Föderalismusreform 2006 die ausschließliche Kompetenz des Bundes für die Raumordnung im Gesamtstaat fortbestand[112].

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Durch die Föderalismusreform 2006 wurde die Raumordnung der konkurrierenden Gesetzgebung zugeschlagen und die Länder gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG ermächtigt, von den bundesgesetzlichen Regelungen abzuweichen. Dadurch wurde die Frage aufgeworfen, ob weiterhin davon auszugehen ist, dass der grundgesetzliche Begriff der „Raumordnung“ nur die Landesplanung umfasst, oder ob der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht durch die Neuregelung die ungeschriebene Vollkompetenz des Bundes für die Raumordnung im Gesamtstaat abgelöst hatte[113]. Für die zweite Auffassung spricht, dass das Grundgesetz nicht zwischen Bundes- und Landesraumordnung unterscheidet[114]. Wenn man dieser Ansicht folgt, hätten die Länder nicht nur bei Untätigkeit des Bundesgesetzgebers gem. Art. 72 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, sondern generell Raumordnungsangelegenheiten gem. Art. 72 Abs. 3 GG nach Belieben erschöpfend zu regeln. Der Landesgesetzgeber könnte über die Landesplanung hinaus auch Regelungen bezüglich der länderübergreifend bedeutsamen Planung und Koordination erlassen, d.h. allgemeine Regelungen des Bundesgesetzgebers bezüglich der gesamtstaatlichen Raumordnung ebenfalls außer Kraft setzen und anderweitig regeln.

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Die Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers war jedoch eine andere. Die Koalitionsfraktionen gingen im Rahmen der Föderalismusreform davon aus, dass „es sich bei der Raumordnung nach Artikel 72 Abs. 3 Nr. 4 GG neu wie bisher um die Raumordnung der Länder handelt“[115]. Auch im weiteren Verlauf vertrat die Bundesregierung 2008 die Auffassung, dass die ungeschriebene Vollkompetenz nicht abgelöst wurde; Teile des neuen ROG-Entwurfs wurden auf diese Kompetenz gestützt[116]. Dies ist auch insoweit plausibel, als die im Baurechtsgutachten vom Bundesverfassungsgericht angeführten Argumente zur Herleitung der Kompetenz kraft Natur der Sache durch die Föderalismus-Reform gerade nicht nicht entkräftet wurden. Die Länder können den Gesamtraum – nicht einmal gemeinsam – bezüglich seiner länderübergreifenden Aspekte erfassen und koordinieren[117]. Im Ergebnis ist daher nach wie vor von der Anwendbarkeit der Kompetenz kraft Natur der Sache auszugehen, die sich jedoch nur auf Gestaltungsregeln bezieht, die auf Grund ihrer besonderen Eigenart zwingend durch den Bund zu regeln sind. Die Länder sind demnach gemäß Art. 70 Abs. 1 GG nicht befugt, Regelungen über die Raumordnung im Gesamtstaat zu treffen, da diese Kompetenz kraft Natur der Sache weiterhin dem Bund zusteht[118].

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Das Kernproblem raumordnungsrechtlicher Gesetzgebungskompetenzen liegt darin, dass der raumordnungsrechtlich in mehrere Ebenen unterteilte Raum faktisch nur einmal existiert[119]. Die verwirrende Diskussion um die Kompetenzverteilung wäre wahrscheinlich endgültig beendet worden, hätte man die Regelungsmaterie der Vollkompetenz kraft Natur der Sache in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG in Gestalt eines abweichungsfesten Kerns entsprechend den anderen Regelungsmaterien des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2 und 5 GG aufgenommen. Diesbezügliche Vorschläge wurden jedoch vom Verfassungsgesetzgeber nicht umgesetzt[120], da er weiterhin davon ausging, dass der Raumordnungsbegriff des Grundgesetzes sich einheitlich auf die Landesplanung bezieht. Der abweichungsfeste Kern muss zur Vermeidung von Konflikten inhaltlich mindestens die Bundeskompetenz für die Raumordnung im Gesamtstaat kraft Natur der Sache umfassen. Auch die Bundesländer waren im Rahmen der Reformen ihrer Landesplanungsgesetze nach 2009 bemüht, „abweichende Sondergesetzgebung“ zu vermeiden und auf eine Klarstellung der Rechtslage hinzuwirken, so dass kompetenzrechtlichen Streitigkeiten in der Praxis kein Raum gegeben wurde.[121]

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